Anders als in der Vorwoche ist es Anfang dieser Woche bei der 80. Montagsdemonstration der Stuttgart-21-Gegner friedlich zugegangen. Ansonsten war es das gewohnte Bild, waren es die gewohnten Argumente, waren es die gewohnten Sprechchöre, wie sie seit mehr als einem Jahr in Stuttgart zu hören sind.
"Kopfbahnhof 21 ist machbar. Wir brauchen kein Stuttgart 21. Wir werden beim Stressest noch mal nachfassen und dann wird sich zeigen, ob er Bestand hat oder nicht. Oben bleiben. Gebrüll."
Ein Schlagwort ist in den vergangenen Wochen dennoch dazu gekommen: Der Stresstest. Die Überprüfung der Leistungsfähigkeit des tiefer gelegten Hauptbahnhofs, wie sie Schlichter Heiner Geißler sie im Einvernehmen mit Bahnhofsgegnern und Bahn in seinem Schlichterspruch am 30. November 2010 gefordert hatte.
"Die Deutsche Bahn AG verpflichtet sich einen Stresstest für den geplanten Bahnknoten Stuttgart 21 anhand einer Simulation durchzuführen."
Die erste Stufe des Stresstests besteht erstens aus einer Computersimulation der Bahn, der zeigen soll, wie ein Fahrplan in Stuttgart 21 aussehen könnte und wie er im Alltagsbetrieb funktioniert. Diese Simulation soll im zweiten Schritt von der Zürcher Gutachterfirma SMA geprüft und testiert werden.
Das Ergebnis soll heute in zwei Wochen wiederum von Heiner Geißler öffentlich vorgestellt werden und es sorgt in Stuttgart seit Tagen für Stress. Es gibt Indiskretionen bei der Bahn, die bereits vor Wochenfrist hat durchsickern lassen, das der Test bestanden sei.
Es gibt Zweifel an dem Gutachter, der Schweizer Firma SMA, die die Computersimulation der Bahn derzeit überprüft. Es gibt Meinungsverschiedenheiten darüber wie gut der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann von den Grünen über den aktuellen Sachstand informiert ist und es gibt ein heftiges Ringen um die Frage, was genau die Grundlage für den Test ist. Im November zum Abschluss des Schlichtungsverfahren hatte Heiner Geißler gefordert dass die Bahn ...
" ... den Nachweis führen, dass ein Fahrplan mit 30 Prozent Leistungszuwachs in der Spitzenstunde mit guter Betriebsqualität möglich ist."
Das Problem dabei ist allerdings, dass Geißler in zwei Punkten unpräzise blieb. Erstens bei der Frage, worauf sich dieses plus 30 Prozent bezieht. Bei der Frage der Auslastung war klar, dass zum Zeitpunkt der Schlichtung in der Spitzenzeit im Stuttgarter Hauptbahnhof 37 Züge verkehren, dass Stuttgart 21 folglich 49 Züge pro Stunde verkraften muss.
Dann schien klar dass die Bahn von einem Fahrplan ausgeht, der bei der Schlichtung basiert wurde und auf der gegenwärtigen Auslastung des Kopfbahnhofs basierte. Offenbar hat die Bahn jedoch diesen Fahrplan - in Abstimmung mit der damals noch schwarz-gelben Landesregierung, so verändert, dass er leichter zu betreiben ist.
Als die neue grün-rote Landesregierung ins Amt kam, machte der neue Verkehrsminister Winfried Hermann die Angelegenheit zur Chefsache, indem er fünf Kriterien festlegte, die der Fahrplan erfüllen soll. Es geht unter anderem um die Verteilung der Züge auf die Stundenuhr.
"Wir haben uns seitens der Landesregierung mit der Bahn verständigt, was die 5 Kriterien sind, die die Bahn erfüllen muss. Ob diese Kriterien tatsächlich erfüllt sind, dass muss jetzt von SMA geprüft werden."
Zweitens bleibt der Schlichterspruch bei der Aussage unklar, was denn gute Betriebsqualität ist. Hier geht es um die wichtige Frage, ob es bei einem Fahrplan möglich ist, Verspätungen wieder einzuholen, oder ob eine Verspätung immer neue Verspätungen nach sich zieht und einen Fahrplan so schließlich zum kollabieren bringt.
Bis zu diesem Punkt schien es immerhin möglich, dass Bahn, Landesregierung und Bahnhofsgegner am Ende des Stresstests mit Hilfe des Gutachters SMA auf ein Ergebnis des Tests einigen. Seit einigen Tagen allerdings stellen insbesondere die Stuttgart 21-Gegner noch weitere Anforderungen an den Test.
Man dürfe, so Hannes Rockenbauch der Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, nicht von dem Fahrplan ausgehen, der im heutigen Bahnhof fährt, sondern von dem, der möglich ist.
"Der Schlichterspruch sagt klar, 30 Prozent mehr wie der Kopfbahnhof. Die Grundlage kann aber nicht der aktuelle Fahrplan sein, sondern die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Kopfbahnhofs und die wurde nie untersucht."
