Archiv


Strom aus der Wüste

Technik. - Bei erneuerbaren Energien denken viele vor allem an monströse Windräder und Dächer voller Photovoltaikfelder. Doch vor allem die Solarthermie mit ihren glitzernden Sonnenöfen besitzt ein enormes Potenzial für die zukünftige Energieversorgung Europas, das es jetzt zu erschließen gilt.

Ralf Krauter im Gespräch mit Robert Pitz-Paal |
    Ralf Krauter: Herr Professor Pitz-Paal, Sie leiten die Solarforschung beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln. Welchen Beitrag könnte die Solarthermie zur Stromversorgung in Europa denn einmal leisten?

    Robert Pitz-Paal: "Man muss dazu sagen, dass das eine Option ist, die im Moment technologisch doch deutlich unterschätzt wird. Im Prinzip stehen im Norden von Afrika und zum Teil im Süden von Europa relativ große Flächen mit einem hohen Einstrahlungspotenzial ungenutzt zur Verfügung. Würde man diese Flächen dazu nutzen, solarthermische Kraftwerke zu bauen - man braucht da nur sehr kleine Anteile - lassen sich wesentliche Anteile der Energieversorgung in Europa und natürlich auch des wachsenden Energiebedarfs in Nordafrika durch solarthermische Stromerzeugung decken."

    Krauter: Können Sie das quantifizieren? Was heißt "wesentliche Anteile"?

    Pitz-Paal: "Ich würde sagen, realistisch ist in Nordafrika selber in der Größenordnung von rund 50 Prozent des Energiebeitrages durch solarthermische Kraftwerke, in Europa - durch den Transport - in der Größenordnung von etwa 15 Prozent."

    Krauter: Das Potenzial ist groß, sagen Sie, aber inwieweit sind die Techniken, um das auszuschöpfen, schon in der Praxis erprobt?

    Pitz-Paal: "Es gibt seit Mitte der 80er Jahre eine Technologie in der kommerziellen Nutzung in Kalifornien - 350 Megawatt installierte Kraftwerkskapazitäten laufen da. Sie laufen immer noch mit weiterhin hohen Verfügbarkeiten und guten Wirkungsgraden. Erfreulich ist, dass sich nun diese Technologie praktisch einen Neustart ermöglicht hat, und zwar durch die günstigen Randbedingungen zum Beispiel in Ländern wie Spanien, in denen es ein entsprechendes Einspeisungsgesetz inzwischen auch für diese Technik gibt, aber auch in den USA selber, und auch in einer ganzen Reihe anderer Länder. Das heißt, es gibt nun in der Tat erste neue Baustellen für solche Technologien und wir gehen davon aus, dass damit sozusagen das, was in Kalifornien vor 20 Jahren begonnen wurde, eigentlich jetzt fortgesetzt werden kann."

    Krauter: Kommen wir auf die politischen Rahmenbedingungen zu sprechen. Was wäre denn notwendig, um diesen Bau-Boom, der in Spanien derzeit stattfindet, noch zu fördern?

    Pitz-Paal: "Also wichtige Randbedingung für jeden ist natürlich: es muss ein Markt da sein. Und das sieht man ganz genau, was praktisch in Spanien passiert ist: dort ist durch das Einsetzen eines Einspeisegesetzes - oder entsprechend in den USA durch Quotierungsregelungen - ein Markt entstanden. Plötzlich ist es wirtschaftlich für die Entwickler, solche Kraftwerke aufzubauen. Ich denke, das ist ein Schritt, der weitergehen muss. An dieser Stelle kann man sich aus deutscher Sicht auch überlegen: in Deutschland wird sehr stark im Moment die Forschung an diesen Technologien gefördert, um die Industrie in eine Position zu bringen, hier auch mit anbieten zu können. Aber die Möglichkeit, den nächsten Schritt zu gehen, die Markteinführung mitzugestalten, die ist im Moment hier noch nicht im Gespräch. Das ist ja in allen anderen erneuerbaren Technologien anders, die ja in Deutschland selber auch Eingang finden. Ich denke, hier macht es Sinn, in der politischen Diskussion noch einmal darüber nachzudenken, welche Arten von Möglichkeiten es geben kann, auch markteinführungstechnisch zu unterstützen. Es wird sicher auch dazu führen, wenn ein Markt erkannt wird, dass mehr Firmen hier einsteigen, größere Firmen einstiegen, mehr investiert wird in diese Technologie, und damit am Ende Kostensenkungen schneller voran kommen und natürlich auch die deutsche Wirtschaft sich hier auch entsprechend gut positionieren kann."

    Krauter: Das heißt, was die politischen Vergünstigungen angeht, haben Windkraft und Photovoltaik hier ganz klar die Nase vorn. Wo sehen Sie denn noch in den nächsten Jahren technologische Durchbrüche bei der Solarthermie, die vielleicht völlig neue Wirkungsgrade ermöglichen könnten?

    Pitz-Paal: "Wir glauben, dass man an zwei Dingen insbesondere ansetzen muss. Das eine ist der Weg hin zu höheren Temperaturen. Höhere Temperaturen erlauben höhere Wirkungsgrade. Heutzutage wird die Energie in Dampfturbinen eingekoppelt. In Zukunft mag sie vielleicht bei höheren Temperaturen in Gas- und Dampfturbinensysteme eingekoppelt werden. Damit kann man höhere Wirkungsgrade erzielen und so praktisch mit viel weniger Kollektorfläche - der Kollektor ist eigentlich immer noch der teure Teil in einem solchen System - dieselbe Menge Energie bereitstellen. Das senkt natürlich erheblich die Kosten. Der zweite Punkt sind sicher thermische Energiespeicher. Wenn es gelingt, große preiswerte Energiespeicher zur Verfügung zu stellen, dann kann man solche Kraftwerke auch mehr Stunden im Jahr nutzen. Das erhöht natürlich die Wirtschaftlichkeit auch entsprechend. An diesen beiden Stellschrauben gibt es noch erheblichen Verbesserungsbedarf und ein erhebliches Potenzial."