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Streitgespräch über Reform der Pflegeausbildung
"Wir brauchen eine Möglichkeit der Akademisierung"

In der Debatte über die Reform der Pflegeausbildung hat der Präsident des Deutschen Pflegerats, Andreas Westerfellhaus, ein Bildungskonzept gefordert, das jungen Menschen Karrieremöglichkeiten und akademische Abschlüsse eröffnet. Peter Clever von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände befürchtet, dass dadurch Hauptschüler in die Helfertätigkeit abgeschoben werden.

Peter Clever und Andreas Westerfellhaus im Gespräch mit Kate Maleike |
    Heike Jakobi vom ehrenamtlichen Kranken-Lotsendienst schiebt einen Patienten zur Therapie im Albertinen-Haus in Hamburg.
    Über die künftige Ausbildung von Pflegekräften wird derzeit heftig gestritten. (dpa / Christian Charisius)
    Kate Maleike: Mehr Fachkräfte gewinnen für die Pflege, für das Gesundheitswesen in Deutschland, das ist also, wie wir gerade gehört haben, gar nicht so leicht. Eine Reform der Pflegeausbildung könnte da einen wichtigen Baustein setzen, denn wenn Krankenpflege, Kinderkrankenpflege und Altenpflege nicht mehr, so wie bisher, separat ausgebildet werden, sondern die Ausbildungen zu einer verschmelzen, würde dies die Einsatzmöglichkeiten erhöhen und die Berufe attraktiver machen, sagen die Befürworter. Kritiker dagegen befürchten eine Schmalspurausbildung durch diese Zusammenlegung und halten sie für falsch. Und obwohl ein Kabinettsbeschluss vorliegt, blockiert der Streit gerade die gesamte Ausbildungsreform. Wie nun weiter? Dazu gibt es hier in "Campus & Karriere" mal ausführlich Klartext. Ich habe mich mit den Streitparteien für eine Viertelstunde verabredet, und zwar mit Andreas Westerfellhaus, dem Präsidenten des Deutschen Pflegerates, und mit Peter Clever. Er ist Mitglied in der Hauptgeschäftsführung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, und ich habe ihn gefragt, kommt ihm als Kritiker denn der aktuelle Reformstau nicht entgegen?
    Peter Clever, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) während der Pressekonferenz in Berlin zum Thema ein Jahr Anerkennungsgesetz.
    Peter Clever, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. (imago/Metodi Popow)
    Peter Clever: Nein, uns kommt Aussitzen und Verschieben und Tricksen überhaupt nicht entgegen. Wir wollen ganz offen klären – es geht um die Frage, ob man drei Berufe, Altenpflege, Krankenpflege und Kinderkrankenpflege zu einer Einheitsausbildung zusammenschmelzen kann, dreimal drei Jahre zu einmal drei Jahre für alle drei Berufe zusammenfassen. Und bis heute hat niemand vorgelegt, was eigentlich in den drei Jahren von einer Einheitspflegekraft gelernt werden soll. Es ist ein gesetzlicher Rahmen geschaffen worden, aber die Inhalte, die entscheidend sind, sind bis heute nicht auf den Tisch gelegt worden. Und das Interessante ist ja, die werden in der Ministerialbürokratie ausgedacht, nicht von den Praktikern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die die duale Berufsausbildung ansonsten in Deutschland zu Recht gut selbst organisieren, und deshalb ist es gut, dass nicht die Katze im Sack gekauft wird. Aber das hat nichts mit Vertagen zu tun.
    Maleike: Aber wie kann es denn sein, dass Sie gegen irgendwas sind, was Sie gar nicht kennen?
    "Dann muss aber die Spezialisierung sein"
    Clever: Wir sind dagegen, eine Einheitsausbildung zu machen, weil uns niemand bisher plausibel darstellen konnte, dass die so unterschiedlichen Anforderungen, wie sie in der Kinderkrankenpflege, wo ich mit einem Frühchen im Brutkasten zu tun habe, der Altenpflege mit einem demenzkranken Menschen in einer Pflegeeinrichtung und einem Akutkrankenhaus mit Operationsassistenz, dass das alles in einem einzigen Beruf gemacht werden kann. Wir halten das für falsch. Natürlich kann man gemeinsame Teile – die müssen Hygiene können und viele andere Dinge, die gleich sind in den Einrichtungen, auch gemeinsam machen, zwischen ein und zwei Jahren gemeinsame Ausbildung, dann lernt man sich kennen, man lernt auch andere Einrichtungen kennen. Dann muss aber die Spezialisierung sein, weil jeder Beruf auch voll einsatzfähig sein muss in der entsprechenden Einrichtung, wenn die Ausbildung abgeschlossen ist. Das sehen wir bei der Einheitsausbildung nicht gewährleistet.
