Sandra Schulz: Die Zahl der Streitpunkte sei klein, hat Finanzminister Wolfgang Schäuble am Vormittag noch gesagt. Auch bei der Frage nach einer besseren Finanzmarktregulierung, nach einer besseren Finanzmarktaufsicht, die sich seit Ausbruch der Krise ja nach wie vor dringlich stellt, gehört es zum Geschäft des Finanzministers, Zuversicht zu signalisieren. Bei den Beratungen der europäischen Ressortchefs in Brüssel zeichnet sich jetzt aber schon ab: Auf schnelle Lösungen sollten wir besser nicht hoffen. In den kommenden Minuten wollen wir beim Thema bleiben. Telefonisch zugeschaltet ist uns jetzt Bert van Roosebeke, Finanzfachmann am Centrum für europäische Politik in Freiburg. Guten Tag!
Bert van Roosebeke: Hallo! Ich grüße Sie.
Schulz: Es zeichnet sich ab, dass es wohl keine schnelle Lösung geben wird für die Finanzmarktaufsicht. Heißt das, es geht einstweilen alles so weiter wie bisher?
van Roosebeke: Ja. Ich meine, das Ziel der Partner in Europa ist nach wie vor, sich im September im Europäischen Parlament in erster Lesung zu einigen. Das würde dann heißen, dass die neuen Behörden nach wie vor oder wie geplant Anfang 2011 arbeiten können. Aber ob das gelingen wird, das ist offen. Das kann zurzeit eigentlich niemand sagen.
Schulz: Ist der Zeitpunkt denn überhaupt so wichtig, denn es herrscht ja auch bisher eigentlich kein Mangel an Institutionen der Finanzmarktaufsicht, sondern eher an der Aufsicht als solcher?
van Roosebeke: Das ist richtig. Ich glaube, dass das Parlament vor allem und die Kommission natürlich auch die Gunst der Stunde nutzen wollen. Sie wissen natürlich auch, wenn man eine solche Änderung der Finanzaufsicht herbeiführen will, dass man das schon schnell machen muss, weil irgendwann ist die politische Unterstützung nicht mehr da, und dessen muss man sich schon, glaube ich, bewusst sein, dass das, was man plant, vor allem politisch eine sehr große Änderung ist. Ich glaube, das erklärt auch ein bisschen die großen Bedenken, die im Rat herrschen. Stellen Sie sich vor, eine große Krise kommt noch mal und eine Bank in einem bestimmten Mitgliedsstaat gerät in Probleme; dann würde eben diese europäische Bankaufsichtsagentur kommen und sagen, okay, diese Bank muss jetzt gerettet werden, das kostet so viele Milliarden Steuergeld in diesem bestimmten Mitgliedsstaat. Sich das sagen zu lassen von einer europäischen Behörde, das fällt Mitgliedsstaaten verständlicherweise vielleicht sogar ganz, ganz schwer.
Schulz: Die Kompetenzen, so wie sie jetzt geplant sind, die sollen ja, das haben Sie auch gerade schon angedeutet, recht weit gehen. Rechnen Sie denn damit, dass in dem Punkt Theorie und Praxis annäherungsweise überhaupt jemals in Übereinstimmung zu bringen sein werden?
van Roosebeke: Ich kann es mir zurzeit schwer vorstellen. Andererseits: es sind natürlich auch Probleme, mit denen auch die Politiker konfrontiert sind, die vielleicht dazu führen, dass Entscheidungen getroffen werden, die in der Theorie nicht getroffen würden. Also ich will nicht ausschließen, dass der Ministerrat sich am Ende dann doch überreden lässt, wenn man so will, und bestimmte Durchgriffsrecht, sei es dann in Krisenfällen, gestatten wird. Aber ich glaube schon, dass da viele, viele Konditionen angefügt werden, dass man wirklich sagen wird, nur dann und dann und dann wird man zugreifen können auf den nationalen Haushalt.
