Für Millionen Haushalte hat sich zum Jahreswechsel der Strompreis stark erhöht, teilweise verdoppelt. Seit Januar 2023 greift die Preisbremse für Strom, ausgezahlt werden die Entlastungsbeträge von den Versorgern allerdings erst ab März. Der Bund deckelt damit die Kosten für Verbraucher bei 40 Cent pro Kilowattstunde – aber nur für 80 Prozent des Bedarfs.
Doch warum ist Strom für Verbraucher eigentlich so teuer geworden? Schließlich wird etwa die Hälfte des Stroms mit erneuerbaren Energien produziert, und die Produktionskosten dafür haben sich nicht drastisch verändert. Die Gründe für die hohen Verbraucherpreis liegen im Strommarkt – und in der EU gibt es Forderungen, diesen zu reformieren.
Wie wird der Preis am Strommarkt festgelegt?
An der Strombörse herrscht das sogenannte Merit-Order-Prinzip. Dieses bezeichnet die Einsatzreihenfolge der an der Strombörse anbietenden Kraftwerke. Kraftwerke, die billig Strom produzieren können, werden zuerst herangezogen, um die Nachfrage zu decken. Das sind zum Beispiel Windkraftanlagen.
Es werden so lange Kraftwerke hinzugezogen, bis die Nachfrage gedeckt ist. Den Preis bestimmt dabei das letzte – und somit das teuerste aktive – Kraftwerk. Alle anderen Stromerzeuger bekommen so viel, wie die Stromproduktion dieses Kraftwerks kostet. Wer Strom günstig erzeugt, macht also sehr hohe Gewinne.
Das teuerste Kraftwerk ist häufig ein Gaskraftwerk und damit wirken sich die enorm gestiegenen Gaspreise auch auf den Strompreis aus.
Kann das System reformiert werden?
Es ist durchaus möglich, dass sich am Marktdesign künftig etwas ändert. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat im Herbst 2022 eine grundlegende Reform des Strommarktes angekündigt. Sie betrachtet das System als nicht verbraucherfreundlich.
Im März 2023 will die Kommission einen Vorschlag vorlegen. Einige Staaten sind mit ihren Ideen schon vorgeprescht. Spanien und Frankreich wollen zum Beispiel, dass grüner Strom viel weniger über den Spotmarkt gehandelt – und damit aus dem Merit-Order-Prinzip gelöst wird. Stattdessen soll es mehr feste Verträge geben, bei denen minimale und maximale Erlöse reguliert werden.
Doch wie weit die Reformen gehen sollen, ist umstritten. Deutschland, die Niederlande, Dänemark, Estland, Finnland, Luxemburg und Lettland warnen vor einer übereilten grundlegenden Reform des EU-Strommarktes. Sie befürchten Belastungen für die Energiewende.
Es sei von entscheidender Bedeutung, dass das reibungslose Funktionieren des Strommarktes nicht gefährdet werde, heißt es in einem Positionspapier. Es dürfe keine neuen Hürden für den Ausbau erneuerbarer Energien geben.
Europa müsse die richtigen, zielgenauen Lehren aus dem Krisenjahr 2022 ziehen, meint das Bundeswirtschaftsministerium: „Wir sollten die Schwächen durch gezielte Maßnahmen adressieren - insbesondere den Schutz der Verbraucher vor exzessiven Krisenpreisen verbessern – aber wir sollten dabei nicht das aufs Spiel setzen, was sich bewährt hat.“
In der Debatte in der EU sind nun sogenannte Contracts for Difference. Bei diesen Differenzverträgen gleicht der Staat die Differenz zwischen einem am Markt erzielbaren Preis und einem vertraglich vereinbarten Preis aus, um langfristig Preisstabilität zu schaffen. Wird über dem in dem Vertrag festgelegten Preis verdient, geht der Überschuss an den Staat.
Was spricht gegen Reformen?
Dass Anbieter von erneuerbaren Energien aktuell hohe Preise für ihren günstig produzierten Strom bekommen, sehen nicht alle als Problem. „Wir wollen ja Hunderte von Milliarden in dieses Stromsystem der Zukunft umleiten und dafür ist es wichtig, dass eben solche Anreize für die Investoren auch langfristig gegeben sind“, meint der Ökonom Andreas Löschel.
Auch der Bundesverband Erneuerbare Energie warnt: Differenzverträge, wie sie in der EU diskutiert werden, seien keine gute Alternative, sie seien ein planwirtschaftliches Modell. Es bestehe die Gefahr, dass die Umsetzung der Energiewende insgesamt teurer werde. Preissignale regten dringend erforderliche Investitionen aus dem Markt heraus an. Das könnten Differenzverträge nicht.
Warum gibt es Strombörsen überhaupt?
Mehr Marktwirtschaft hieß die Devise – die Liberalisierung des Strommarktes sollte zu günstigeren Preisen für die Verbraucher führen.
Noch in den 90er-Jahren war der Strommarkt tatsächlich relativ übersichtlich. Es gab keine Strombörse, keinen Wettbewerb, sondern an jedem Ort genau einen Stromversorger. Große Monopolisten hatten Deutschland nach Regionen aufgeteilt, zusätzlich gab es Stadtwerke, die in ihrer jeweiligen Kommune für die Stromversorgung zuständig waren.
Die Produktion von Strom, der Transport über die Netze und der Verkauf an die Haushalte kam in der Regel aus einer Hand. Das System war staatlich reguliert, die Länder hatten die Aufsicht über die Strompreise.
1998 erfolgte der große Paradigmenwechsel, die Liberalisierung. Damit setzte Deutschland eine Vorgabe der EU um. Das Ziel war, möglichst viel Wettbewerb zu schaffen und neue Akteure auf den Strommarkt locken.
Allerdings verflog die Euphorie relativ schnell. Das Versprechen an die Verbraucher, der freie Markt würde Strom billiger machen, erfüllte sich nur kurz. Ab 2003 gingen die Preise relativ kontinuierlich nach oben.
(Quellen: Deutschlandfunk, Josephine Schulz, ahe, pto)