Die zweite Nacht auf der Krim ohne Strom - und in den Läden der großen Städte waren schon gestern Abend die Kerzen ausgegangen. Die von Russland installierte Krimregierung erklärte den heutigen Montag zu einem arbeitsfreien Tag, nur die Verwaltungsbeamten müssen in ihren Büros erscheinen. Die Bürger bekommen Strom und Wasser - zumindest in den Städten - nach Uhrzeiten rationiert. Denn die Behörden haben gestern im Tagesverlauf nur eine Minimalversorgung organisiert - auf der Basis von Gasturbinen. Die Vorräte in den Gasspeichern reichen für 29 Tage, rechnete die Krimregierung aus - aber nur, falls die Temperaturen nicht sinken.
Der Premier Sergej Aksjonow forderte die Bevölkerung auf, auch in den Perioden, in denen die Haushalte Strom zugeteilt bekommen, keine Elektroherde zu benutzen:
"Strommasten zu zerstören, das kann ich nur als Terroranschlag bezeichnen. Aber wie dem auch sei: Die Krimbewohner zwingt niemand in die Knie. Wir werden keinerlei Zugeständnisse machen. Die Krimbewohner werden das überstehen und eine angemessene Antwort geben."
Die Krim sei in Spitzenzeiten zu etwa 60 Prozent von ukrainischen Stromlieferungen abhängig, sagen die Behörden. Ein erheblicher Teil des Stroms könne also durch eigene Produktion gedeckt werden. Dennoch zeigen zahlreiche Amateurvideos, dass es heute Nacht fast nirgendwo Strom gab - mit Ausnahme der Krankenhäuser, die über Dieselgeneratoren versorgt werden.
Krimtataren: "Wir gehen hier nicht weg"
Verantwortlich für die Zerstörung der Strommasten sind sehr wahrscheinlich diejenigen Aktivisten, die seit zwei Monaten versuchen, die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Ukraine und der Krim abzubrechen. Ihnen gehören Krimtataren und Mitglieder der nationalistischen Vereinigung "Rechter Sektor" an. Die Gruppe argumentiert: Die Ukraine unterstütze die russische Annexion der Krim, wenn sie mit der Halbinsel Handel treibe - darunter auch die russischen Militärbasen dort.
Zunächst hinderte diese Gruppe Lastwagenfahrer daran, Lebensmittel auf die Krim zu liefern. Nun sperren sie das Gelände um die gestürzten Masten ab. Bis gestern Abend konnte das ukrainische Energieunternehmen Ukrenergo deshalb nicht mit der Reparatur der Leitungen beginnen.
Einer der Aktivisten, ein Krimtatare, erklärte:
"Wir gehen hier nicht weg, bis die Ukraine die Energielieferungen auf die Krim offiziell einstellt. Auch wenn es dazu kommen sollte, dass wir hier unser Blut vergießen müssen."
Vertreter der Blockierer führen Verhandlungen mit der ukrainischen Regierung, die heute fortgesetzt werden.
Atomkraftwerke mussten neu gestartet werden
Anführer der Krimtataren unterstützten die Blockade der Halbinsel in den vergangenen Wochen. Inzwischen sehen sie das Vorgehen der Aktivisten jedoch kritisch, so auch der Parlamentsabgeordnete Mustafa Dschemilew.
"Der Vorgang hat die Ukraine in eine schwierige Lage gebracht. Russland hat als Antwort den Export von Kohle in die Ukraine eingestellt. Deshalb wird bald auch in der Ukraine der Strom in einigen Regionen ausfallen."
Denn die Ukraine deckt ihren Strombedarf zur Hälfte aus Kohlekraftwerken. Und wegen des Konflikts im Donezbecken wird sie aus den dortigen Bergwerken nicht mehr unmittelbar beliefert. Außerdem drohte der plötzliche Defekt im Energienetz gestern, angeschlossene Kraftwerke zu beschädigen. Auch zwei Atomkraftwerke mussten unplanmäßig neu gestartet werden - ein risikobehafteter Vorgang, räumte der Energieversorger Ukrenergo ein.