    Maleike: Herr Westerfellhaus, vielleicht können Sie uns mal ein bisschen einen Einblick geben in das, was Herr Clever ja bemängelt, dass es im Grunde kein Curriculum gibt, so gesehen.
    Andreas Westerfellhaus, Präsident Deutscher Pflegerat. 
    Andreas Westerfellhaus, Präsident Deutscher Pflegerat. (picture alliance / dpa / Bernd Von Jutrczenka)
    Andreas Westerfellhaus: Na ja, an einer Stelle muss ich Herrn Clever recht geben, aber wirklich nur an einer Stelle, das ist, dass hier allein auf der gesetzgeberischen Seite ein neues Berufsgesetz entwickelt wird mit Ausbildungs- und Prüfungsverordnung, allerdings ohne die Profession Pflege zu beteiligen. Und das ist die einzige Einschränkung dazu. Es ist keine duale Berufsausbildung im herkömmlichen Sinne. Ich muss dazu aufklären, es gibt ein eigenes Krankenpflegegesetz, es gibt ein eigenes Altenpflegegesetz, das bundeseinheitlich die Ausbildung regelt. Da sind die Zuständigkeiten der Arbeitgeberverbände und anderer Institutionen überhaupt gar nicht gefragt. Das heißt, die Institution und die Pflegeprofession selbst weiß ja an allererster Stelle, was sich genau in dieser Ausbildung ändern muss und was zukunftsfähig sein muss. Und vielleicht ist es der Fehler, dass wir in der Vergangenheit immer von einer Zusammenlegung von drei Ausbildungen gesprochen haben. Wir brauchen eine neue Ausbildung in der Pflege, um die sich verändernden Anforderungen in allen Sektoren der Versorgung alter Menschen wie auch Kinder und in allen Disziplinen, die dann anzugehen. Das können wir mit den herkömmlichen Mitteln nicht beantworten. Und niemand hat gesagt und sagt es auch nicht, dass wir jetzt drei ehemals getrennte Ausbildungen in einer wollen.
    "Die selbstständige Ausübung der Heilkunde, das wollen die Menschen"
    Wissen Sie, Sie müssen doch sehen, es gibt keine einzige Berufsausbildung im Gesundheitswesen, die nicht generalistisch angelegt wird. Wenn ich hier damit die Befürchtung äußere, dass es zu einer Schmalspurausbildung kommt, zu einem Abbau von Qualität, dann muss ich gleichzeitig allen anderen, zum Beispiel den Medizinern unterstellen oder den Physiotherapeuten, dass ihre Ausbildung eine nicht qualifizierte Ausbildung ist. Das heißt, ich brauche ein solides Paket, in dem ich die Möglichkeit habe, mich weiter zu qualifizieren für die unterschiedlichen Sektoren. Und dann sieht der Gesetzgeber ja sehr wohl vor, dass schon innerhalb der Ausbildung, zumindest in den Eckpunkten, eine sogenannte Schwerpunktbildung vorgenommen werden kann. Das heißt, wenn ich während der Ausbildung feststelle, dass ein bestimmtes Fachgebiet wie die Pädiatrie oder die Geriatrie mich interessiert, dann kann ich genau diesen Weg gehen. Und lassen Sie mich eins noch sagen: Wir brauchen nicht nur eine dreijährige Ausbildung in einer neuen Pflegeberufereform. Wir brauchen ein gesamtes Bildungskonzept, das heißt, wir brauchen eine bundeseinheitliche Assistentenqualifikation, wir brauchen eine dreijährige generalistische Ausbildung mit Schwerpunktbildung, und wir brauchen die Möglichkeit, für die, die können und die wollen, dann auch eine Möglichkeit der Akademisierung.
