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Strindberg-Stück "Der Vater"
Showdown der Geschlechter

Nach drei Jahren als Hausregisseur der Münchner Kammerspiele geht Nicolas Stemann als Intendant ans Züricher Schauspielhaus. Zum Abschied inszenierte er mit Strindbergs "Der Vater" ein explizit antifeministisches Stück - und das ganz bewusst in Zeiten von "Me too" und männlicher Verunsicherung.

Von Sven Ricklefs |
    Die Schauspiler Julia Riedler und Daniel Lommatzsch sitzen auf einem Sofa auf einer grünen Bühne.
    Nicolas Stemann inszeniert Strindbergs "Der Vater" an den Münchner Kammerspielen (Münchner Kammerspiele / Thomas Aurin)
    Mann: "Ja, Papa, ich möchte gerne Lehrerin werden."
    Frau: "Mama, ich möchte Künstlerin werden."
    Mann: "Ich möchte so gerne, also ich möchte gar nicht Künstlerin werden. Ich möchte Lehrerin werden; ich möchte etwas Vernünftiges machen."
    Frau: "Mama, Mama, ich möchte bei dir bleiben und Künstlerin werden."
    Was für ein krudes Stück! Ein Rosenkrieg um das Recht, die Zukunft der Tochter bestimmen zu dürfen. Ein Geschlechterkampf, den der Mann als erbärmlich geschlagene Kreatur in der Zwangsjacke verlässt. Ein antifeministischer Reflex, den der im Laufe seines Lebens zum Frauenfeind mutierte August Strindberg vor 140 Jahren als Reaktion auf Hendrik Ibsens "Nora" und ihre Befreiung aus ihrem Puppenheim schrieb. Ebenso schwere wie auch verminte Kost also, die sich da Nicolas Stemann sehr bewusst für seinen Abschied von den Münchner Kammerspielen ausgesucht hat. Doch Stemann wäre nicht Stemann, würde er es nicht schaffen, über einen eigenwilligen theatralen Zugriff eine explizite Haltung zu dieser Kost zu formulieren und zugleich das Gegenwärtige am alten Stoff herauszuarbeiten und zur Diskussion zu stellen.
    Die Bühne ist eine giftgrüne Spiellandschaft, bestückt mit einigem Polstermobiliar und vielen ebenso giftgrünen, gebeugten Lampen, die sich wahlweise bis auf Straßenlaternenniveau langziehen lassen. Strindbergs bürgerliches Personal, das eigentlich neben der Kernfamilie etwa noch Pastor, Knecht, Amme oder Arzt ins Rennen schickt, hat Regisseur Nicolas Stemann auf fünf Spieler reduziert. Sie skizzieren in Paarungen oder auch in Einzelauftritten zum einen die Handlung nach, zum anderen aber konzentrieren sie sich vor allem auf den Kern des Stückes: den Showdown zwischen den Geschlechtern, der mit der Zwangsjacke in einer Art Patriarchatsdämmerung endet und die Frau als siegreiche Bestie übriglässt.
    Frau in Machopose
    Doch was August Strindberg einst im frauenfeindlichen Furor schrieb, wird hier nun auf der Bühne der Münchner Kammerspiele mit sehr spielerischem Gestus auf seine Relevanz im Hier und Heute abgeklopft. Dazu schickt der Regisseur gleich zu Beginn Julia Riedler und Daniel Lommatzsch ins Rennen, die sich in engen, geschlechtsnivellierenden Ganzkörpersuits höchst virtuos und amüsant durch die Handlung spielen, ohne dabei zunächst wirklich Rücksicht auf Rollenverteilungen zu nehmen. Mal thront sie in Machopose mit weit geöffneten Beinen auf dem Sofa, mal zeichnet er seine Kurven nach. Mal sprechen sie im Chor. Doch schon im spielerischen Spiel flammt Konkurrenz auf. Und wenn sie mit Kostümen immer mal wieder ihre Rollen und vor allem auch das eigene Geschlecht markieren - explizit das soziale Geschlecht -, dann wird es richtig ernst.
    Mann: "Was für eine satanische Macht, den Willen zu ändern. Gut, ich meine: Nein, ich meine, das hat man immer, wenn einem jedes Mittel recht ist."
    Frau: "Was hast du denn bitte für ein Frauenbild?
    Mann: "Oh, Gott. Das ist nicht mein Frauenbild. Das ist so."
    Frau: "Wie bitte?"
    Zerstörendes Rollenkorsett
    Es ist also der Rollendruck im leise verdämmernden Patriarchat, der hier zum Thema gemacht wird, und der bei aller Machtposition auch Männer zu Opfern werden lässt. Dass hier nun eine ganz junge Generation vielleicht schon weiter ist, dass für sie Geschlechtsdefinition und Rollenkorsett schon nicht mehr relevant sind, zeigt sich beim zweiten, eben ganz jungen Spielerpaar, das Nicolas Stemann zum einen als Verkörperung der Tochtergeneration verstanden wissen will, zum anderen aber auch als Zeichen dessen, dass hier eingefahrene und sichtbar gesellschaftszerstörende Mechanismen dabei sind sich aufzulösen.
    Dass die Älteren unter uns aber noch immer von diesem Virus zerfressen sind, zeigt sich dann in dem ultimativen Auftritt der Schauspielerin Wiebke Puls, die allein das fulminantes Finale dieses Abends bestreitet: Sie hat den Konflikt gleichsam inkarniert, sie verkörpert die vermeintlich triumphierende Frau und den abdankenden Mann in einem. Und so macht sie bravourös auf der Klaviatur ihrer Nuancen spielend deutlich, wo wir heute – und das letztlich seit Strindbergs Zeiten – noch immer stehen: auf dem Scherbenhaufen eines Kampfes, den keiner gewinnen kann.