Die Verfasste Studierendenschaft: Mit der Einführung dieser gesetzlich festgeschriebenen Form von studentischer Mitsprache an den Hochschulen will Wissenschaftsministerin Theresia Bauer ein zentrales Wahlversprechen der grün-roten Landesregierung erfüllen.
"Nach über 30 Jahren wollen wir damit zu normalen Verhältnissen zurückkehren an unseren Hochschulen und den Studierenden eine organisierte Stimme geben, damit sie mit einer demokratisch gewählten Vertretung wirkungsvoll ihre Belange in den Hochschulen einbringen und vertreten können."
Abgeschafft hatte die Verfasste Studierendenschaft CDU-Ministerpräsident Filbinger – das war in den 70ern, als die Universitäten als Brutstätten linker Umtriebe oder gar terroristischer Anschläge galten. Jetzt also wieder mehr Mitsprache, das Recht sich nicht länger nur zu kulturellen oder sozialen Themen äußern zu dürfen, sondern auch zu hochschulpolitischen Belangen. Man sollte meinen, ein solches Recht löse bei den Studenten Euphorie aus. Doch fragt man Tübinger Studenten, ob sie etwas anfangen können mit dem Begriff "Verfasste Studierendenschaft", dann kommt fast unisono:
"Nein – Leider gar nicht – Sagt mir nichts – Ja, is hm äh, nee - Nee gar nicht."
Kein Wunder, denn die Wahlen zu den verschiedenen studentischen Gremien in Baden-Württemberg zeigen immer wieder: Nur 10 bis 15 Prozent aller Studenten interessieren sich für Hochschulpolitik. Zu ihnen gehört Sonja Völker, die an der Universität Tübingen in mehreren studentischen Gremien und auch im Senat sitzt. Sie freut sich darüber, dass im jetzt vorgelegten Gesetzentwurf der politische Einfluss der Studierenden gestärkt wird. Sie könne sich zu vielen Themen äußern, die bislang tabu sind.
"Die Forderung geht dahin, von unserer Seite, dass wir ein allgemein politisches Mandat fordern. So ist es zwar nicht formuliert, aber es geht ein Stück in unsere Richtung in dem Sinne, dass formuliert wird, es geht nicht nur um Dinge, die ganz direkt die Hochschule betreffen, sondern eben auch Dinge, die diese Schnittstelle zwischen Hochschule und Gesellschaft betreffen und das ist schon mal weiter als es mal hieß."
Die Tübinger Studierenden haben in der Vergangenheit außeruniversitäre Gremien geschaffen und konnten so den existierenden Maulkorb umgehen. Sollte der tatsächlich gelockert werden, dann muss sich die Unileitung künftig wohl auf noch mehr Gegenwind aus den Reihen der als recht kampfeslustig geltenden Studenten einstellen.
Inwieweit sich studentische Gremien politisch äußern dürfen, das war ein Knackpunkt bei den Gesprächsrunden, die das Ministerium im Vorfeld des Gesetzentwurfes veranstaltet hat. Ein weiterer war, ob eine Verfasste Studierendenschaft von den Studenten Beiträge einziehen und ob sie ihren Haushalt eigenständig gestalten darf. Viele Hochschulrektoren lehnen das offenbar ab. Professor Bastian Kaiser von der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg, hat an den Gesprächen im Ministerium teilgenommen und warnt:
"Ja zunächst Mal ist ja ne relativ hohe Rochade bei den Studierenden, die bleiben in der Regel ja nicht lange in dieser Funktion, weil sie nicht ewig lange an der Uni sind – normalerweise. Das heißt, sie müssen immer wieder neu anfangen zu lernen, wie man ein solches Unternehmen, eine solche Körperschaft, führt. Und da sind gewisse Regeln einzuhalten. Die Regeln muss man erstmal kennen und muss dann auch wissen, wie die umzusetzen sind. Das ist nicht trivial."
Bei einem Mitgliedsbeitrag von zehn Euro pro Semester könnten die studentisch verwalteten Haushalte der großen Universitäten leicht eine Viertelmillion Euro erreichen. Ist das zu viel Verantwortung? Aus der Universität Freiburg melden sich Studenten zu Wort, denen die geplante Finanzautonomie nicht weit genug geht. Und noch etwas ist umstritten: Soll es eine Pflichtmitgliedschaft aller Studenten in der Verfassten Studierendenschaft geben? Der Gesetzentwurf sieht dies vor – und Sonja Völker findet das richtig.
"Einfach deswegen, weil Studierendenschaft nur dann funktioniert, wenn alle beteiligt sind und dann eben auch alle dadurch vertreten werden."
Angesichts des geringen Interesses vieler Studenten an der Hochschulpolitik kann man tatsächlich vermuten, dass die Verfasste Studierendenschaft nur über eine Pflichtmitgliedschaft funktionieren kann. Doch ist das gerecht? Eine Online-Befragung des Wissenschaftsministeriums zeigt: Viele Studenten wollen keine Beiträge zahlen und lehnen die Verfasste Studierendenschaft sogar ab. Professor Bastian Kaiser fordert deshalb, eine Ausstiegsklausel ins Gesetz aufzunehmen, mit der sich die Studenten der einzelnen Hochschulen bewusst gegen die Verfasste Studierendenschaft entscheiden können.
"Wir wissen aus verschiedenen Hochschulen unserer Hochschulart, dass es solche Anfragen von den Studierenden tatsächlich gibt und das ist meines Erachtens im Gesetzentwurf im Moment noch nicht ausreichend berücksichtigt."
Allgemein hat Kaiser die Beobachtung gemacht, dass das Thema Verfasste Studierendenschaft an den Universitäten und den Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg auf wesentlich mehr Interesse stößt als an den Fachhochschulen und anderen Hochschularten. Er selbst habe seine Studenten auf das Thema hinweisen und sie mit Informationsmaterial versorgen müssen.
