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Stromtrassen-Streit
"Bayern sabotiert die Energiewende"

Der Finanzminister Baden-Württembergs hat es satt, dass Bayern die Energiewende blockiert. Im DLF forderte Nils Schmid (SPD) dazu auf, wieder zu einer sachlichen Debatte über die Stromtrassen zurückzukehren. Eine Neuplanung - mit einem Verlauf der Trassen nicht durch Bayern, sondern durch Baden-Württemberg und Hessen - sei nicht effizient und werde teurer.

Nils Schmid im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Nils Schmid, Finanzminister von Baden-Württemberg (SPD), aufgenommen am 19.03.2014 während der ARD-Talksendung "Anne Will".
    Nils Schmid, Finanzminister von Baden-Württemberg (SPD), kritisiert, dass tausende Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen würden. (picture alliance / ZB / Karlheinz Schindler)
    Dass die zwei Trassen durch Bayern verlaufen und nicht durch Baden-Württemberg schätzte er nicht als unfair ein, sondern als sachlich geboten. Bayern wäre schließlich ein flächengroßes Land. Das Bundesland habe Verantwortung für ganz Deutschland. Nun gehe es darum, die Stromautobahnen effizient und schnell umzusetzen.
    "Wir können die Stromtrassen nicht weiter verzögern", betonte Schmid. Er kritisierte, dass durch eine weitere Verzögerung im Süden Tausende Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen und bezweifelte, dass ohne Bayern die Energiewende gestemmt werden könnte. Außerdem würden beide Stromtrassen benötigt: Sonst würden vermutlich die Kosten steigen, weil hohe Subventionen für Gaswerke gezahlt werden müssten.
    Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) hatte gefordert, dass die sogenannte Suedlink-Trasse weniger Kilometer durch Bayern verlaufen solle, stattdessen hauptsächlich durch Hessen und Baden-Württemberg. Suedlink soll Windstrom von der Küste in den Süden Deutschlands bringen.

    Das Interview in voller Länge:
    Friedbert Meurer: Alle sind für den Schutz des Klimas. Aber welchen Preis wollen wir dafür bezahlen? Von Nord- nach Süddeutschland soll eine gewaltige Stromtrasse gebaut werden, damit Wind-Ökostrom aus dem Norden in Süddeutschland eingespeist werden kann, denn dort und nicht nur dort ist ja bald Schluss mit der Kernenergie. Entlang der geplanten Trasse haben sich 70 Bürgerinitiativen schon gebildet, die gegen diese Trassenführung protestieren.
    Bayern will jetzt eine der beiden geplanten Trassen nach Hessen und Baden-Württemberg, nach Westen also verlegen, und damit ist der Krach vorprogrammiert. Nils Schmid ist Wirtschafts- und Finanzminister in Baden-Württemberg, stellvertretender Ministerpräsident von der SPD, bei uns jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Schmid!
    Nils Schmid: Guten Morgen, Herr Meurer.
    Meurer: Warum soll alles über Bayern verlaufen, fragt der Ministerpräsident Bayerns. Was sagen Sie?
    Schmid: Die Frage ist schon falsch gestellt. Die Energiewende ist eine nationale Aufgabe und deshalb müssen wir die Trassenführungen wählen, die sachlich geboten sind. Deshalb hat man auch das den Bundesländern entzogen und eine Bundesfachplanung aufgelegt. Das heißt, die Bundesnetzagentur plant diese überregionalen Stromtrassen.
    Und es war bislang Konsens zwischen Bund und Ländern, dass die Südlink-Trasse geführt wird, wie sie geführt wird, nämlich durch bayerisches Gebiet. Und jetzt das einfach den Nachbarn vor die Haustür zu schieben, das ist unredlich und lässt den Verdacht aufkommen, dass St. Florian eben doch ein bayerischer Nationalheiliger ist. Aber so werden wir die Energiewende in Deutschland nicht stemmen können.
    "CSU und die Union müssen Ordnung in die eigenen Reihen bringen"
    Meurer: Horst Seehofer sagt, das ist das, was ich vor Ort in den Regionen gespiegelt bekomme. Ich schütze sozusagen bayerische Interessen. Zwei Trassen, die durch Bayern verlaufen, ist das unfair?