Nach Auffassung der Bahnhofsgegner liegt die maximale Kapazität des heutigen Bahnhofs bei 60 Zügen in der Stunde, das heißt, der neue Bahnhof müsste 78 bewältigen, was ein K.O.-Kriterium wäre. Nachdem die Bahn also zunächst versucht hat, die Kriterien abzusenken, schrauben die Gegner sie nun künstlich in die Höhe.
Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann schließlich schlägt vor, in einem weiteren Stresstest wenigstens zu ermitteln, wo die Kapazitätsgrenzen des heutigen Bahnhofs sind, um dann Alt und Neu besser vergleichen zu können.
"Insofern muss man, wenn man die Leistungsfähigkeit der beiden Konzepte vergleichen will, eigentlich die Leistungsfähigkeit des Kopfbahnhofs mit der Leistungsfähigkeit des Tiefbahnhofs vergleichen will. Das ist bisher nicht geschehen und deshalb glauben wird, dass wir auch ein unabhängiges Gutachten zur Leistungsfähigkeit des Kopfbahnhofs brauchen."
Nachdem man sich mit viel Mühe auf die ersten Stresstest geeinigt hatte, nun die Forderung nach einem zweiten Stresstest! Das war jedenfalls eine von vielen Äußerungen des Verkehrsministers in den vergangenen Wochen, die heftige Kritik ausgelöst haben und die Rufe nach seinem Rücktritt immer lauter werden ließen.
Es begann mit unglücklichen Interviewäußerungen von Hermann zu Beginn seiner Amtszeit, als er erklärte, er wurde die Zuständigkeit für Stuttgart 21 abgeben, falls der Bahnhof gebaut wird.
Dann sagte er, dass er alles tun werde, um das Projekt zu verhindern.
Immer wieder ging er in der Folge die Bahn heftig an, unter anderem in einem Interview mit dem Deutschlandfunk, in dem er die vorzeitige Veröffentlichung von Ergebnissen des Stresstests durch die Bahn kritisierte:
"Ärgerlich ist, dass die Bahn uns, den Projektpartnern und auch dem Aktionsbündnis die Informationen verweigert hat. Wir haben die Materialen nicht, auf die sie angeblich zurückführt ihre Einschätzungen. Sie hat gesagt, sie braucht noch mindestens bis zum 11. Juli, bis sie das vorgelegt hat geprüft von SMA. Und jetzt wird in der Öffentlichkeit das Ergebnis in der Interpretation der Bahn gespielt. Das ist Foul gespielt."
Die Aussage in diesem Interviewabschnitt, dass das Ministerium die Materialien zum Stresstest nicht habe, steht jedoch im Widerspruch zur Aussage der Bahn, dass Hermann, beziehungsweise sein Ministerium kontinuierlich über den Stand des Verfahrens informiert wurde.
Stuttgart 21-Sprecher Wolfgang Dietrich:
"Wenn er bei dieser Aussage bleiben sollte, dann werden wir im Detail mit Uhrzeit und Datum auf den Tisch legen, was er wann bekommen hat. Dann kann sich jeder selber ein Bild machen, ob es Originalunterlagen waren oder Kopien. Ich kann es mir nicht vorstellen, dass er bei dieser Aussage so bleibt."
Wegen dieses Widerspruchs und der Diskussion über ein zurückgezogenes Interview des Ministers, in dem er nun doch Informationen über den Stresstest zu haben schien, hat die Opposition am Dienstag den Rücktritt von Hermann gefordert, er habe in der Öffentlichkeit die Unwahrheit gesagt. Wenig später aber stellte sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann hinter seinen Verkehrsminister.
"Der Minister Winfried Hermann ist ein ehrenwerter Mann, der nicht lügt. Und das völlig abwegig, der Vorwurf, dass er jetzt täuscht oder trickst oder gar lügt. Deswegen wird er auch nicht zurücktreten, weil das haltlose Vorwürfe sind."
Dennoch musste auch Hermann am Mittwoch im Landtag einräumen, dass er nicht immer sauber getrennt habe zwischen keinen Informationen und - seiner Meinung nach - zu wenig Informationen über den Stresstest. Der Politologe Professor Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim beobachtet und untersucht die Auseinandersetzung um Stuttgart 21 seit langem.
Er stellt fest, dass der Verkehrsminister und sein Engagement gegen Stuttgart 21 für das Gefüge der Landesregierung eine wichtige Rolle spielt. Ministerpräsident Kretschmann müsse den Spagat leisten, einerseits Recht und Gesetz zu wahren, andererseits die Stuttgart 21-Gegner, die die Grünen gewählt haben nicht zu verschrecken.
"Und da ist der Verkehrsminister Hermann quasi die Symbolfigur, die aufgrund ihrer Position, die sie bis jetzt hatte, von den Gegnern akzeptiert wird und die auch ein Stück weit ruhig stellen kann. Kretschmann auf der andere Seite kann sagen: Seht mal, ich habe alles versucht, ich habe hier einen hartgesottenen Gegner, trotzdem müsse wir jetzt das Baurecht akzeptieren."