Schulz: Jetzt haben wir es ja schon mehrfach erlebt, dass es Vorschriften gibt, die verabredet worden sind, aber die man dann doch einfach nicht eingehalten hat. Jüngstes Beispiel die "No bail out"-Klausel im Lissaboner Vertrag. Ist die Finanzpolitik einfach zu politisch?
van Roosebeke: Jein. Ich glaube, man muss unterscheiden zwischen der Euro-Krise, also der "Bail out"-Frage, die Sie ansprechen, und der Finanzaufsicht über einzelne Banken. Ich glaube, in Fragen der Euro-Krise gibt es zwei Debatten. Es gibt eine juristische Debatte, wo Institute, auch wir gesagt haben, unter der reinen juristischen Lehre kann man es so nicht machen. Und es gibt einen faktischen Zwang. Diese zwei Ebenen streiten sich intensiv. Bei der Finanzaufsicht über Banken ist es, glaube ich, öfter einfach eine juristische Debatte, wo man sagt, okay, jetzt müssen wir schöne, klare Regeln herstellen, sei es auf nationaler Ebene oder auf europäischer Ebene, und zu den Regeln müssen wir stehen, und das ist, glaube ich, schon machbar in diesem Bereich. Problematisch wird es nur dann, wenn es wirklich eine sehr große Krise gibt und ein Institut, das für einen Staat sehr wichtig ist, wie zum Beispiel die Deutsche Bank in Deutschland, wenn diese Bank in Probleme gerät, dann gerät man eben in Fragen wie, okay, jetzt muss der deutsche Haushalt massiv intervenieren. Diese Fragen sind derzeit sehr schwer politisch zu lösen in Europa.
Schulz: Jetzt gehen die Einschätzungen ja auch ganz weit auseinander, wie schwer die Krise eigentlich ist oder war, ob sie schon vorbei ist. In eineinhalb Wochen sollen die Ergebnisse dieses sogenannten Stresstests der Banken veröffentlicht werden. Können Sie uns das noch mal genau erklären, auf welche Stressfaktoren da geschaut wird?
van Roosebeke: Ich würde es Ihnen gerne erklären, aber das Problem bei dem Stresstest in Europa ist, dass dort nicht ausreichend Transparenz herrscht. Man sagt ja, man will mit dem Stresstest gerade eben diese Transparenz herbeiführen, um ein klares Bild der Lage zu bekommen, aber genau das tut man derzeit auf jeden Fall nicht. Das was wir derzeit wissen, ist, dass der Test Makroschocks berücksichtigen soll. Man wird davon ausgehen, dass das BIP um drei Prozent schlechter ausfällt, als die Kommission in seiner Wachstumsprognose im Mai vorhergesagt hat.
Schulz: Was sind Makroschocks?
van Roosebeke: Das würde in dem Fall heißen, dass wir für das Jahr 2010 von einem BIP-Rückgang um zwei Prozent ausgehen würden. Wir erwarten eigentlich zurzeit 1ein Prozent Wachstum und der Schock würde so aussehen, dass wir jetzt mal von zwei Prozent Rückgang ausgehen und für 2011 von 1,3 Prozent. Die Arbeitslosenquote: Es würde sich ein Anstieg bei der Arbeitslosenquote abzeichnen. Wie hoch dieser Anstieg sein soll, wie das Modell aussieht, das wissen wir nicht, das wird uns nicht gesagt. Gleiches gilt für die Inflation. Wir gehen von einer Deflation oder Inflation aus, aber wie das Szenario genau aussieht, das wird uns derzeit einfach nicht gesagt.
Schulz: Was ist denn Ihre Prognose? Wenn das am 23. Juli veröffentlicht wird, werden sich die Ereignisse dann eher wieder dramatisieren?
van Roosebeke: Entscheidend ist eigentlich, wie richtig der Markt oder die Marktteilnehmer die Ergebnisse einschätzen, und einschätzen kann man etwas nur, wenn man die Kriterien kennt. Ich würde eigentlich hoffen, dass die Europäische Union und der Ausschuss, der den Test ausführt, die Kriterien jetzt rasch offenlegen und detailliert offenlegen, sodass die Marktteilnehmer sich vorab schon überlegen können, was wird hier jetzt eigentlich getestet, wie schwer oder wie locker ist jetzt eigentlich dieser Test. Erst wenn man das wirklich weiß, kann man am 23. Juli eine rasche Einschätzung machen. Wenn nicht, dann läuft man eigentlich Gefahr, dass die Leute, dass die Marktteilnehmer die Ergebnisse komplett falsch einschätzen und dass große Verwerfungen am Markt, Verunsicherung eintritt, obwohl es vielleicht nicht nötig ist, oder der Markt beruhigt sich vielleicht und sollte sich eigentlich sehr beunruhigen. Solange nicht klar ist, was genau getestet wird, ist ein Stresstest eigentlich völlig überflüssig.
