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Studentenproteste in London

Kundgebung in Oxford, Aktionen in Liverpool, Stadthallenbesetzung in Deptford. Seit Wochen protestieren Studentinnen und Studenten in England gegen die Haushaltskürzungen der Regierung. Heute der vorläufige Höhepunkt - die nationale Studentengewerkschaft hat zur bislang größten Protestdemo seit Jahrzehnten gerufen und zur Stunde ziehen Zehntausende durch Londons Innenstadt - gegen die drastischen Mittelkürzungen für die Unis und die Verdreifachung der Studiengebühren.

Von Jochen Spengler |
    Der frühere BP-Chef Lord Browne hatte in einem Gutachten vorgeschlagen, die momentan gültige Höchstgrenze von 3920 Pfund im Jahr ganz zu streichen. So weit will die konservativ-liberale Regierung nicht gehen.

    "Wir glauben, dass eine Obergrenze wünschenswert ist",

    erklärt Hochschulminister David Willets im Parlament.

    "Deswegen schlagen wir vor eine Basisgrenze von 6000 Pfund pro Jahr vor. Unter außergewöhnlichen Umständen gibt es ein absolutes Limit von 9000 Pfund. Mehr als das wird keine Universität verlangen können."

    Kritiker aber monieren, dass nicht nur Elite-Unis wie Oxford und Cambridge für begehrte Studiengänge den Höchstbetrag fordern werden. Was Studenten aus wenig begüterten Elternhäusern dazu verleiten dürfte, sich für ein "billigeres" Studienfach zu entscheiden oder es gleich ganz zu lassen.

    Minister Willets rechnet dagegen vor, dass mehr als eine halbe Million Studierende von der Neuregelung profitieren:

    "Momentan müssen Hochschulabsolventen ihre Studiengebühren abzahlen, sobald sie mehr als 15.000 Pfund im Jahr verdienen. Wir werden diese Schwelle auf 21.000 Pfund anheben. Außerdem legen wir ein nationales Stipendienprogramm von 150 Millionen Pfund auf. Dies richtet sich an begabte Studenten aus armen Elternhäusern, um sie zum Studium zu ermutigen und ihren Ansprüchen gerecht zu werden."

    Das überzeugt die Studierenden nicht. Wer die Studiengebühren verdreifache, verdreifache auch die Schulden. Getroffen würden gerade Studenten aus der Mittelklasse, für die es keine Stipendien gebe.

    Tatsächlich weisen Untersuchungen nach, dass ein Studium den Durchschnittshaushalt vor zwei Jahrzehnten noch 113.000 Pfund betragen wird.

    Was viele Studierende mindestens ebenso besorgt macht wie die Studienkosten, ist die Ökonomisierung der Hochschulen. Die stark geschrumpften Staatszuschüsse sollen vor allem Naturwissenschaften, Medizin und Technik zugutekommen. Geisteswissenschaftliche Fächer könnten auf der Strecke bleiben. Schuld daran ist in den Augen vieler vor allem einer: der Chef der Liberaldemokraten und Vizepremierminister Nick Clegg.

    "Als Erstes kämpfen wir gegen jede Aufhebung der Studiengebührengrenze. Konservative und Labourpartei planen, nach der Wahl die Begrenzung von 3000 auf Zigtausende Pfund anzuheben. Wir glauben, das ist falsch. Zweitens wollen wir Studiengebühren insgesamt abschaffen."

    Das hatte Nick Clegg vor der Wahl versprochen und dafür viele Stimmen erhalten. Nun macht er genau das Gegenteil und Aaron Porter, der Vorsitzende der Studentengewerkschaft, hofft auf die Abgeordneten und Hinterbänkler der Liberalen, die vor Weihnachten den Plänen zustimmen sollen.

    "Die Liberaldemokraten sollten sich wirklich schämen. Sie haben ein Manifest unterschrieben und wollten Studiengebühren abschaffen. Sie haben das Studenten und ihren Familien persönlich versprochen. Ich sage Ihnen: Wenn die Liberaldemokraten nicht zu ihrem Wort stehen, werden wir durchs Land ziehen und sie stellen. Das ist absolut unakzeptabel und ein Skandal, der den Zugang in unser Universitätssystem verringert."