    Das geht in ganz Europa, warum bitte nicht in Deutschland? Warum ist das alles in Deutschland wieder nicht möglich, warum überlassen wir diese Diskussion denen, die hier fremd sind, die von der Profession wirklich nur sehr wenige Grundlagen im Inhalt kennen? Das leuchtet mir nicht ein. Wenn man einen Pflegeberuf attraktiv machen will, und warum reden wir nur von dem Namen, warum reden wir nicht von den Inhalten, die drin stehen? Erstmalig könnte ein solches Gesetz feststellen, dass vorbehaltene Tätigkeiten vorgenommen wird, damit endlich mal drin steht, nicht nur eine geschützte Berufsbezeichnung, sondern auch drin steht, was darf ich mit der Qualifikation – steht bislang nirgendwo. Die selbstständige Ausübung der Heilkunde, das wollen die Menschen, das wollen die Patientinnen und Patienten. Und dann wird ein Schuh draus. Ein durchlässiges Bildungskonzept für morgen ist die Grundlage letztendlich für die Versorgungssicherheit der Menschen. Das ist wichtig. Und das muss das erste Ziel sein.
    Maleike: Herr Westerfellhaus, ich hab jetzt ganz aufmerksam zugehört. Ich hab aber immer noch nicht so wirklich gehört, was Sie denn genau in diese neue Ausbildung eigentlich stecken wollen. Was sind die Dinge, von denen Sie sagen, das macht wirklich die Ausbildung zukunftsfähig und moderner, und wir werden dann auch die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts meistern können.
    "Erstmalig sind Pflegende aller Bereiche autonom im Handeln"
    Westerfellhaus: Die Inhalte werden sicherlich, und das ist ja das Gesetzgebungsverfahren, Sie brauchen erst das Berufs-, das fertige Berufsreformgesetz, das ist das Gesetz, und die Verordnungen und die Ausführung zur Prüfungsverordnungsinhalte müssen gemeinsam mit uns in der Profession erarbeitet werden, Punkt. Der zweite Punkt ist aber, der wirkliche Fortschritt ist, dass erstmalig Pflegende aller Bereiche autonom im Handeln sind. Das heißt, sie sind nicht mehr abhängig von Delegationen. Sie können selbstständig, eigenverantwortlich über zum Beispiel die Versorgung chronischer Wunden entscheiden. Sie können diese diagnostizieren, sie können therapeutische Entscheidungen treffen. Das ist in der ambulanten Versorgung, in der Versorgung alter Menschen existenziell wichtig. Wir streiten uns in vielen Bereichen über die Delegation und die Substitution, wer darf in diesem System etwas. Wenn mir junge Auszubildende hinterher sagen nach einer dreijährigen Ausbildung – gefällt Ihnen der Beruf, würden Sie den noch mal – dann sagen die meisten ja. Und was stört Sie am meisten? Am meisten stört sie, sagt sie, wir haben so viel gelernt, wir sind nicht autonom im Handeln. Warum können und dürfen wir das, was wir gelernt haben, nicht einsetzen. Und das ist der existenzielle Fortschritt. Und ich plädiere dafür, dass wir uns jetzt auf den Weg machen. Und dann können wir gerne gemeinsam mit allen Akteuren, und das ist ja auch unser Wunsch, diese Entwicklung weiterhin aufmerksam und kritisch begleiten und dann Veränderungen herbeiziehen. Aber was wir jetzt tun – wir reden jetzt alles kaputt, und es kennt keiner vernünftige Alternativen in Aussicht, zumal die Europäische Union uns Vorgaben zur Veränderung eines Krankenpflegegesetzes ja auferlegt hat. Das heißt, es gibt ja Handlungsdruck, mal abgesehen von den inhaltlichen Veränderungen im Gesundheitswesen.
    Maleike: Herr Clever, das klingt eigentlich doch alles sehr zukunftsgewandt.
    "Wir sind nicht in den Akademisierungswahn gegangen"
    Clever: Nein, das klingt überhaupt nicht zukunftsgewandt. Das klingt egoistisch, und Herr Westerfellhaus hat die Katze aus dem Sack gelassen in einer Deutlichkeit, wie ich es noch nicht erlebt habe, mit dem Stichwort der Akademisierung. Wissen Sie, Deutschland wird gerade wegen der Nichtakademisierung, der exzellenten dualen Berufsausbildung überall in der Welt bewundert für die Leistung, die dahinter steckt.
