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Stress für Korallen

Umwelt. - Der um sich greifende Klimawandel trifft besondere Tropenschönheiten besonders hart: Korallen und ihre Symbionten geraten aus dem Gleichgewicht und verlieren die gemeinsame Lebensgrundlage. Dazu kommt jetzt noch ein weiteres Phänomen: die zunehmende Übersäuerung der Meere macht den Meeresbewohnern zusätzlich zu schaffen.

Von Volker Mrasek |
    Studien über die Auswirkungen der Klimaerwärmung auf Flora und Fauna gibt es inzwischen viele. Die Arbeit, die das Wissenschaftsmagazin Science heute abdruckt, ist aber von einem besonderen Kaliber:

    "Dieser Fachartikel fasst die Forschung der letzten zehn Jahre zusammen: über Korallenriffe und wie sie sich verändern. Das wichtigste Fazit der Studie ist: Wir haben keine Zeit zu verlieren! Riffen macht der Anstieg von Treibhausgasen schwer zu schaffen. Sie werden verschwinden, wenn wir nicht sofort etwas unternehmen."

    17 Meeresforscher aus sieben Ländern haben an der Studie mitgewirkt. Ein Australier mit niederländischen Vorfahren leitete das Projekt: Ove Hoegh-Guldberg, Direktor des Zentrums für Meereswissenschaften an der Universität von Queensland.

    "Korallenriffe leiden doppelt unter dem Klimawandel. Zum einen wird das Oberflächenwasser der Meere wärmer. Korallen verlieren ihre Algen, mit denen sie in Symbiose leben, und bleichen aus. Allein dadurch sind die globalen Korallenbestände in den letzten beiden Jahrzehnten um rund 20 Prozent zurückgegangen. Das zweite große Problem ist, dass die Ozeane saurer werden."

    Man könnte das Meer auch als Müllkippe für Kohlendioxid bezeichnen. Rund ein Viertel der weltweiten Emissionen des Treibhausgases wandert postwendend in den Ozean. Dort wird das Kohlendioxid in Kohlensäure umgewandelt. Infolgedessen sinkt der pH-Wert des Meerwassers, es wird saurer. Für Korallen ist das irgendwann Existenz bedrohend. Die Riff bildenden Hohltiere besitzen ein Skelett aus Kalk, aus Kalzium-Karbonat. Der Baustoff ist im Meerwasser gelöst. Doch sein Gehalt geht zurück, je stärker der pH-Wert sinkt. Die Folge: Den Korallen geht das lebenswichtige Karbonat aus. Ken Caldeira gilt als der Forscher, der den Begriff von der Meeresversauerung geprägt hat. Der Chemiker und Ozeanograph arbeitet im Carnegie-Institut an der Universität von Stanford in den USA. Auch er ist unter den Autoren der neuen Studie:

    "Es gibt Hinweise darauf, dass sich Korallen an höhere Temperaturen anpassen können. Aber in keinem Laborexperiment wurde jemals beobachtet, dass sie sich auch auf Veränderungen des pH-Wertes einstellen können."

    Caldeira und seine Kollegen wollten deshalb wissen, wie stark der pH-Wert des Meerwassers in Zukunft fallen wird. Und wie lange Korallen überhaupt noch genügend Karbonat vorfinden, um stabile Kalk-Skelette aufzubauen – und damit auch intakte, konkurrenzfähige Korallenriffe. Die Forscher simulierten das in einem Klimamodell, mit weiter steigenden Kohlendioxid-Emissionen und den Folgen für die Meereschemie. Der Ausblick für das artenreichste Ökosystem der Ozeane ist bedrückend:

    "Man kann nicht genau sagen, wann die letzte Koralle verschwunden sein wird. Aber wir haben herausgefunden: Wenn sich an den Kohlendioxid-Emissionen nichts ändert, wird es schon Mitte des Jahrhunderts keinen Flecken im Ozean mehr geben, auf dem Korallen noch konkurrenzfähig sind."

    Für den US-Forscher ist das ein weiteres triftiges Argument, um den Ausstoß von Treibhausgasen so schnell und so stark wie möglich zu vermindern. Viele Korallenstöcke seien ohnehin durch Umweltschadstoffe und Überfischung gefährdet - die Meeresversauerung könnte ihnen förmlich den Rest geben. Wobei das nicht nur ökologische Folgen hätte, sondern auch ökonomische. Erstautor Hoegh-Guldberg ist es wichtig, darauf hinzuweisen:

    "Korallenriffe sind für die Bevölkerung in vielen Teilen der Welt lebenswichtig. Sie bieten Schutz vor Sturmfluten, und sie ernähren rund hundert Millionen Menschen. Ungemein wichtig sind sie außerdem für Tourismus und Fischerei. Auch deshalb müssen wir unsere Klimaschutz-Anstrengungen verstärken."