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Ströbele: Es gibt eine Reihe von Unstimmigkeiten

Vor der Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums zur BND-Affäre hat der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele erneut Aufklärung von der Bundesregierung verlangt. Es sei nach wie vor unklar, ob Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes eine Verteidigungsplan für Bagdad an das US-Hauptquartier in Dohar weitergegeben hätten.

Moderation: Bettina Klein |
    Bettina Klein: Die letzten Veröffentlichungen der New York Times und die folgenden Zweifel und Dementis liegen schon ein paar Tage zurück, ziemlich lange in unser aufgeregten Welt. Heute aber wird das Parlamentarische Kontrollgremium für die Geheimdienste sich mit den neuen Details beschäftigen und eines der Mitglieder ist Hans-Christian Ströbele von Bündnis 90/Die Grünen, den ich jetzt am Telefon begrüße, guten Morgen Herr Ströbele.

    Hans-Christian Ströbele: Guten Morgen.

    Klein: Was genau möchten Sie geklärt wissen?

    Ströbele: Ja, wir würden gerne wissen, was an dem Bericht der New York Times richtig und nicht richtig sein soll, nämlich dass von Seiten des Bundesnachrichtendienstes vor Beginn des Irak-Krieges im Jahr 2003, also genauer im Februar 2003, ein Plan, ein Verteidigungsplan von Bagdad, der damals ganz neu gewesen sein soll, ob der von Mitarbeitern des Bundesnachrichtendienstes an US-Stellen, an das US-Hauptquartier in Dohar übergeben worden ist.

    Klein: Nun äußert sich dazu heute morgen schon der Außenminister in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und sagt, dieser Plan, der da angeblich weitergegeben worden sei, der ist trotz intensiver Recherchen, ich zitiere "nicht beim Bundesnachrichtendienst gefunden worden", insofern müsse er davon ausgehen, dass er auch nicht übergeben worden ist, sagte der deutsche Außenminister. Das stellt Sie nicht zufrieden?

    Ströbele: Nein, das stellt uns nicht zufrieden. Ich hatte inzwischen Gelegenheit, selber mal ein Teil dieses Reports, des Joint Commander, der Vereinigten Kommandanten oder Kommandeure, einzusehen, auf den sich dieser Bericht der New York Times stützt. Da finden sich tatsächlich diese Sätze, die auch in der New York Times drinstehen. Das ist ein Report der amerikanischen Streitkräfte - oder soll einer sein, sage ich mal vorsichtig -, der aus dem Beginn des Jahres 2005 stammt, in dem der Krieg gegen den Iran aufgearbeitet wird. Also, wenn das da drin steht und ich denke mal, das, was man mir gezeigt hat, scheint nicht nachträglich gefertigt zu sein, dann muss es da irgendeinen Vorgang gegeben haben. Oder irgendein amerikanischer General - aber man wüsste nicht warum - hat da seine Fantasie walten lassen.

    Klein: Also wenn es wirklich wahr ist und wenn Ihre Darstellung stimmt, dann wäre es natürlich ein wenig peinlich, wenn der Außenminister sich so weit heute aus dem Fenster lehnt.

    Ströbele: Ja, ich weiß nicht, was der Außenminister weiß. Ich kann ja auch nur wiedergeben, was ich gehört und gesehen habe. Wir müssen jetzt klären, gibt es jemanden im Bundesnachrichtendienst, der dafür in Betracht kommt, rein vom zeitlichen Ablauf. Da kann wiederum die Geschichte, so wie die New York Times das geschildert hat, nach unseren bisherigen Erkenntnissen im Parlamentarischen Kontrollgremium nicht zutreffen, weil im Februar, Anfang Februar, wie das ja zunächst da hieß, oder gar im Dezember, als dieser Plan übergeben worden sein soll, von den Irakern, da waren die Leute, die das nun übergeben haben sollen, vermutlich noch gar nicht im Irak. Da gibt es eine Reihe von Unstimmigkeiten. Möglicherweise ist es ja auch eine Verwechslung. Wir werden das heute versuchen zu klären. Die Bundesregierung wird Bericht erstatten, und ich habe in der Zeitung gelesen, dass da auch sachkundige Mitarbeiter uns zur Befragung zur Verfügung stehen.

    Klein: Bei all den Berichten der vergangenen Woche hat man sich wundern können über Reaktionen von Seiten der Bundesregierung oder der Regierungsparteien, die da lauteten, das seien olle Kamellen. Auf der einen Seite wurde gesagt, das ist längst bekannt, auf der anderen Seite wurde der New York Times vorgeworfen, nicht richtig recherchiert zu haben. Also eines kann eigentlich nur stimmen.

    Ströbele: Na ja, die New York Times hat erst mal diese Meldung gebracht, zwei Tage später hat sie dann eine andere gebracht, wo sie was wiedergibt, was in dem Bericht der Bundesregierung und zwar in dem geheimen Teil der Bundesregierung, den wir in der vorletzten Woche bekommen haben, drinstehen soll. Da kann ich eigentlich sagen, da ist mir nichts aufgefallen, was nun gegen meine Erkenntnisse, meine bisherigen Erkenntnisse spricht.