Noch schwieriger wird die Situation, weil Kretschmann seinen Koalitionspartner, die Stuttgart 21-freundliche SPD nicht verärgern will, zumindest nicht allzu sehr. Die blieb bei den Auseinandersetzungen um Stuttgart 21 in den vergangenen Tagen bemerkenswert still. Auf die Frage, ob der Verkehrsminister eine Belastung für das Koalitionsklima sei, antwortete SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel jedenfalls:
"Dass der Verkehrsminister dieses Projekt nicht mag, ist bekannt. Wir haben halt als Koalitionspartner unterschiedliche Einstellungen und deshalb haben wir auch das Verfahren vereinbart, wie wir das Projekt behandeln. Und an dem Verfahren gibts nichts zu rütteln.
Solange SMA noch nicht vorliegt, interpretiert halt jeder wie er sich´s denkt und wünscht - aber das dauert ja nur noch ein paar Tage."
Mit anderen Worten. Die SPD beisst bis zur Veröffentlichung des Stresstests die Zähne zusammen. Was für Worte hinter den zusammengebissenen Zähnen warten, hat kürzlich der Ulmer Oberbürgermeister Ivo Göner, SPD, in einem Zeitungsinterview formuliert: Der Verkehrsminister, so Gönner, solle seine peinlich anmutende Versuche einstellen, das Projekt zu hintertreiben.
Im Koalitionsvertrag zwischen Grün und Rot ist jedenfalls vereinbart, dass sich der Koalitionsausschuss nach dem Stresstest am 14. Juli zusammensetzen wird und entscheiden, ob der Stresstest bestanden ist oder nicht.
Für Schmiedel ist klar, dass dann keine Zusatzwünsche, keine neuen Barrieren oder weitere Verbesserungen mehr zählen, sondern genau das, was in der Schlichtung, beziehungsweise in der Vereinbarung zwischen Landesregierung und Bahn über den zugrundeliegenden Fahrplan vereinbart wurde.
"Da werden wir die Ergebnisse besprechen und die Position der Landesregierung festlegen. Insofern brauchen wir über die Grundlagen gar nicht mehr streiten, sondern nur noch mal gucken, wurde das, was eingespeist wurde, erfüllt. Und wenn das der Fall ist, wird das Ergebnis akzeptiert."
Der Politologe Brettschneider jedenfalls stellt fest, dass die schärfer werdende öffentliche Auseinandersetzung um Stuttgart 21 auch de Konflikt innerhalb der Koalition verschärft:
"Die Anhänger der Grünen, die Gegner von S21, setzen ihren MP unter Druck und umgekehrt die Befürworter setzen auf die SPD. Und das was wir an Emotionalisierung beobachten können in den vergangenen Monaten, das führt dann auch in die Koalition rein. Das ist für die schon eine kleine Zerreißprobe, eine Bewährungsprobe, wie geht man mit diesem Konflikt jetzt um."
Tatsächlich hat sich die Stimmung zwischen Stuttgart 21 Gegnern und Bahn in den vergangenen Wochen deutlich verschlechtert. Dazu hat zunächst die Ankündigung von Bahnvorstand Volker Kefer vor genau drei Wochen beigetragen, die Bauarbeiten fortzusetzen:
"Es ist im Sinne des Projektes erforderlich, das tatsächlich irgendwann auch mal eine Entscheidung getroffen wird."
Die nächste Stufe war erreicht, als vor 1 1/2 Wochen Bahnhofsgegner einen Teil der Baustelle stürmten, mehrere Polizisten verletzten und einen erheblichen Sachschaden verursachten. Seitdem ist es zwar zu keinen weiteren Gewalttätigkeiten gekommen, aber wirklich friedfertig klangen die Worte des Schauspielers und Stuttgart 21-Veterans Walter Sittler auf der Demonstration am vergangenen Montag auch nicht:
"Wenn einer von uns die Geduld verliert und zuschlagen will, dann müssen wir ihn beruhigen. Und wenn jemand uns provozieren und zu Gewalt verleiten will, dann müssen wir dem widerstehen, ganz egal wie verführerisch es sein mag, auch mal zurückzuschlagen, endlich auch mal das zu tun, was uns ständig angetan wird."
Und dann hat das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 auch noch angekündigt, dass es bei der Vorstellung des Stresstests nicht teilnehmen will. Die Begründung: Sie waren bei der Durchführung des Tests nicht dabei und konnten deshalb keinen Einfluss auf die Grundlagen nehmen:
"All diese Definitionen hätte man gemeinsam von Anfang an erarbeiten müssen. Diese Arbeit wurde nicht gemacht. Das ist eine Hauptkritik am jetzigen Verfahren. Das hätte man definieren müssen. Das kann man nicht am Ende in einem Resumee der Schlichtung festzurren."
Damit allerdings geraten der Erfolg der Schlichtung und die Akzeptanz des Schlichterspruchs von Heiner Geißler bei den im Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 organisierten Gegnern immer weiter in Vergessenheit. Wenn Hannes Rockenbauch vom Schlichterspruch redet, so bezeichnet er ihn mittlerweile als
"im Endeffekt eine Privatmeinung von Heiner Geißler."
