Geht es nach den Jugendlichen der Fridays For Future Bewegung, würde Deutschland schon bis zum Jahr 2030 aus der Kohle aussteigen – acht Jahre früher als von der Bundesregierung geplant. Doch Angela Merkel winkt ab: Schneller geht’s nimmer:
"Das ist im Hinblick auf die Rolle der Kohle und im Hinblick auf die Tatsache, dass wir vorher aus der Kernenergie aussteigen, wirklich ein Kraftakt."
Meint die Kanzlerin – die wochenlange Verspätung im Kabinett bestätigt diesen Eindruck. Eigentlich schon für April angekündigt, möchte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier gerne heute zur Tat schreiten und zumindest seine Eckpunkte für den Strukturwandel in den Braunkohlerevieren endlich beschließen.
Altmaier drängt, Scholz bremst
"In meinem Zuständigkeitsbereich werden wir die Hausaufgaben ja machen", betonte der Christdemokrat kürzlich schon. Sein leicht vorwurfsvoller Tonfall zielt ab auf den Koalitionspartner SPD, denn die Genossen führen mit Olaf Scholz das Finanzministerium, und dort sah man die Finanzierung des Strukturwandels lange Zeit anders als im Hause Altmaier. Schon vor Monaten wollte sich Scholz auf konkrete Summen nicht festlegen:
"Wir werden die nächsten zwanzig Jahre Stück für Stück viele weitere Milliarden am Ende auch ausgeben müssen. Da ist ja unvermeidbar, und das weiß auch jeder."
Unbeantwortet blieb damit jedoch die knifflige Frage, wer im Kabinett nun welche Kosten übernimmt für den Aufbau neuer Arbeitsplätze etwa in der Lausitz. Die Kostenfrage und der Ausbau der Verkehrs-Infrastruktur war derartig umstritten, dass das Thema Strukturhilfen letzte Woche kurzfristig verschoben wurde. Heute nun der nächste Versuch im Kabinett. Denn: "Die Menschen in den betroffenen Kohleproduktionsregionen sagen natürlich: Was wird aus uns? Was bedeutet das für unsere Zukunft? Und die entsprechenden strukturellen Zusagen müssen wir dann auch einhalten", mahnt die Kanzlerin.
Kommunalwahlen im Blick
Beide Koalitionsparteien, Union und SPD, dürften dabei auch die Kommunalwahlen am kommenden Wochenende in Brandenburg im Blick haben – zumal auch die betroffenen Braunkohleländer hart mit dem Bund gerungen haben, ums liebe Geld:
"Es ist wirklich einige Jahrzehnte her, dass der Bund sich um die Strukturentwicklung von Regionen gekümmert hat." Darauf kann Sozialdemokrat Dietmar Woidke gar nicht oft genug hinweisen. Der brandenburgische Regierungschef muss im September auch noch Landtagswahlen bestehen, die AfD macht Stimmung gegen den Kohleausstieg. Im rbb Radio fordert Woidke nun, die Strukturhilfen per Staatsvertrag abzusichern. Nur so sei das Geld aus Berlin auch für künftige Bundesregierungen bindend.
"Mir geht es darum, dass wir das Geld wirklich ganz gezielt in Projekte stecken, die dauerhaft eine industrielle Entwicklung in der Lausitz möglich machen. Die es möglich machen, dass neue Industriearbeitsplätze kommen."
Warnung vor dem "Prinzp Gießkanne"
Neue Arbeitsplätze in den Braunkohlerevieren schaffen, die Wirtschaft vor Ort modernisieren, Bahnstrecken ausbauen, Forschung und Behörden vor Ort ansiedeln – all das will auch das Bundeswirtschaftsministerium vorantreiben und dafür in den kommenden zwei Jahrzehnten bis zu 40 Milliarden Euro ausgeben.
Die FDP-Opposition im Bundestag warnt allerdings vor dem Prinzip Gießkanne, während die Grünen verlangen, den Kohleausstieg selbst voranzutreiben. Parteichef Robert Habeck: "Die entscheidende Frage ist nicht, wann das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet wird, sondern wie schnell und wie viele jetzt in diesem Jahr und in den nächsten zwei Jahren abgeschaltet werden."
In dieser Frage tritt die Bundesregierung jedoch auf der Stelle, die Gespräche mit den Kraftwerksbetreibern verlaufen schleppend. Union und SPD wollen zunächst die strukturschwachen Regionen in Ostdeutschland voranbringen – wie, ist freilich noch umstritten. Der Gesetzentwurf zu den Strukturhilfen wird erst bis Ende des Jahres fertig sein.