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Stromsparen für die Industrie

Stromsparen ist für erstaunlich viele Firmen noch kein Thema. Dabei gibt es auch im industriellen Maßstab Möglichkeiten, den Energieverbrauch zu senken - vom Stand-by-Betrieb für Roboter bis zu neuen Schweißverfahren. Auf der Hannover Messe zeigen Forscher der Fraunhofer-Gesellschaft Beispiele.

Von Michael Engel |
    Die Industrie achtet immer noch zu wenig auf den Energieverbrauch in der Produktion. Das ist die Ansicht von Professor Matthias Putz - Hauptabteilungsleiter im Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik.

    "Energie ist heute im Bewusstsein des ausgebildeten Ingenieurs eine Größe, die ist vorhanden. Man muss sie nur bezahlen können. Wir gehen davon aus, dass insbesondere mit dem Aspekt der Energieeffizienz 2.0 in Zukunft auch planen müssen, wie wir mit Energie umgehen, wenn die Sonne scheint, wenn sich das Windrad dreht oder wenn auch ein Überangebot da ist, dass man also die Produktion mit dem Energieangebot synchronisieren kann. Das ist bis heute nicht Stand der Technik."

    Und noch ein Befund stimmt den Experten aus Chemnitz nachdenklich: In der Produktion gibt es jede Menge Möglichkeiten, Energie einzusparen, doch sie werden viel zu selten genutzt. Insbesondere in Werkhallen mit Robotern:

    "Der interessante Aspekt ist, dass der eine oder andere Betreiber von solchen Systemen schon mal geschaut hat, wie viel Energie seine Maschinen denn über das Wochenende benötigen - wenn sie nicht produzieren. Und es gab erstaunliche Effekte, dass also ein Werk 60 bis 80 Prozent seiner Elektroenergie verbraucht, am Wochenende, wenn gar nicht produziert wird."

    Dass es auch anders geht, weiß Professor Matthias Putz als Koordinator einer 60 Teilnehmer umfassenden Allianz, der Automobilausrüster, Zulieferer und Forschungseinrichtungen angehören. Am Beispiel "Fahrzeugkarosserien" wurde erkundet, wo überall im Herstellungsprozess energieeffizienter produziert werden kann. Ergebnis: 50 Prozent Einsparungspotenzial beim Pressen der Karosserieteile - durch sparsame Maschinen. 20 Prozent, wenn Roboter nicht immer nur eingeschaltet sind, sondern auch mal in den Stand-by-Betrieb wechseln, so sie - wenn auch nur für Minuten - nicht gebraucht werden. Ob beim Lackieren, Klimatisieren oder Schweißen - praktisch überall gibt es Einsparpotenziale. Dr. Oliver Kleine vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung befragte dazu 1500 Unternehmen.

    "Also wir konnten in unseren Studien zeigen, dass gerade Konzepte zur Vermeidung von einem erhöhten Materialbedarf oder zur Verringerung des Energieeinsatzes, dass solche Konzepte durchgängig nicht verbreitet sind. Also zum Beispiel Wärmerückgewinnung - letztendlich, die Anlagen heizen ja auch die Fabrik. Das ist so gut wie noch gar nicht verbreitet. Oder auch eine andere Art der Ansteuerung elektrischer Motoren. Das sind ganz einfache Maßnahmen - man spricht neudeutsch auch von 'low hanging fruits' - die werden von den Unternehmen einfach noch nicht gehoben."

    20 bis 30 Prozent könnten manche Unternehmen allein an elektrischer Energie sparen. Um die Energiewende zu schaffen, mit erneuerbaren Ressourcen, sollten jetzt endlich auch die Betriebe in Deutschland mitziehen. Und dazu gehört auch - so Professor Matthias Putz - dass die Unternehmen über neue Arbeitszeiten nachdenken.

    "Wenn wir über Energiewende sprechen, dann müssen wir uns auch manchmal überlegen, dass es natürlich bedeutet, dass Energie nicht mehr einfach da ist. Sondern dass sie zu bestimmten Zeiten da ist, sodass wir vielleicht auch mit dem Betriebsrat über andere Formen der Arbeitsorganisation reden müssen. Sprich: wenn eben Wind weht zu arbeiten, oder wenn die Sonne scheint. Das ist jetzt etwas schmunzelnd gesagt, aber ich glaube, dass das gerade auch mit eine Rolle spielen wird, wenn wir diesen Weg der Energiewende weiterhin so erfolgreich beschreiten wollen."

    Arbeiten nur, wenn der Wind weht? Und bei Flaute frei! Das ist sicher nicht das, was sich die Unternehmer wünschen. Und viele Arbeitnehmer sicher auch nicht. Ohne Mitwirkung der Industrie beim Energiesparen ist die "Energiewende" in Deutschland aber nicht zu schaffen, so die Meinung der Experten. Das betrifft nicht nur die elektrische Energie. Auch die "Materialeffizienz" lässt immer noch zu wünschen übrig. Dünnere Gehäuse, weniger Gewicht, mehr Recycling - auch auf diesem Gebiet sind die Einsparpotenziale riesig.