Und fast folgerichtig erklärt er auch schon jetzt, dass das Aktionsbündnis auch das Ergebnis einer Volksabstimmung nach derzeit gültigen Gesetzen nicht anerkennen werde:
"Wir sagen klar, dass eine Volksabstimmung, die nach Regeln und Quoren gemacht ist, die nur dazu dienen, die direkte Demokratie zu verhindern, und zu verunmöglichen, das die konkret Betroffenen, das heißt die Stuttgarterinnen und Stuttgarter darüber entscheiden, und dann auch noch zu Quoren, die es fast unmöglich machen, das Ding zu gewinnen. Das kann keine legitimierende Wirkung haben."
Politologe Brettschneider jedenfalls stellt fest, dass der Erfolg der Schlichtung, dass sich Gegner und Befürworter wenigstens auf eine gemeinsame Faktenbasis geeinigt haben, allmählich zerbröselt. Stattdessen radikalisierten sich die Gegner zunehmend:
"Wir haben eine Radikalisierung zunächst mal in der Haltung, gar nicht im Verhalten, wie man an dieses Thema rangeht. Und da ist tatsächlich eine gewisse Sturköpfigkeit und Rigorosität erkennbar bei einigen Gegnern. Die sagen: Egal was kommt, egal wie der Stresstest, wie die Volksabstimmung ausgeht, wir bleiben dagegen. Teilweise auch verbunden mit der Attitüde, egal was die demokratischen Entscheidungen sind."
So sei es auch zu erklären, dass hunderte Gegner am vorletzten Montag eindeutig illegal auf das Baustellengelände geströmt seien. Andererseits aber stellt Brettschneider fest, dass sich die Zahl der aktiven Gegner seit der Schlichtung erheblich verringert hat. Trotz der Behauptungen des Aktionsbündnisses, das nach wie vor davon ausgeht, dass es zehntausende gegen den Bahnhof mobilisieren kann.
"Ein wesentlicher Teil des Protestes wurde mitgetragen von der Absicht, die Landesregierung abzulösen. Diese Absicht ist jetzt nicht mehr da, hindert vielleicht auch den ein oder anderen, da noch auf die Straße zu gehen. Plus jetzt die Situation am letzten Montag, Radikalisierung, teilweise Gewaltbereitschaft. Was bestimmt auch den ein oder andere dazu bringt, die Frage zu stellen: Gehe ich da noch hin auf die Demonstration?"
Der Stresstest jedenfalls wird offiziell in zwei Wochen vorgestellt, aber man darf dennoch nicht vergessen, dass er nur ein Teil des Schlichterspruchs von Heiner Geißler war.
Die Gegner und der Verkehrsminister verweisen darauf, dass hier noch viele Fragen aus der Schlichtung offen sind.
"Und dazu zählt zum Beispiel die Barrierefreiheit in Notfällen, ein anderes Feuersicherungskonzept, breitere Bahnsteife, die gute Einbindung der Gäubahn - das ist eine Bahn in den Süden von Stuttgart. All das sind Forderungen, die bislang von der Bahn jedenfalls nicht für uns nachvollziehbar bearbeitet wurden."
Ein anderer, eigentlich wichtiger Punkt, von dem in der Schlichtung die Rede war, ist ebenfalls in Vergessenheit geraten: Die Einrichtung eines Dialogforums, das während des Baus unter Vorsitz eines Moderators Konfliktsituationen besprechen und entschärfen soll.
Als Moderator wurde bereits der Vorsitzende des Deutsche Zentrums für Luft- und Raumfahrt Johann Dietrich Wörner gewonnen, der beim Bau der neuen Startbahn des Frankfurter Flughafens erfolgreich ein solches Dialogforum geleitet hat.
Hier allerdings hat die neue Regierung bislang kein sonderliches Interesse an der Fortsetzung gezeigt und das Aktionsbündnis ist erst gar nicht gekommen, was wiederum Stuttgart-21-Sprecher Dietrich ausdrücklich bedauert.
"Ich weiß nicht, wie man damit weiter umgeht. Denn es gibt sehr wohl Themen, wo man sehr konstruktiv diskutieren kann. Zum Beispiel das Thema Bäume. Wie löst man das Problem am besten, so dass es dafür eine möglichst breite Zustimmung aus der Bevölkerung gibt?"
Nach dem Fahrplan der baden-württembergischen Landesregierung wird sich nach dem Stresstest - wie gesagt - der Koalitionsausschuss zusammen setzen und entscheiden, ob die Koalition ihn für bestanden hält oder ob die Bahn nacharbeiten muss.
Im Oktober soll dann die Volksabstimmung über Stuttgart 21 folgen, beziehungsweise über die Frage, ob das Land aus der Finanzierungsvereinbarung für den Tiefbahnhof aussteigt oder nicht. Dieser Zeitplan ist allerdings alles andere als sicher. Denn erstens gibt es Zweifel, ob das Gesetz zur Volksabstimmung, dass mit allen Einspruchsfristen und Beratungen durchs Parlament muss, rechtzeitig fertig ist.
Und die zweite Frage ist, ob die Opposition beschließt, gegen das Gesetz vor dem Staatsgerichtshof zu klagen. Wenn das so käme, könnte es mit der Volksabstimmung bis weit ins kommende Jahr dauern. Allerdings scheint schon heute ziemlich sicher, dass die Bahn nach Bestehen des Stresstests mit den Bauarbeiten an Stuttgart 21 massiv loslegen wird.