    Schmid: Nein, das ist nicht unfair, sondern sachlich geboten. Bayern ist ein flächengroßes Bundesland und deshalb hat es große Flächenanteile auch an Stromtrassen. So ist das nun mal. Und man kann nicht nur auf Bayern schauen, sondern gerade eine Partei wie die CSU und die Union insgesamt haben eine Verantwortung für ganz Deutschland. Bayern ohne Deutschland ist nichts. Und die Partei, die erst den Atomausstieg rückgängig gemacht hat, dann ganz schnell doch aus der Nuklearkraft aussteigen wollte und jetzt anfängt, die Energiewende zu blockieren, die ist jetzt schon gefordert, da Ordnung in die eigenen Reihen zu bringen.
    Wir können um der Tausenden von Arbeitsplätzen willen, die in ganz Süddeutschland auf dem Spiel stehen, nicht weiter die Stromtrassen verzögern. Wir brauchen diese Verbindung vom Norden in den Süden, weil gerade der Süden in äußerst hohem Maße von Atomkraftwerken abhängig ist.
    "Ich habe es satt, dass Bayern die Energiewende sabotiert"
    Meurer: Und das betrifft ja beide Bundesländer, Baden-Württemberg und Bayern. Herr Schmid, auch wenn Sie sagen, es gibt sachliche Gründe dafür, dass die Trassen in Bayern liegen sollen, wäre es das sozusagen wert, auch an Finanzmitteln, um den Bürger zu überzeugen, zu sagen, nein, wir machen es doch gerechter und ziehen eine Linie rüber nach Hessen und Baden-Württemberg?
    Schmid: Nein. Es geht ja nicht darum, was vermeintlich gerecht ist. Es geht darum, was effizient ist und was schnell umgesetzt werden kann. Wenn man jetzt neu plant, verzögert sich die Umsetzung der Stromtrassen um Jahre mit unabsehbaren Folgen für Wachstum und Beschäftigung in Bayern und in Baden-Württemberg, und ich habe es satt, dass Bayern die Energiewende sabotiert. Das ist nicht im Interesse der bayerischen Arbeitsplätze, nicht im Interesse der baden-württembergischen Arbeitsplätze.
    Wir können nicht einfach anfangen, mit einem Federstrich wieder bei null zu beginnen, sondern Bayern hat da eine Verantwortung, sich an die Vereinbarungen zu halten. Und wenn man jetzt anfängt, so nach frei Schnauze Stromtrassen durch die Republik zu legen, dann wird es nicht schneller gehen, sondern langsamer, es wird nicht billiger, sondern teurer, und gefährdet damit nicht nur die Energiewende, sondern auch die Versorgung der Industrie mit Strom in ganz Süddeutschland.
    Meurer: Interessant ist ja, Herr Schmid - das haben Sie mit Sicherheit auch verfolgt -, dass die Bayern ja bisher in Frage gestellt haben, ob man denn wirklich zwei Stromtrassen braucht. Die berühmte Formel lautete dann dafür, wir brauchen nicht zwei Stromtrassen, sondern zwei minus X, und das hörte sich bei Ilse Aigner und Horst Seehofer so an:
    O-Ton Ilse Aigner: „Ich sehe nicht, dass für die Versorgungssicherheit Bayerns zwei Trassen wirklich notwendig ist. Die Formel lautet zwei minus X."
    O-Ton Horst Seehofer: „Zwei minus X heißt eins oder null. Oder? - Haben wir doch so gelernt. - Nein? - Zwei minus X heißt eins oder null."
    Meurer: Zwei minus X heißt jetzt zwei. Muss man ja so interpretieren, wenn Horst Seehofer sagt, eine Trasse durch Bayern, eine durch Baden-Württemberg. Ist das aus Ihrer Sicht ein Erfolg, dass Bayern jetzt doch zwei sagt?
    "Zwei Trassen sind unverzichtbar"
    Schmid: Zunächst mal ist auch dieses von den Fachleuten über die Bundesnetzagentur eindeutig geklärt worden. Wir brauchen beide Trassen, denn sonst laufen wir Gefahr, dass wir mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler hohe Subventionen zahlen müssen für irgendwelche Gaskraftwerke. Das nennt sich dann Kapazitätsmärkte in Süddeutschland. Und dann wird die Energiewende noch teurer. Insofern sind zwei Trassen unverzichtbar. Das ist schon mal gut, wenn die Bayern das einsehen. Aber auch da gilt: Das was die Bundesnetzagentur fachlich vorgeschlagen hat, ist der Konsens zwischen Bund und Ländern, und der kann nicht einseitig aufgekündigt werden.