    Westerfellhaus: Ist keine duale Ausbildung, sorry.
    Clever: Ja, formal ist es keine duale Berufsausbildung, aber Ihr Hinweis, in ganz Europa funktioniert die Akademisierung – in Deutschland haben wir die geringste Arbeitslosenquote unter Jugendlichen, weil wir nicht in den Akademisierungswahn gegangen sind. Wir haben in der Altenpflege im Moment eine Rekordausbildungszahl. 68.000 mit –
    Westerfellhaus: Und eine Rekordabbrecherquote.
    Clever: Eine Rekordausbildungszahl mit 68.000, und vielen, vielen Hauptschülern darunter. Und ich sage Ihnen, wir brauchen auch diesen Ausbildungsberuf, um das, was die Menschen am meisten nämlich besorgt, dass sie im Alter gut gepflegt werden können, brauchen wir die Altenpflege. Und wenn Sie mit der Akademisierung, wie Sie es ja schon mal probiert haben, uns über die europäische Hintertür quasi eine Falle zu stellen, indem Sie sagen, zwölfjähriger Schulbesuch ist die Voraussetzung für die Pflegeausbildung. Das wollten Sie schon mal betreiben. Sie hätten die Hauptschüler rausgeworfen aus dem Potenzial für die Altenpflege. Gute, qualifizierte, ordentliche Menschen, und das ist Ihr zentrales Ziel, Sie haben es gerade klar gesagt.
    "Wir brauchen eine zweijährige bundeseinheitliche Pflegeassistentenqualifikation"
    Westerfellhaus: Das ist Unsinn. Die Basis liegt in der Fähigkeit des Zuhörenkönnens. Ich habe gesagt, wir brauchen ein Bildungskonzept. Wir brauchen eine zweijährige bundeseinheitliche Pflegeassistentenqualifikation. Und da haben selbstverständlich alle einen Zugang zu dieser Ausbildung. Das heißt also, wenn ich eine zweijährige Assistentenqualifikation durchlaufen habe – viele Länder haben eine einjährige, einige haben eine zweijährige, mittlerweile haben einige gar keine Assistentenqualifikation – die ermöglicht allen diesen, die Sie gerade angesprochen haben, genau den Zugang zum Beruf. Und dann brauchen wir dieses System durchlässig gestaltet. Das heißt, wer nach zwei Jahren diese Qualifikation erfolgreich beschritten hat, dem öffnet sich der Weg in den gesamten weiteren Bereich der Qualifikation. Was kann denn für junge Menschen attraktiver sein, wenn ich weiß, ich setze mich in etwas hinein, es bietet mir berufliche Chancen, und es bietet mir Karrieremöglichkeiten, wenn ich kann und wenn ich will. Und ich habe gesagt, keine Vollakademisierung, sondern ich habe gesagt, denen, die wollen, und die, die können, die brauchen wir in Steuerungsprozessen in diesem Gesundheitswesen genauso wie die Assistenten, die in einem anderen Bereich, in einer anderen Situation, mit einer anderen Qualifikation arbeiten, dann erst wird ein Schuh draus. Wir brauchen dieses Bildungskonzept. Und da lasse ich mir auch nichts einreden.
    Clever: Ja, den Altenpfleger wollen Sie abschaffen.
    Westerfellhaus: Ist ja Unsinn.
    Clever: Und indem Sie ihn abschaffen, wollen Sie ihn aufwerten …
    Westerfellhaus: Es wird nicht besser, wenn Sie alte Lügen wiederholen.
    Clever: Nein, Sie haben es ja gerade selber gesagt.
    Westerfellhaus: Nein, wir wollen keinen Altenpfleger abschaffen, wir wollen eine Pflegeberufereform.
    "Sie wollen den Pfleger neben den Arzt stellen"
    Clever: Ja, richtig. Und das zu einer Einheitspflegeausbildung machen. Und Sie haben es gerade gesagt, der Hauptschüler soll in die Helfertätigkeit abgeschoben werden, in die Assistententätigkeit abgeschoben werden. Da, wo der Hauptschüler heute einen hochattraktiven zukunftsträchtigen Weg vor sich hätte mit einer voll anerkannten Ausbildung, wollen Sie quasi das Stoppschild setzen, weil Sie in eine Akademisierung hinein wollen. Und hier zeigt sich das wahre Interesse: Es geht Ihnen nicht um den Patienten in erster Linie, sondern um Ihre berufsspezifischen Interessen. Sie wollen in die akademische Welt hinein, Sie wollen den Pfleger neben den Arzt stellen. Und damit verschließen Sie für weite Bereiche, schließen Sie die Möglichkeiten für Hauptschüler.