Schulz: Also eine Ausgangslage, an die wir uns in den vergangenen Monaten schon gewöhnt haben. – Bert van Roosebeke war das, Finanzmarktfachmann am Centrum für europäische Politik, heute in den "Informationen am Mittag". Herzlichen Dank!
van Roosebeke: Bitte schön!
Bert van Roosebeke: Hallo! Ich grüße Sie.
Schulz: Es zeichnet sich ab, dass es wohl keine schnelle Lösung geben wird für die Finanzmarktaufsicht. Heißt das, es geht einstweilen alles so weiter wie bisher?
van Roosebeke: Ja. Ich meine, das Ziel der Partner in Europa ist nach wie vor, sich im September im Europäischen Parlament in erster Lesung zu einigen. Das würde dann heißen, dass die neuen Behörden nach wie vor oder wie geplant Anfang 2011 arbeiten können. Aber ob das gelingen wird, das ist offen. Das kann zurzeit eigentlich niemand sagen.
Schulz: Ist der Zeitpunkt denn überhaupt so wichtig, denn es herrscht ja auch bisher eigentlich kein Mangel an Institutionen der Finanzmarktaufsicht, sondern eher an der Aufsicht als solcher?
van Roosebeke: Das ist richtig. Ich glaube, dass das Parlament vor allem und die Kommission natürlich auch die Gunst der Stunde nutzen wollen. Sie wissen natürlich auch, wenn man eine solche Änderung der Finanzaufsicht herbeiführen will, dass man das schon schnell machen muss, weil irgendwann ist die politische Unterstützung nicht mehr da, und dessen muss man sich schon, glaube ich, bewusst sein, dass das, was man plant, vor allem politisch eine sehr große Änderung ist. Ich glaube, das erklärt auch ein bisschen die großen Bedenken, die im Rat herrschen. Stellen Sie sich vor, eine große Krise kommt noch mal und eine Bank in einem bestimmten Mitgliedsstaat gerät in Probleme; dann würde eben diese europäische Bankaufsichtsagentur kommen und sagen, okay, diese Bank muss jetzt gerettet werden, das kostet so viele Milliarden Steuergeld in diesem bestimmten Mitgliedsstaat. Sich das sagen zu lassen von einer europäischen Behörde, das fällt Mitgliedsstaaten verständlicherweise vielleicht sogar ganz, ganz schwer.
Schulz: Die Kompetenzen, so wie sie jetzt geplant sind, die sollen ja, das haben Sie auch gerade schon angedeutet, recht weit gehen. Rechnen Sie denn damit, dass in dem Punkt Theorie und Praxis annäherungsweise überhaupt jemals in Übereinstimmung zu bringen sein werden?
van Roosebeke: Ich kann es mir zurzeit schwer vorstellen. Andererseits: es sind natürlich auch Probleme, mit denen auch die Politiker konfrontiert sind, die vielleicht dazu führen, dass Entscheidungen getroffen werden, die in der Theorie nicht getroffen würden. Also ich will nicht ausschließen, dass der Ministerrat sich am Ende dann doch überreden lässt, wenn man so will, und bestimmte Durchgriffsrecht, sei es dann in Krisenfällen, gestatten wird. Aber ich glaube schon, dass da viele, viele Konditionen angefügt werden, dass man wirklich sagen wird, nur dann und dann und dann wird man zugreifen können auf den nationalen Haushalt.
Schulz: Jetzt haben wir es ja schon mehrfach erlebt, dass es Vorschriften gibt, die verabredet worden sind, aber die man dann doch einfach nicht eingehalten hat. Jüngstes Beispiel die "No bail out"-Klausel im Lissaboner Vertrag. Ist die Finanzpolitik einfach zu politisch?