"Kopfbahnhof 21 ist machbar. Wir brauchen kein Stuttgart 21. Wir werden beim Stressest noch mal nachfassen und dann wird sich zeigen, ob er Bestand hat oder nicht. Oben bleiben. Gebrüll."
Ein Schlagwort ist in den vergangenen Wochen dennoch dazu gekommen: Der Stresstest. Die Überprüfung der Leistungsfähigkeit des tiefer gelegten Hauptbahnhofs, wie sie Schlichter Heiner Geißler sie im Einvernehmen mit Bahnhofsgegnern und Bahn in seinem Schlichterspruch am 30. November 2010 gefordert hatte.
"Die Deutsche Bahn AG verpflichtet sich einen Stresstest für den geplanten Bahnknoten Stuttgart 21 anhand einer Simulation durchzuführen."
Die erste Stufe des Stresstests besteht erstens aus einer Computersimulation der Bahn, der zeigen soll, wie ein Fahrplan in Stuttgart 21 aussehen könnte und wie er im Alltagsbetrieb funktioniert. Diese Simulation soll im zweiten Schritt von der Zürcher Gutachterfirma SMA geprüft und testiert werden.
Das Ergebnis soll heute in zwei Wochen wiederum von Heiner Geißler öffentlich vorgestellt werden und es sorgt in Stuttgart seit Tagen für Stress. Es gibt Indiskretionen bei der Bahn, die bereits vor Wochenfrist hat durchsickern lassen, das der Test bestanden sei.
Es gibt Zweifel an dem Gutachter, der Schweizer Firma SMA, die die Computersimulation der Bahn derzeit überprüft. Es gibt Meinungsverschiedenheiten darüber wie gut der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann von den Grünen über den aktuellen Sachstand informiert ist und es gibt ein heftiges Ringen um die Frage, was genau die Grundlage für den Test ist. Im November zum Abschluss des Schlichtungsverfahren hatte Heiner Geißler gefordert dass die Bahn ...
" ... den Nachweis führen, dass ein Fahrplan mit 30 Prozent Leistungszuwachs in der Spitzenstunde mit guter Betriebsqualität möglich ist."
Das Problem dabei ist allerdings, dass Geißler in zwei Punkten unpräzise blieb. Erstens bei der Frage, worauf sich dieses plus 30 Prozent bezieht. Bei der Frage der Auslastung war klar, dass zum Zeitpunkt der Schlichtung in der Spitzenzeit im Stuttgarter Hauptbahnhof 37 Züge verkehren, dass Stuttgart 21 folglich 49 Züge pro Stunde verkraften muss.
Dann schien klar dass die Bahn von einem Fahrplan ausgeht, der bei der Schlichtung basiert wurde und auf der gegenwärtigen Auslastung des Kopfbahnhofs basierte. Offenbar hat die Bahn jedoch diesen Fahrplan - in Abstimmung mit der damals noch schwarz-gelben Landesregierung, so verändert, dass er leichter zu betreiben ist.
Als die neue grün-rote Landesregierung ins Amt kam, machte der neue Verkehrsminister Winfried Hermann die Angelegenheit zur Chefsache, indem er fünf Kriterien festlegte, die der Fahrplan erfüllen soll. Es geht unter anderem um die Verteilung der Züge auf die Stundenuhr.
"Wir haben uns seitens der Landesregierung mit der Bahn verständigt, was die 5 Kriterien sind, die die Bahn erfüllen muss. Ob diese Kriterien tatsächlich erfüllt sind, dass muss jetzt von SMA geprüft werden."
Zweitens bleibt der Schlichterspruch bei der Aussage unklar, was denn gute Betriebsqualität ist. Hier geht es um die wichtige Frage, ob es bei einem Fahrplan möglich ist, Verspätungen wieder einzuholen, oder ob eine Verspätung immer neue Verspätungen nach sich zieht und einen Fahrplan so schließlich zum kollabieren bringt.
Bis zu diesem Punkt schien es immerhin möglich, dass Bahn, Landesregierung und Bahnhofsgegner am Ende des Stresstests mit Hilfe des Gutachters SMA auf ein Ergebnis des Tests einigen. Seit einigen Tagen allerdings stellen insbesondere die Stuttgart 21-Gegner noch weitere Anforderungen an den Test.
Man dürfe, so Hannes Rockenbauch der Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, nicht von dem Fahrplan ausgehen, der im heutigen Bahnhof fährt, sondern von dem, der möglich ist.
"Der Schlichterspruch sagt klar, 30 Prozent mehr wie der Kopfbahnhof. Die Grundlage kann aber nicht der aktuelle Fahrplan sein, sondern die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Kopfbahnhofs und die wurde nie untersucht."
Nach Auffassung der Bahnhofsgegner liegt die maximale Kapazität des heutigen Bahnhofs bei 60 Zügen in der Stunde, das heißt, der neue Bahnhof müsste 78 bewältigen, was ein K.O.-Kriterium wäre. Nachdem die Bahn also zunächst versucht hat, die Kriterien abzusenken, schrauben die Gegner sie nun künstlich in die Höhe.
Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann schließlich schlägt vor, in einem weiteren Stresstest wenigstens zu ermitteln, wo die Kapazitätsgrenzen des heutigen Bahnhofs sind, um dann Alt und Neu besser vergleichen zu können.
"Insofern muss man, wenn man die Leistungsfähigkeit der beiden Konzepte vergleichen will, eigentlich die Leistungsfähigkeit des Kopfbahnhofs mit der Leistungsfähigkeit des Tiefbahnhofs vergleichen will. Das ist bisher nicht geschehen und deshalb glauben wird, dass wir auch ein unabhängiges Gutachten zur Leistungsfähigkeit des Kopfbahnhofs brauchen."
Nachdem man sich mit viel Mühe auf die ersten Stresstest geeinigt hatte, nun die Forderung nach einem zweiten Stresstest! Das war jedenfalls eine von vielen Äußerungen des Verkehrsministers in den vergangenen Wochen, die heftige Kritik ausgelöst haben und die Rufe nach seinem Rücktritt immer lauter werden ließen.
Es begann mit unglücklichen Interviewäußerungen von Hermann zu Beginn seiner Amtszeit, als er erklärte, er wurde die Zuständigkeit für Stuttgart 21 abgeben, falls der Bahnhof gebaut wird.
Dann sagte er, dass er alles tun werde, um das Projekt zu verhindern.
Immer wieder ging er in der Folge die Bahn heftig an, unter anderem in einem Interview mit dem Deutschlandfunk, in dem er die vorzeitige Veröffentlichung von Ergebnissen des Stresstests durch die Bahn kritisierte:
"Ärgerlich ist, dass die Bahn uns, den Projektpartnern und auch dem Aktionsbündnis die Informationen verweigert hat. Wir haben die Materialen nicht, auf die sie angeblich zurückführt ihre Einschätzungen. Sie hat gesagt, sie braucht noch mindestens bis zum 11. Juli, bis sie das vorgelegt hat geprüft von SMA. Und jetzt wird in der Öffentlichkeit das Ergebnis in der Interpretation der Bahn gespielt. Das ist Foul gespielt."
Die Aussage in diesem Interviewabschnitt, dass das Ministerium die Materialien zum Stresstest nicht habe, steht jedoch im Widerspruch zur Aussage der Bahn, dass Hermann, beziehungsweise sein Ministerium kontinuierlich über den Stand des Verfahrens informiert wurde.
Stuttgart 21-Sprecher Wolfgang Dietrich:
"Wenn er bei dieser Aussage bleiben sollte, dann werden wir im Detail mit Uhrzeit und Datum auf den Tisch legen, was er wann bekommen hat. Dann kann sich jeder selber ein Bild machen, ob es Originalunterlagen waren oder Kopien. Ich kann es mir nicht vorstellen, dass er bei dieser Aussage so bleibt."
Wegen dieses Widerspruchs und der Diskussion über ein zurückgezogenes Interview des Ministers, in dem er nun doch Informationen über den Stresstest zu haben schien, hat die Opposition am Dienstag den Rücktritt von Hermann gefordert, er habe in der Öffentlichkeit die Unwahrheit gesagt. Wenig später aber stellte sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann hinter seinen Verkehrsminister.
"Der Minister Winfried Hermann ist ein ehrenwerter Mann, der nicht lügt. Und das völlig abwegig, der Vorwurf, dass er jetzt täuscht oder trickst oder gar lügt. Deswegen wird er auch nicht zurücktreten, weil das haltlose Vorwürfe sind."
Dennoch musste auch Hermann am Mittwoch im Landtag einräumen, dass er nicht immer sauber getrennt habe zwischen keinen Informationen und - seiner Meinung nach - zu wenig Informationen über den Stresstest. Der Politologe Professor Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim beobachtet und untersucht die Auseinandersetzung um Stuttgart 21 seit langem.
Er stellt fest, dass der Verkehrsminister und sein Engagement gegen Stuttgart 21 für das Gefüge der Landesregierung eine wichtige Rolle spielt. Ministerpräsident Kretschmann müsse den Spagat leisten, einerseits Recht und Gesetz zu wahren, andererseits die Stuttgart 21-Gegner, die die Grünen gewählt haben nicht zu verschrecken.
"Und da ist der Verkehrsminister Hermann quasi die Symbolfigur, die aufgrund ihrer Position, die sie bis jetzt hatte, von den Gegnern akzeptiert wird und die auch ein Stück weit ruhig stellen kann. Kretschmann auf der andere Seite kann sagen: Seht mal, ich habe alles versucht, ich habe hier einen hartgesottenen Gegner, trotzdem müsse wir jetzt das Baurecht akzeptieren."
