"Heute ist eine Art Ferientag, erst am Nachmittag um vier Uhr ist die Besprechung der politischen Delegierten wieder aufgenommen worden. Den Vormittag haben die Mitglieder der Delegationen und auch ein Teil der Journalisten zu Ausflügen mit Motorbooten auf dem Lago Maggiore oder mit ihren Automobilen in die benachbarten Orte oder auf die Höhen der Umgebung benutzt. "
Über eine entspannte, ja gelöste Atmosphäre berichtete die Vossische Zeitung zu Beginn der Konferenz von Locarno. Dort hatten sich am 5. Oktober 1925 die Vertreter von Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Belgien, Italien, Polen und der Tschechoslowakei zu einer Sicherheitskonferenz eingefunden. Das erste große Treffen dieser Art nach dem Ende des ersten Weltkriegs und dem Versailler Vertrag von 1919. Diktierten in Versailles noch die Alliierten dem geschlagenen Deutschen Reich die Friedensbedingungen, konnten in Locarno Reichskanzler Hans Luther und Außenminister Gustav Stresemann auf Augenhöhe mit der einstigen Kriegsentente verhandeln. Stresemann und Luther ging es in Locarno vor allem darum, die Besetzung des Rheinlandes durch die Alliierten möglichst schnell zu beenden. Im Mai 1925 erklärte Stresemann vor dem Reichstag zu der bevorstehenden Sicherheitskonferenz:
"Wenn Deutschland auf dem Gebiete der Handelspolitik seit dem 10. Januar wieder freie Bahn gewonnen hat, steht dem die Tatsache gegenüber, dass dieser Stichtag des Versailler Vertrags auf einem anderen, unsere vitalsten Interessen noch unmittelbarer berührenden Gebiete die notwendige und von uns erhoffte Wendung nicht gebracht hat. Die nördliche Rheinlandzone ist am 10. Januar nicht geräumt worden und ist noch heute besetzt. Dieses Unrecht bringt uns allen täglich und stündlich zum Bewusstsein, wie weit wir noch immer von normalen Friedensverhältnissen entfernt sind. "
Stresemann glaubte, dass er vor allem den Franzosen Sicherheit bieten müsse, um einen Abzug der ausländischen Truppen aus Deutschland zu erreichen. Im Februar 1925 hatte er deshalb Frankreich, Belgien und Großbritannien einen Garantiepakt zur Festschreibung der deutschen Westgrenze vorgeschlagen. Deutschland würde völkerrechtlich auf Elsass-Lothringen und die von Belgien annektierte Region Eupen Malmedy verzichten. Jede der Garantiemächte sollte einschreiten, wann immer ein Land versuchen würde, die Grenzen gewaltsam zu verändern. Gleichzeitig akzeptierte die Reichsregierung die Entmilitarisierung des Rheinlandes und stimmte zu, dem Völkerbund beizutreten und sich dessen Schlichtungsmechanismus für Grenzstreitigkeiten zu unterwerfen. Als dieser Pakt in Locarno tatsächlich am 16. Oktober zustande kam, reagierte der französische Außenminister Aristide Briand fast euphorisch:
"Von Locarno muss ein neues Europa anheben. Ich bin sicher, dass Frankreich die ganze Tragweite des neuen Paktes verstehen und dass es gewillt sein wird, alles, was in seinen Kräften steht, zu tun, damit aus ihm ein Gefühl der Befriedigung und Entspannung zwischen uns hervorgeht. "
Doch Stresemann ging es um mehr als den Ausgleich mit Frankreich. Indem er Paris die gewünschte Sicherheit seiner Grenzen gab, wollte er Frankreich und Polen auseinander treiben und so eine Revision der deutschen Ostgrenzen erreichen. So schloss Deutschland mit Polen und der Tschechoslowakei in Locarno zwar einen Schiedsvertrag zur Beilegung von Grenzstreitigkeiten, eine Garantie wie im Westen lehnte Stresemann aber ab:
"Die Regierungen Polens und der Tschechoslowakei wollten einen Pakt, bei dem wir uns verpflichten, von jedem Angriff abzusehen. Diese Verpflichtung sind wir im Westen eingegangen, wir haben sie für den Osten abgelehnt. Auch der Eintritt in den Völkerbund schließt den Krieg nicht aus. "
Stresemann setzte nicht auf Krieg, um die deutsche Ostgrenze zu ändern, auch weil Deutschland militärisch dazu nicht in der Lage war. Aber er versuchte Polen wirtschaftlich zu schwächen und es damit zu Zugeständnissen in der Grenzfrage zu zwingen.
Stresemann und Briand erhielten 1926 den Friedensnobelpreis für die mit dem Locarnopakt geglückte Annäherung zwischen Deutschland und Frankreich. Zu Hause wurde Stresemann von einer zunehmend nationalistischen Öffentlichkeit als Erfüllungspolitiker der Kriegsgegner geschmäht, auch weil die erhoffte zügige Räumung des Rheinlands auf sich warten ließ. Es dauerte bis 1930, also noch weitere fünf Jahre, bis der letzte ausländische Soldat das Deutsche Reich verließ. 1935 brach Adolf Hitler mit dem Einmarsch deutscher Truppen ins Rheinland den Locarnovertrag und machte klar, dass die Zeit der Entspannung in Europa vorüber war.