    Westerfellhaus: An dieser Diskussion muss man erkennen, warum diese Diskussion durch die Profession Pflege geführt werden muss, und sie nicht Fremden wie dem BDA überlässt. Stellen Sie sich eine solche Diskussion bei der Veränderung einer medizinischen Studienordnung vor. Würden Sie die mit dem BDA oder mit anderen Organisationen führen? Nein. Würde auch keiner auf die Idee kommen, weil die Profession weiß am allerbesten, was das, was sie tagtäglich in allen Sektoren, in der ambulanten Versorgung, in der Altenpflegeversorgung, in der Krankenpflegeversorgung tagtäglich in den Institutionen erlebt, dass das einer dringenden Reform bedarf. Und warum man nicht dieser Profession genau das auch zugesteht, das ist ihre ureigene Tätigkeit und ihre ureigene Kompetenz. Und das macht sie im Sinne und im beruflichen Ethos gegenüber der Versorgung der Menschen. Und da lasse ich mir nicht unterstellen, das sind egoistische Methoden, oder wir haben nicht das Wohl des Patienten – dann kennen Sie diese Berufsgruppe nicht, Herr Clever.
    Maleike: Herr Westerfellhaus, Herr Clever, mit Blick auf die Uhr, wie geht jetzt eigentlich
    die Sache weiter? Hat die Reform der Pflegeausbildung in Deutschland noch eine Chance, Herr Clever?
    "Wenn man Reformen will, dann muss man sie auch mutig angehen"
    Clever: Eine Einheitsausbildung wird von uns entschieden abgelehnt. Wir wollen eine Modernisierung, bei der ein bis zwei Jahre gemeinsames Lernen möglich werden soll. Das wird die Berufe in sich durchlässiger machen. Aber anschließend muss ein Jahr mindestens Spezialisierung für Kinderkrankenpflege, für Krankenpflege, für Altenpflege folgen. Und die Altenpflege ist uns wichtig, weil sie das Reservoir ist auch für die Menschen, die nicht den höchsten theoretischen Ansprüchen genügen können, aber den Bedürfnissen der zu Pflegenden in der Altenpflege sehr wohl gerecht werden. Dafür steht für mich das Synonym des Hauptschülers oder dessen, der einen mittleren Schulabschluss nicht mit den besten Noten gemacht hat. Und für die brauchen wir auch sinnvolle anerkannte Beschäftigungen, und deshalb glauben wir, dass der Weg gemeinsam eine gewisse Zeit Ausbildung betreiben, aber dann die Spezialisierung in Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege. Auf diesem Weg sind wir jederzeit bereit, auch dann über die Inhalte zu sprechen, die gemeinsam gelernt werden müssen.
    Maleike: Herr Westerfellhaus, Ihr Blick in die Zukunft? Wie sieht der aus?
    Westerfellhaus: Wir halten natürlich an der Vorgabe fest. Wir sehen auch überhaupt gar keine Alternativen. Wenn man Reformen will, dann muss man sie jetzt auch mutig angehen, begleitet mit der Profession. Ich möchte nur mal eins sagen: Wir haben in über zehn Jahren über 40 Modelle in Deutschland erprobt, die in Auftrag gegeben waren im Rahmen einer generalistischen Ausbildung. Und alle haben gezeigt – und wir haben Schulen, die bereits nach solchem System in Deutschland funktionieren –, alle haben gezeigt, dass das sehr wohl den Interessen der Berufsausübenden, der Patienten, der Bewohner und der Institutionen nachkommt, dass damit ein richtiger Paradigmenwechsel in der Attraktivität des Berufsfeldes möglich ist. Und wenn man das über zehn Jahre lang erprobt, evaluiert hat, dann frage ich mich, worauf wartet man eigentlich noch. Und jetzt hoffe ich, dass die restliche Zeit der Bundesregierung dazu auch genutzt wird, zu Beginn des Jahres das Gesetzgebungsverfahren zu verabschieden.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.