    Meurer: Was glauben Sie, was hinter dieser Initiative aus Bayern steckt?
    Schmid: Das ist das übliche „mir san mir"-Gehabe. Aber Bayern muss wissen, dass die Energiewende wirklich das untauglichste Objekt für solche Spielchen ist. Da steht viel zu viel für die gesamte Wirtschaft und für Arbeitsplätze, vor allem in Süddeutschland, auf dem Spiel und das kann man nicht leichtfertig riskieren, so wie die Bayern das tun. Ich fordere sie deshalb auf, wieder zur sachlichen Debatte zurückzukehren und sich an die Planungen der Bundesnetzagentur zu halten.
    Meurer: Steckt dahinter, wie manche mutmaßen, dass Bayern im Prinzip Ihre Zustimmung haben will für die Subvention von Gaskraftwerken in Bayern?
    Schmid: Das mag ja sein, aber das ist eine Rechnung, die sie ohne den Wirt gemacht haben und vor allem ohne den Steuerzahler, denn die Energiewende ist kostenaufwendig. Deshalb hat die Bundesregierung zurecht über die Novelle des EEG versucht, die Kosten in den Griff zu bekommen. Und wenn man dann neue Subventionstatbestände aufmacht, bloß weil die Bayern keine Stromtrasse haben wollen, dann ist das volkswirtschaftlich unsinnig und wird die Akzeptanz der Energiewende nicht gerade befördern.
    "Die Planungen müssen zügig zu Ende gebracht werden"
    Meurer: Die Bürgerinitiativen vor Ort fragen sich, muss das alles sein mit den zwei Stromtrassen, kann man nicht auch dezentrale Lösungen finden. Kann man?
    Schmid: Das versuchen ja beide süddeutschen Bundesländer, Bayern wie Baden-Württemberg, indem wir beschleunigt die Windkraft und überhaupt die erneuerbaren Energien im Süden ausbauen. Wir werden aber aufgrund der starken Leistung von Windkraft und Wasserkraft offshore im Norden der Republik diese großen Verbindungstrassen in den Süden brauchen, weil alleine mit den erneuerbaren Energien aus Bayern und Baden-Württemberg werden wir den Umstieg von der Atomkraft hin zu den Erneuerbaren nicht stemmen. Deshalb werden wir beide Trassen brauchen.
    Meurer: Wie groß ist Ihre Sorge, dass es 2023 im Anschluss an den Ausstieg aus der Kernenergie zu Stromengpässen in Baden-Württemberg kommt?
    Schmid: Bislang war ich sehr zuversichtlich. Wir haben in Baden-Württemberg ein ehrliches Monitoring der Versorgungssicherheit und da ist alles im grünen Bereich. Bloß wenn jetzt so tollkühne Aktionen aus Bayern dazwischenfunken, dann könnte es eng werden. Deshalb ist es angezeigt, dass jetzt die Bundesnetzagentur zügig die Planungen zu Ende bringt und dann auch wirklich die Trassen gebaut werden. Der Zeitplan ist jetzt schon verdammt eng und jetzt mühselig nach Alternativen zu suchen, würde den Zeitplan völlig ins Rutschen bringen und die Versorgungssicherheit dann wirklich gefährden.
    "Bayerns Stimme allein ist nicht entscheidend"
    Meurer: Hat Bayern eine Möglichkeit, das irgendwie zu blockieren?
    Schmid: Das Gute ist ja, dass überregionale Stromtrassen über den Bund und die Bundesnetzagentur geplant werden. Insofern ist die Stimme allein von Bayern nicht entscheidend. Aber es ist natürlich zu befürchten, dass über Rechtsmittel Planungen verzögert werden. Umso wichtiger ist es, dass die Bundesnetzagentur jetzt ihre Pläne voranbringt.
    Meurer: Von Ihnen jedenfalls gibt es kein Entgegenkommen bei der Trassenführung, von der ja letzten Endes auch Baden-Württemberg profitiert. Sie kriegen ja dann auch den Strom über die Trassen.
    Schmid: Ja genau! Deshalb ist es ja gut, dass jetzt eine geplant ist, und die sollte auch umgesetzt werden.
    Meurer: Nils Schmid, der Wirtschafts- und Finanzminister von Baden-Württemberg von der SPD, zum Streit, wo die Stromtrassen entlanglaufen sollen, die zwischen Nord- und Süddeutschland geplant sind. Herr Schmid, danke für das Interview und auf Wiederhören!
    Schmid: Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.