van Roosebeke: Jein. Ich glaube, man muss unterscheiden zwischen der Euro-Krise, also der "Bail out"-Frage, die Sie ansprechen, und der Finanzaufsicht über einzelne Banken. Ich glaube, in Fragen der Euro-Krise gibt es zwei Debatten. Es gibt eine juristische Debatte, wo Institute, auch wir gesagt haben, unter der reinen juristischen Lehre kann man es so nicht machen. Und es gibt einen faktischen Zwang. Diese zwei Ebenen streiten sich intensiv. Bei der Finanzaufsicht über Banken ist es, glaube ich, öfter einfach eine juristische Debatte, wo man sagt, okay, jetzt müssen wir schöne, klare Regeln herstellen, sei es auf nationaler Ebene oder auf europäischer Ebene, und zu den Regeln müssen wir stehen, und das ist, glaube ich, schon machbar in diesem Bereich. Problematisch wird es nur dann, wenn es wirklich eine sehr große Krise gibt und ein Institut, das für einen Staat sehr wichtig ist, wie zum Beispiel die Deutsche Bank in Deutschland, wenn diese Bank in Probleme gerät, dann gerät man eben in Fragen wie, okay, jetzt muss der deutsche Haushalt massiv intervenieren. Diese Fragen sind derzeit sehr schwer politisch zu lösen in Europa.
Schulz: Jetzt gehen die Einschätzungen ja auch ganz weit auseinander, wie schwer die Krise eigentlich ist oder war, ob sie schon vorbei ist. In eineinhalb Wochen sollen die Ergebnisse dieses sogenannten Stresstests der Banken veröffentlicht werden. Können Sie uns das noch mal genau erklären, auf welche Stressfaktoren da geschaut wird?
van Roosebeke: Ich würde es Ihnen gerne erklären, aber das Problem bei dem Stresstest in Europa ist, dass dort nicht ausreichend Transparenz herrscht. Man sagt ja, man will mit dem Stresstest gerade eben diese Transparenz herbeiführen, um ein klares Bild der Lage zu bekommen, aber genau das tut man derzeit auf jeden Fall nicht. Das was wir derzeit wissen, ist, dass der Test Makroschocks berücksichtigen soll. Man wird davon ausgehen, dass das BIP um drei Prozent schlechter ausfällt, als die Kommission in seiner Wachstumsprognose im Mai vorhergesagt hat.
Schulz: Was sind Makroschocks?
van Roosebeke: Das würde in dem Fall heißen, dass wir für das Jahr 2010 von einem BIP-Rückgang um zwei Prozent ausgehen würden. Wir erwarten eigentlich zurzeit 1ein Prozent Wachstum und der Schock würde so aussehen, dass wir jetzt mal von zwei Prozent Rückgang ausgehen und für 2011 von 1,3 Prozent. Die Arbeitslosenquote: Es würde sich ein Anstieg bei der Arbeitslosenquote abzeichnen. Wie hoch dieser Anstieg sein soll, wie das Modell aussieht, das wissen wir nicht, das wird uns nicht gesagt. Gleiches gilt für die Inflation. Wir gehen von einer Deflation oder Inflation aus, aber wie das Szenario genau aussieht, das wird uns derzeit einfach nicht gesagt.
Schulz: Was ist denn Ihre Prognose? Wenn das am 23. Juli veröffentlicht wird, werden sich die Ereignisse dann eher wieder dramatisieren?
van Roosebeke: Entscheidend ist eigentlich, wie richtig der Markt oder die Marktteilnehmer die Ergebnisse einschätzen, und einschätzen kann man etwas nur, wenn man die Kriterien kennt. Ich würde eigentlich hoffen, dass die Europäische Union und der Ausschuss, der den Test ausführt, die Kriterien jetzt rasch offenlegen und detailliert offenlegen, sodass die Marktteilnehmer sich vorab schon überlegen können, was wird hier jetzt eigentlich getestet, wie schwer oder wie locker ist jetzt eigentlich dieser Test. Erst wenn man das wirklich weiß, kann man am 23. Juli eine rasche Einschätzung machen. Wenn nicht, dann läuft man eigentlich Gefahr, dass die Leute, dass die Marktteilnehmer die Ergebnisse komplett falsch einschätzen und dass große Verwerfungen am Markt, Verunsicherung eintritt, obwohl es vielleicht nicht nötig ist, oder der Markt beruhigt sich vielleicht und sollte sich eigentlich sehr beunruhigen. Solange nicht klar ist, was genau getestet wird, ist ein Stresstest eigentlich völlig überflüssig.
Schulz: Also eine Ausgangslage, an die wir uns in den vergangenen Monaten schon gewöhnt haben. – Bert van Roosebeke war das, Finanzmarktfachmann am Centrum für europäische Politik, heute in den "Informationen am Mittag". Herzlichen Dank!
van Roosebeke: Bitte schön!