    Wir müssen bei diesen Meldungen, die aus den USA kommen, natürlich immer sehr vorsichtig sein. Das können gezielte Indiskretionen sein, muss es aber nicht sein. Und selbst wenn es gezielte Indiskretionen sind, etwa aus den Geheimdiensten heraus, müssen sie nicht falsch sein. Wir haben das in den letzen Wochen, Monaten immer wieder erlebt, zum Beispiel im November vergangen Jahres, kurz vor dem Besuch der amerikanischen Außenministerin Rice in Deutschland gab es da so ein Bericht, der damals, glaube ich, in der Washington Post über ein Gespräch von dem US-Botschafter Coats mit dem damaligen Bundesinnenminister Schily, wo über die Entführung von El Masri gesprochen wurde. Man hat gesagt hat, das war ein Irrtum, da hat man sich entschuldigt. Es stellte sich später heraus: Diese fantastische Meldung, die stimmte, die war richtig! Das wissen wir inzwischen und das ist inzwischen auch von der Bundesregierung bestätigt worden.

    Man muss da sicher sehr vorsichtig mit umgehen. Sicher scheint mir zu sein, dass die Bundesregierung zu Beginn dieser Auseinandersetzung über Meldungen, dass BND-Mitarbeiter in Bagdad waren und Informationen während des Krieges an deutsche Stellen und an US-Stellen weitergegeben haben sollen, dass die Bundesregierung da Falsches gesagt hat, als sie dementiert hat, weil da hat sie immer nur geredet, die hätten allenfalls humanitäre Ziele, humanitäre Objekte benannt, wie Krankenhäuser oder Botschaften, die nicht bombardiert werden sollen. Inzwischen wissen wir, dass das nicht zutreffend ist.

    Klein: Wenn die Meldungen jetzt zum Beispiel, was diesen Verteidigungsplan angeht, sich als nicht falsch herausstellen, stellen sich ja eigentlich zwei Fragen, nämlich erstens: Wie relevant ist das, auch in der heutigen Nachbetrachtung? Und zweitens: Wie relevant ist es, dass die Bundesregierung darüber nicht sofort und öffentlich und in aller Ausführlichkeit Auskunft gegeben hat?

    Ströbele: Ja, sicher, diese Fragen stellen sich. Die Relevanz wird ja angezweifelt. Ich bin kein Militärexperte. Mir sagt diese Skizze, die da ja beigefügt war in der New York Times, wenig. Für mich hat die kaum Aussagekraft, aber das müssen Militärexperten sagen. Aber selbst wenn es einen solchen Vorgang gegeben haben soll - ich bin da wirklich sehr vorsichtig und weiß nicht ob das stimmt - selbst wenn ein solcher Vorgang da gewesen ist, dann muss das ja die Bundesregierung damals und heute noch nicht gewusst haben. Es kann sich ja auch um Geschichten, die die Geheimdienste untereinander abgewickelt haben, handeln. Das muss man alles mit spitzen Fingern angucken, aber man muss der Sache nachgehen, weil, wenn das richtig wäre und auch dieser Plan eine Relevanz gehabt hätte, dann wäre das schon ein ganz dicker Hund.

    Klein: Ein langjähriges SPD-Mitglied hat am Wochenende in einem Zeitungsbeitrag auf den Sinn für Proportionen hingewiesen, der notwendig sei, angesichts der Diskussion um die Rolle des BND und das war Erhard Eppler. Unter anderem weißt der darauf hin, dass es einige Konzessionen an die USA ja gegeben habe im Irak-Krieg, um das Verhältnis zum Bündnispartner nicht zu zerstören. Er spricht zum Beispiel die Überflugrechte an und dies sei viel kriegsrelevanter gewesen, als das vielleicht nicht weisungsgemäße Verhalten zweier BND-Mitarbeiter. Finden Sie, dass da was dran ist?

    Ströbele: Da ist was dran. Ich gehöre zu denen, die diese Gewährung der Überflugsrechte in Deutschland, die Bewachung amerikanischer Kasernen durch Bundeswehrsoldaten und Ähnliches, der das immer kritisiert hat, der gesagt hat, das ist nicht ganz konsequent. Aber da muss man sagen, das hat die Bundesregierung ganz offen immer gesagt. Die damalige Bundesregierung hat immer klar gesagt: Wir stehen zu unseren Bündnisverpflichtungen und das gehörte dazu. Und sie hat übrigens auch immer gesagt: Wir setzen die intensive Zusammenarbeit der Geheimdienste fort. Allerdings in Bezug auf die Bekämpfung des Terrorismus und jetzt nicht etwa zur Aufklärung von Zielen im Irak für amerikanische Bombenangriffe. Das wäre schon was Neues und das ist schon in der Nähe von einer Kriegsunterstützung.

    Klein: Hans-Christian Ströbele war das, Bundestagsabgeordneter der Bündnis Grünen und Mitglied im Parlamentarischen Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste. Vielen Dank Herr Ströbele.

    Ströbele: Wiedersehen.