Noch schwieriger wird die Situation, weil Kretschmann seinen Koalitionspartner, die Stuttgart 21-freundliche SPD nicht verärgern will, zumindest nicht allzu sehr. Die blieb bei den Auseinandersetzungen um Stuttgart 21 in den vergangenen Tagen bemerkenswert still. Auf die Frage, ob der Verkehrsminister eine Belastung für das Koalitionsklima sei, antwortete SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel jedenfalls:
"Dass der Verkehrsminister dieses Projekt nicht mag, ist bekannt. Wir haben halt als Koalitionspartner unterschiedliche Einstellungen und deshalb haben wir auch das Verfahren vereinbart, wie wir das Projekt behandeln. Und an dem Verfahren gibts nichts zu rütteln.
Solange SMA noch nicht vorliegt, interpretiert halt jeder wie er sich´s denkt und wünscht - aber das dauert ja nur noch ein paar Tage."
Mit anderen Worten. Die SPD beisst bis zur Veröffentlichung des Stresstests die Zähne zusammen. Was für Worte hinter den zusammengebissenen Zähnen warten, hat kürzlich der Ulmer Oberbürgermeister Ivo Göner, SPD, in einem Zeitungsinterview formuliert: Der Verkehrsminister, so Gönner, solle seine peinlich anmutende Versuche einstellen, das Projekt zu hintertreiben.
Im Koalitionsvertrag zwischen Grün und Rot ist jedenfalls vereinbart, dass sich der Koalitionsausschuss nach dem Stresstest am 14. Juli zusammensetzen wird und entscheiden, ob der Stresstest bestanden ist oder nicht.
Für Schmiedel ist klar, dass dann keine Zusatzwünsche, keine neuen Barrieren oder weitere Verbesserungen mehr zählen, sondern genau das, was in der Schlichtung, beziehungsweise in der Vereinbarung zwischen Landesregierung und Bahn über den zugrundeliegenden Fahrplan vereinbart wurde.
"Da werden wir die Ergebnisse besprechen und die Position der Landesregierung festlegen. Insofern brauchen wir über die Grundlagen gar nicht mehr streiten, sondern nur noch mal gucken, wurde das, was eingespeist wurde, erfüllt. Und wenn das der Fall ist, wird das Ergebnis akzeptiert."
Der Politologe Brettschneider jedenfalls stellt fest, dass die schärfer werdende öffentliche Auseinandersetzung um Stuttgart 21 auch de Konflikt innerhalb der Koalition verschärft:
"Die Anhänger der Grünen, die Gegner von S21, setzen ihren MP unter Druck und umgekehrt die Befürworter setzen auf die SPD. Und das was wir an Emotionalisierung beobachten können in den vergangenen Monaten, das führt dann auch in die Koalition rein. Das ist für die schon eine kleine Zerreißprobe, eine Bewährungsprobe, wie geht man mit diesem Konflikt jetzt um."
Tatsächlich hat sich die Stimmung zwischen Stuttgart 21 Gegnern und Bahn in den vergangenen Wochen deutlich verschlechtert. Dazu hat zunächst die Ankündigung von Bahnvorstand Volker Kefer vor genau drei Wochen beigetragen, die Bauarbeiten fortzusetzen:
"Es ist im Sinne des Projektes erforderlich, das tatsächlich irgendwann auch mal eine Entscheidung getroffen wird."
Die nächste Stufe war erreicht, als vor 1 1/2 Wochen Bahnhofsgegner einen Teil der Baustelle stürmten, mehrere Polizisten verletzten und einen erheblichen Sachschaden verursachten. Seitdem ist es zwar zu keinen weiteren Gewalttätigkeiten gekommen, aber wirklich friedfertig klangen die Worte des Schauspielers und Stuttgart 21-Veterans Walter Sittler auf der Demonstration am vergangenen Montag auch nicht:
"Wenn einer von uns die Geduld verliert und zuschlagen will, dann müssen wir ihn beruhigen. Und wenn jemand uns provozieren und zu Gewalt verleiten will, dann müssen wir dem widerstehen, ganz egal wie verführerisch es sein mag, auch mal zurückzuschlagen, endlich auch mal das zu tun, was uns ständig angetan wird."
Und dann hat das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 auch noch angekündigt, dass es bei der Vorstellung des Stresstests nicht teilnehmen will. Die Begründung: Sie waren bei der Durchführung des Tests nicht dabei und konnten deshalb keinen Einfluss auf die Grundlagen nehmen:
"All diese Definitionen hätte man gemeinsam von Anfang an erarbeiten müssen. Diese Arbeit wurde nicht gemacht. Das ist eine Hauptkritik am jetzigen Verfahren. Das hätte man definieren müssen. Das kann man nicht am Ende in einem Resumee der Schlichtung festzurren."
Damit allerdings geraten der Erfolg der Schlichtung und die Akzeptanz des Schlichterspruchs von Heiner Geißler bei den im Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 organisierten Gegnern immer weiter in Vergessenheit. Wenn Hannes Rockenbauch vom Schlichterspruch redet, so bezeichnet er ihn mittlerweile als
"im Endeffekt eine Privatmeinung von Heiner Geißler."