Über eine entspannte, ja gelöste Atmosphäre berichtete die Vossische Zeitung zu Beginn der Konferenz von Locarno. Dort hatten sich am 5. Oktober 1925 die Vertreter von Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Belgien, Italien, Polen und der Tschechoslowakei zu einer Sicherheitskonferenz eingefunden. Das erste große Treffen dieser Art nach dem Ende des ersten Weltkriegs und dem Versailler Vertrag von 1919. Diktierten in Versailles noch die Alliierten dem geschlagenen Deutschen Reich die Friedensbedingungen, konnten in Locarno Reichskanzler Hans Luther und Außenminister Gustav Stresemann auf Augenhöhe mit der einstigen Kriegsentente verhandeln. Stresemann und Luther ging es in Locarno vor allem darum, die Besetzung des Rheinlandes durch die Alliierten möglichst schnell zu beenden. Im Mai 1925 erklärte Stresemann vor dem Reichstag zu der bevorstehenden Sicherheitskonferenz:
"Wenn Deutschland auf dem Gebiete der Handelspolitik seit dem 10. Januar wieder freie Bahn gewonnen hat, steht dem die Tatsache gegenüber, dass dieser Stichtag des Versailler Vertrags auf einem anderen, unsere vitalsten Interessen noch unmittelbarer berührenden Gebiete die notwendige und von uns erhoffte Wendung nicht gebracht hat. Die nördliche Rheinlandzone ist am 10. Januar nicht geräumt worden und ist noch heute besetzt. Dieses Unrecht bringt uns allen täglich und stündlich zum Bewusstsein, wie weit wir noch immer von normalen Friedensverhältnissen entfernt sind. "
Stresemann glaubte, dass er vor allem den Franzosen Sicherheit bieten müsse, um einen Abzug der ausländischen Truppen aus Deutschland zu erreichen. Im Februar 1925 hatte er deshalb Frankreich, Belgien und Großbritannien einen Garantiepakt zur Festschreibung der deutschen Westgrenze vorgeschlagen. Deutschland würde völkerrechtlich auf Elsass-Lothringen und die von Belgien annektierte Region Eupen Malmedy verzichten. Jede der Garantiemächte sollte einschreiten, wann immer ein Land versuchen würde, die Grenzen gewaltsam zu verändern. Gleichzeitig akzeptierte die Reichsregierung die Entmilitarisierung des Rheinlandes und stimmte zu, dem Völkerbund beizutreten und sich dessen Schlichtungsmechanismus für Grenzstreitigkeiten zu unterwerfen. Als dieser Pakt in Locarno tatsächlich am 16. Oktober zustande kam, reagierte der französische Außenminister Aristide Briand fast euphorisch:
"Von Locarno muss ein neues Europa anheben. Ich bin sicher, dass Frankreich die ganze Tragweite des neuen Paktes verstehen und dass es gewillt sein wird, alles, was in seinen Kräften steht, zu tun, damit aus ihm ein Gefühl der Befriedigung und Entspannung zwischen uns hervorgeht. "
Doch Stresemann ging es um mehr als den Ausgleich mit Frankreich. Indem er Paris die gewünschte Sicherheit seiner Grenzen gab, wollte er Frankreich und Polen auseinander treiben und so eine Revision der deutschen Ostgrenzen erreichen. So schloss Deutschland mit Polen und der Tschechoslowakei in Locarno zwar einen Schiedsvertrag zur Beilegung von Grenzstreitigkeiten, eine Garantie wie im Westen lehnte Stresemann aber ab:
"Die Regierungen Polens und der Tschechoslowakei wollten einen Pakt, bei dem wir uns verpflichten, von jedem Angriff abzusehen. Diese Verpflichtung sind wir im Westen eingegangen, wir haben sie für den Osten abgelehnt. Auch der Eintritt in den Völkerbund schließt den Krieg nicht aus. "
Stresemann setzte nicht auf Krieg, um die deutsche Ostgrenze zu ändern, auch weil Deutschland militärisch dazu nicht in der Lage war. Aber er versuchte Polen wirtschaftlich zu schwächen und es damit zu Zugeständnissen in der Grenzfrage zu zwingen.
Stresemann und Briand erhielten 1926 den Friedensnobelpreis für die mit dem Locarnopakt geglückte Annäherung zwischen Deutschland und Frankreich. Zu Hause wurde Stresemann von einer zunehmend nationalistischen Öffentlichkeit als Erfüllungspolitiker der Kriegsgegner geschmäht, auch weil die erhoffte zügige Räumung des Rheinlands auf sich warten ließ. Es dauerte bis 1930, also noch weitere fünf Jahre, bis der letzte ausländische Soldat das Deutsche Reich verließ. 1935 brach Adolf Hitler mit dem Einmarsch deutscher Truppen ins Rheinland den Locarnovertrag und machte klar, dass die Zeit der Entspannung in Europa vorüber war.