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Stressmanagement am Arbeitsplatz

Ärger mit Kollegen, Druck vom Chef oder zu hohe Anforderungen: Die Deutschen klagen immer häufiger über Stress am Arbeitsplatz. Viele macht der Stress im Job sogar krank. Immer mehr Firmen investieren deshalb in Programme und Maßnahmen zum Stressabbau.

Von Solveig Bader |
    "Stressig ist zum Beispiel für mich, wenn ich falsche Arbeitszeiten hab, wenn ich das mit der Familiensituation zu Hause nicht geregelt kriege und hier jetzt weg muss und mein Kind irgendwo vor der Tür steht, dann bricht mir der Schweiß aus."

    Andrea Paas arbeitet als Chefsekretärin beim Essener Energiekonzern RWE - typische Stresssymptome einer Mutter, die Beruf und Kinder tagtäglich unter einen Hut kriegen muss.

    Ihr Kollege, der Geschäftsführer Ralf Novack, hat ganz andere Sorgen:

    "Für mich ist Stress, wenn zu viele Themen auf einmal kommen, die ich keiner Lösung zuführen kann. Also wenn ich das Gefühl habe, jetzt stürzt alles Mögliche auf mich ein und ich hab dann das Gefühl, ich kanns nicht mehr ordentlich delegieren."

    Stress ist nicht gleich Stress. Jeder Mensch hat seinen eigenen Stress im Job. Manche brauchen in auch, um besonders gute Leistungen zu bringen, andere macht er krank. Wichtig ist, herauszufinden, wann sich Stress ungünstig auswirkt und wie man mit ihm umgeht, sagt die Diplom-Psychologin Sarah Schuster vom Team Gesundheit in Essen. Zum Beispiel:

    "Kann ich was am Zeitmanagement verändern, kann ich Prioritäten anders verteilen, Unterstützung einfordern als Beispiel, wie kann ich meine Gedanken verändern, das heißt mein festes, starres Gedankenmuster aufbrechen und neue Wege gehen. Aber was kann ich auch im regenerativen Bereich machen, und wirklich abschalten, runterzufahren wie eben die Massage, spazieren gehen, baden, saunieren, sich am Wochenende etwas Gutes tun."

    Sarah Schuster führt regelmäßig Stresskampagnen in Unternehmen durch. In Gruppenseminaren oder Einzelgesprächen erarbeitet sie mit Mitarbeitern Strategien zur Stressbewältigung. Auch wenn sich Stress bei jedem anders äußert, die Belastungsgrenzen ganz unterschiedlich sind – eins scheint ein übergreifendes Problem zu sein, das für Stress am Arbeitsplatz sorgt.

    "In allen Unternehmen kommt immer wieder das Thema Kommunikation auf. Je weniger die Leute miteinander reden und das wird natürlich gestärkt dadurch, dass viel übers Telefon läuft oder nur noch über den E-Mail-Verkehr, das heißt, das ganze Zwischenmenschliche bleibt auf der Strecke. Die Menschen sehen sich nicht mehr, Gestik, Mimik, die ganze Körpersprache bleibt außen vor, das ist ein wichtiger Faktor, der in der heutigen Zeit durch die Veränderung der Kommunikationswege vernachlässigt wird."

    Die Medien, über die wir kommunizieren, werden immer globaler, flexibler und vielfältiger. Wir haben Smartphones und Laptops, sind rund um die Uhr erreichbar und können fast überall E-Mails und Nachrichten empfangen. Das hat zwar große Vorteile im Arbeitsalltag, schafft aber auch Probleme bei seinen Patienten, sagt Christian Feldhaus, Arbeitsmediziner beim Konzern RWE. Viele können sich der Dauererreichbarkeit nicht entziehen.

    "Der eine fühlt sich unentbehrlich, und nicht in der Lage, nach 18, 19 oder 20 Uhr sein Smartphone abzustellen und nicht mehr auf seine E-Mails zu gucken, andere tragen natürlich dieses Smartphone, die Wichtigkeit und das Thema Burn-out wie ein Geweih vor sich her und sagen, ich bin halt so furchtbar wichtig, also muss ich auch ständig verfügbar sein."

    Und das muss man eben nicht, sagt Diplom-Psychologin Sarah Schuster. Jedes Unternehmen sollte Regeln einführen, wie mit dem Thema Erreichbarkeit umgegangen wird.

    "Man kann Zeitgrenzen setzen, dass sich der E-Mail-Server selbst abschaltet oder ein klares Gebot besteht, dass beispielsweise ab 18 Uhr das Handy auszustellen. Das muss das Unternehmen für sich entscheiden aufgrund dessen, dass es zu der Kultur auch passen muss und es muss jeder auch für sich entscheiden. Das Wichtige finde ich, ist, dass im Unternehmen ganz klar darüber gesprochen wird, was tut mir gut und was tut mir nicht gut."

    Der Energiekonzern hat nicht nur ein eigenes Fitnessstudio, in dem sich die Mitarbeiter körperlich fit halten können, sondern auch ein Programm zum Stressabbau aufgelegt, das direkt am Schreibtisch durchgeführt werden kann – zum Beispiel Atem- und Muskelübungen. Aber auch Konzepte für einen besseren Stil der Führungskräfte und die Arbeitsorganisation wurden entwickelt.

    Das Wichtigste aber scheint zu sein, dass die Kollegen miteinander reden, meint die Sekretärin Andrea Paas.

    "Unser Chef ist immer ansprechbar und an einer Lösung bereit, wenn man irgendwelche Probleme hat. Ich denke, man muss auch mit offenen Karten spielen und sagen: Ich hab jetzt zu viel zu tun oder ich hab zu wenig zu tun oder mit Kollegen kommt man nicht klar, dann haben wir regelmäßig Mitarbeiterbefragungen, wo man so was auch äußern kann."