Und fast folgerichtig erklärt er auch schon jetzt, dass das Aktionsbündnis auch das Ergebnis einer Volksabstimmung nach derzeit gültigen Gesetzen nicht anerkennen werde:
"Wir sagen klar, dass eine Volksabstimmung, die nach Regeln und Quoren gemacht ist, die nur dazu dienen, die direkte Demokratie zu verhindern, und zu verunmöglichen, das die konkret Betroffenen, das heißt die Stuttgarterinnen und Stuttgarter darüber entscheiden, und dann auch noch zu Quoren, die es fast unmöglich machen, das Ding zu gewinnen. Das kann keine legitimierende Wirkung haben."
Politologe Brettschneider jedenfalls stellt fest, dass der Erfolg der Schlichtung, dass sich Gegner und Befürworter wenigstens auf eine gemeinsame Faktenbasis geeinigt haben, allmählich zerbröselt. Stattdessen radikalisierten sich die Gegner zunehmend:
"Wir haben eine Radikalisierung zunächst mal in der Haltung, gar nicht im Verhalten, wie man an dieses Thema rangeht. Und da ist tatsächlich eine gewisse Sturköpfigkeit und Rigorosität erkennbar bei einigen Gegnern. Die sagen: Egal was kommt, egal wie der Stresstest, wie die Volksabstimmung ausgeht, wir bleiben dagegen. Teilweise auch verbunden mit der Attitüde, egal was die demokratischen Entscheidungen sind."
So sei es auch zu erklären, dass hunderte Gegner am vorletzten Montag eindeutig illegal auf das Baustellengelände geströmt seien. Andererseits aber stellt Brettschneider fest, dass sich die Zahl der aktiven Gegner seit der Schlichtung erheblich verringert hat. Trotz der Behauptungen des Aktionsbündnisses, das nach wie vor davon ausgeht, dass es zehntausende gegen den Bahnhof mobilisieren kann.
"Ein wesentlicher Teil des Protestes wurde mitgetragen von der Absicht, die Landesregierung abzulösen. Diese Absicht ist jetzt nicht mehr da, hindert vielleicht auch den ein oder anderen, da noch auf die Straße zu gehen. Plus jetzt die Situation am letzten Montag, Radikalisierung, teilweise Gewaltbereitschaft. Was bestimmt auch den ein oder andere dazu bringt, die Frage zu stellen: Gehe ich da noch hin auf die Demonstration?"
Der Stresstest jedenfalls wird offiziell in zwei Wochen vorgestellt, aber man darf dennoch nicht vergessen, dass er nur ein Teil des Schlichterspruchs von Heiner Geißler war.
Die Gegner und der Verkehrsminister verweisen darauf, dass hier noch viele Fragen aus der Schlichtung offen sind.
"Und dazu zählt zum Beispiel die Barrierefreiheit in Notfällen, ein anderes Feuersicherungskonzept, breitere Bahnsteife, die gute Einbindung der Gäubahn - das ist eine Bahn in den Süden von Stuttgart. All das sind Forderungen, die bislang von der Bahn jedenfalls nicht für uns nachvollziehbar bearbeitet wurden."
Ein anderer, eigentlich wichtiger Punkt, von dem in der Schlichtung die Rede war, ist ebenfalls in Vergessenheit geraten: Die Einrichtung eines Dialogforums, das während des Baus unter Vorsitz eines Moderators Konfliktsituationen besprechen und entschärfen soll.
Als Moderator wurde bereits der Vorsitzende des Deutsche Zentrums für Luft- und Raumfahrt Johann Dietrich Wörner gewonnen, der beim Bau der neuen Startbahn des Frankfurter Flughafens erfolgreich ein solches Dialogforum geleitet hat.
Hier allerdings hat die neue Regierung bislang kein sonderliches Interesse an der Fortsetzung gezeigt und das Aktionsbündnis ist erst gar nicht gekommen, was wiederum Stuttgart-21-Sprecher Dietrich ausdrücklich bedauert.
"Ich weiß nicht, wie man damit weiter umgeht. Denn es gibt sehr wohl Themen, wo man sehr konstruktiv diskutieren kann. Zum Beispiel das Thema Bäume. Wie löst man das Problem am besten, so dass es dafür eine möglichst breite Zustimmung aus der Bevölkerung gibt?"
Nach dem Fahrplan der baden-württembergischen Landesregierung wird sich nach dem Stresstest - wie gesagt - der Koalitionsausschuss zusammen setzen und entscheiden, ob die Koalition ihn für bestanden hält oder ob die Bahn nacharbeiten muss.
Im Oktober soll dann die Volksabstimmung über Stuttgart 21 folgen, beziehungsweise über die Frage, ob das Land aus der Finanzierungsvereinbarung für den Tiefbahnhof aussteigt oder nicht. Dieser Zeitplan ist allerdings alles andere als sicher. Denn erstens gibt es Zweifel, ob das Gesetz zur Volksabstimmung, dass mit allen Einspruchsfristen und Beratungen durchs Parlament muss, rechtzeitig fertig ist.
Und die zweite Frage ist, ob die Opposition beschließt, gegen das Gesetz vor dem Staatsgerichtshof zu klagen. Wenn das so käme, könnte es mit der Volksabstimmung bis weit ins kommende Jahr dauern. Allerdings scheint schon heute ziemlich sicher, dass die Bahn nach Bestehen des Stresstests mit den Bauarbeiten an Stuttgart 21 massiv loslegen wird.