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Strom aus dem Heizungskeller

Kernkraftwerke sollen nach den Vorstellungen der Bundesregierung die Zeit überbrücken, bis Deutschland genug Energie aus regenerativen Quellen erzeugen kann. Es gibt aber auch noch ganz andere Ansätze zur Energiegewinnung.

Von Anja Riedel |
    Zwei junge Männer ziehen eine wuchtige, dunkelgrüne Metallkiste in den Heizungsraum hinein. 530 Kilo wiegt das Mini-BHKW. Das Blockheizkraftwerk ist dabei nur etwas größer als eine Waschmaschine. Im Keller der Familie Fischer-Zernin in Hamburg-Blankenese bauen die Installateure seit vier Tagen die alte Heizanlage aus und ein sogenanntes Miniversum ein.

    "Das Thema Blockheizkraftwerk habe ich schon lange verfolgt. Und immer gedacht, das ist ja hier bei uns der ideale Einsatzort, weil wir auch ein Schwimmbad haben und dadurch das ganze Jahr durch einen Wärmebedarf."

    Cornelius Fischer-Zernin will nicht nur die Heizung seines Wohnhauses mit den zwei Mietparteien auf den neusten Stand bringen. Der 60-jährige Anwalt interessiert sich auch dafür, wie die eingesetzte Energie effizient genutzt werden kann.
    "Im Prinzip finde ich das Überzeugende daran, das Blockheizkraftwerksprinzip sozusagen, dass ich aus der gleichen Menge Primärenergie, in diesem Fall Gas, eine doppelte Ausbeute habe. Ich erzeuge Wärme und Strom."

    Die Funktionsweise eines Blockheizkraftwerks ist nicht neu. Durch Kraftwärmekopplung nutzt die Anlage die eingesetzte Energie doppelt. Ein mit Gas oder anderen Brennstoffen betriebener Verbrennungsmotor erzeugt Strom. Dabei entsteht Wärme - eigentlich ein Abfallprodukt, das vor Ort aber zum Heizen und zur Warmwasserbereitung dient. Mit diesem Prinzip kann die Primärenergie zu über 90 Prozent ausgenutzt werden. Zum Vergleich: in Atom- oder Kohlekraftwerken liegt der Wirkungsgrad deutlich unter 50 Prozent.

    Doch wie groß muss ein Gebäude sein, damit sich so ein Mini-Blockheizkraftwerk lohnt?

    "Damit das wirklich interessant ist, braucht der Kunde 65.000 Kilowattstunden abrechenbare Wärme. Das sind größere Einfamilienhäuser aber auch Mehrfamilienhäuser ab zwei drei Parteien","

    weiß Ralph Genkel. Für den Hamburger Energiehändler Enversum leitet der schlanke Mittvieriger mit den grünen Brillenbügeln das Projekt Miniversum. In diesem Frühjahr hat Enversum mit dem Einbau der ersten Mini-Kraftwerke begonnen.

    ""Das ist jetzt die fünfte Anlage, die wir hier in Hamburg bauen. Das Ziel für dieses Jahr ist, 100 Anlagen in Hamburg zu bauen."

    Der Kunde zahlt einen Investitionszuschuss und nutzt die Wärme per Wärmeliefervertrag. Die Minikraftwerke bleiben Eigentum der Firma. Den Strom verkauft Enversum immer dann, wenn der allgemeine Bedarf hoch ist.

    "Es ist eine Anforderung da, in den nächsten 10 Minuten 500 kW zu liefern. Dann können wir das machen","

    erklärt Genkel das Prinzip der gebündelten Kleinanlagen. Zusammen bilden sie ein virtuelles Kraftwerk, das helfen soll, erneuerbare Energien wie Wind- und Sonnenenergie weiter auszubauen.
    Stichwortgeber war Deutschlands größter Ökostromanbieter Lichtblick, der sein Schwarmstromprojekt bereits im Herbst letzten Jahres bekannt machte. Anders als Enversum plant Lichtblick in ganz großem Maßstab: 100.000 Mini-BHKWs sollen in Zukunft einen Kraftwerksschwarm bilden, der genug Strom produziert, um zwei Atomkraftwerke zu ersetzen. Damit das Blockheizkraftwerk endlich aus der Nische treten kann, hat sich Lichtblick für sein Schwarmstromprojekt die Volkswagen AG mit ins Boot geholt. Ende des Jahres wird VW die Massenfertigung aufnehmen. Lichtblick-Pressesprecher Ralph Kampwirth:

    ""Diese Zuhauskraftwerke sind Blockheizkraftwerke, aber deutlich anders konzipiert, als das, was der Markt bisher kennt. Unsere Anlage hat eine sehr große Leistung. Das hat 20 Kilowatt elektrische Leistung und sogar 34 Kilowatt Wärmeleistung. Das heißt, wir können innerhalb von wenigen Stunden die nötige Energie erzeugen, die der Kunde einerseits als Wärme braucht und die wir dann auf der anderen Seite als Schwarmstrom nutzen können."

    Um den Wärmebedarf zu decken und gleichzeitig auf Zuruf Strom erzeugen zu können, ist es erforderlich, die Wärme- von der Stromproduktion zu entkoppelt. Das machen Lichtblick und Enversum mit Pufferspeichern. In großen Zylindern wird warmes Wasser zwischengelagert. Diese Lösung überzeugt auch Philipp Strauss vom Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik in Kassel.

    "Grundsätzlich ist es kostengünstiger Wärme zu speichern, als Strom zu speichern und deshalb ist diese Lösung ein wirtschaftlich sinnvoller Ansatz. Technisch funktioniert das so, dass man viele kleine Stromerzeuger kommunikativ anbindet und so ein virtuelles Kraftwerk erzeugt, indem man Befehle zur Steuerung des Stroms zentral vorgibt, die dann die dezentralen ausführen und die Summenleistung ist dann entsprechend das, was dann im Netz benötigt wird."

    Strauss prognostiziert, dass die dezentralen Stromerzeuger in Zukunft träge Großkraftwerke ersetzen werden. In Dänemark wird bereits mehr als die Hälfte des Stroms durch Kraftwärmekopplung erzeugt. Mit einem Anteil von nur zehn Prozent hinkt Deutschland da noch weit hinterher.