"Nach über 30 Jahren wollen wir damit zu normalen Verhältnissen zurückkehren an unseren Hochschulen und den Studierenden eine organisierte Stimme geben, damit sie mit einer demokratisch gewählten Vertretung wirkungsvoll ihre Belange in den Hochschulen einbringen und vertreten können."
Abgeschafft hatte die Verfasste Studierendenschaft CDU-Ministerpräsident Filbinger – das war in den 70ern, als die Universitäten als Brutstätten linker Umtriebe oder gar terroristischer Anschläge galten. Jetzt also wieder mehr Mitsprache, das Recht sich nicht länger nur zu kulturellen oder sozialen Themen äußern zu dürfen, sondern auch zu hochschulpolitischen Belangen. Man sollte meinen, ein solches Recht löse bei den Studenten Euphorie aus. Doch fragt man Tübinger Studenten, ob sie etwas anfangen können mit dem Begriff "Verfasste Studierendenschaft", dann kommt fast unisono:
"Nein – Leider gar nicht – Sagt mir nichts – Ja, is hm äh, nee - Nee gar nicht."
Kein Wunder, denn die Wahlen zu den verschiedenen studentischen Gremien in Baden-Württemberg zeigen immer wieder: Nur 10 bis 15 Prozent aller Studenten interessieren sich für Hochschulpolitik. Zu ihnen gehört Sonja Völker, die an der Universität Tübingen in mehreren studentischen Gremien und auch im Senat sitzt. Sie freut sich darüber, dass im jetzt vorgelegten Gesetzentwurf der politische Einfluss der Studierenden gestärkt wird. Sie könne sich zu vielen Themen äußern, die bislang tabu sind.
"Die Forderung geht dahin, von unserer Seite, dass wir ein allgemein politisches Mandat fordern. So ist es zwar nicht formuliert, aber es geht ein Stück in unsere Richtung in dem Sinne, dass formuliert wird, es geht nicht nur um Dinge, die ganz direkt die Hochschule betreffen, sondern eben auch Dinge, die diese Schnittstelle zwischen Hochschule und Gesellschaft betreffen und das ist schon mal weiter als es mal hieß."
Die Tübinger Studierenden haben in der Vergangenheit außeruniversitäre Gremien geschaffen und konnten so den existierenden Maulkorb umgehen. Sollte der tatsächlich gelockert werden, dann muss sich die Unileitung künftig wohl auf noch mehr Gegenwind aus den Reihen der als recht kampfeslustig geltenden Studenten einstellen.
Inwieweit sich studentische Gremien politisch äußern dürfen, das war ein Knackpunkt bei den Gesprächsrunden, die das Ministerium im Vorfeld des Gesetzentwurfes veranstaltet hat. Ein weiterer war, ob eine Verfasste Studierendenschaft von den Studenten Beiträge einziehen und ob sie ihren Haushalt eigenständig gestalten darf. Viele Hochschulrektoren lehnen das offenbar ab. Professor Bastian Kaiser von der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg, hat an den Gesprächen im Ministerium teilgenommen und warnt:
"Ja zunächst Mal ist ja ne relativ hohe Rochade bei den Studierenden, die bleiben in der Regel ja nicht lange in dieser Funktion, weil sie nicht ewig lange an der Uni sind – normalerweise. Das heißt, sie müssen immer wieder neu anfangen zu lernen, wie man ein solches Unternehmen, eine solche Körperschaft, führt. Und da sind gewisse Regeln einzuhalten. Die Regeln muss man erstmal kennen und muss dann auch wissen, wie die umzusetzen sind. Das ist nicht trivial."
Bei einem Mitgliedsbeitrag von zehn Euro pro Semester könnten die studentisch verwalteten Haushalte der großen Universitäten leicht eine Viertelmillion Euro erreichen. Ist das zu viel Verantwortung? Aus der Universität Freiburg melden sich Studenten zu Wort, denen die geplante Finanzautonomie nicht weit genug geht. Und noch etwas ist umstritten: Soll es eine Pflichtmitgliedschaft aller Studenten in der Verfassten Studierendenschaft geben? Der Gesetzentwurf sieht dies vor – und Sonja Völker findet das richtig.
"Einfach deswegen, weil Studierendenschaft nur dann funktioniert, wenn alle beteiligt sind und dann eben auch alle dadurch vertreten werden."
Angesichts des geringen Interesses vieler Studenten an der Hochschulpolitik kann man tatsächlich vermuten, dass die Verfasste Studierendenschaft nur über eine Pflichtmitgliedschaft funktionieren kann. Doch ist das gerecht? Eine Online-Befragung des Wissenschaftsministeriums zeigt: Viele Studenten wollen keine Beiträge zahlen und lehnen die Verfasste Studierendenschaft sogar ab. Professor Bastian Kaiser fordert deshalb, eine Ausstiegsklausel ins Gesetz aufzunehmen, mit der sich die Studenten der einzelnen Hochschulen bewusst gegen die Verfasste Studierendenschaft entscheiden können.
"Wir wissen aus verschiedenen Hochschulen unserer Hochschulart, dass es solche Anfragen von den Studierenden tatsächlich gibt und das ist meines Erachtens im Gesetzentwurf im Moment noch nicht ausreichend berücksichtigt."
Allgemein hat Kaiser die Beobachtung gemacht, dass das Thema Verfasste Studierendenschaft an den Universitäten und den Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg auf wesentlich mehr Interesse stößt als an den Fachhochschulen und anderen Hochschularten. Er selbst habe seine Studenten auf das Thema hinweisen und sie mit Informationsmaterial versorgen müssen.