Tumult vor dem Hongkonger Verwaltungssitz. Der Regierungschef der Stadt Leung Chun-ying, ein Mann Pekings, tritt aus dem Gebäude. 20 Studenten stürmen auf ihn zu. Bodyguards schreiten ein. Es wird gedrückt und geschubst. Leung flieht zurück ins Gebäude. Die Polizei nimmt Personalien auf. Die Studenten wollen ein Treffen mit Leung erzwingen und von ihm demokratische Wahlen verlangen.
"Wir bitten ihn, heraus zu uns in den Park zu kommen, sich der Öffentlichkeit und den Studenten zu stellen", sagt Alex Chow in die Mikrofone und Kameras der Presse. Er ist der Vorsitzende des Hongkonger Studentenverbandes. "Wenn er sich in den kommenden 48 Stunden nicht zeigt, wird unser Protest eine neue Stufe erreichen."
Das war am Dienstagvormittag. Bislang hat sich Leung nicht gezeigt. Er sagte nur, man werde alle Meinungen in der Bevölkerung berücksichtigen. Die Wahlreform müsse sich aber an den Beschlüssen aus Peking orientieren.
Demokratischer Fortschritt mit Haken
Es geht um die Wahl des Hongkonger Regierungschefs im Jahr 2017. Erstmals sollen die Bürger den sogenannten Chief Executive direkt wählen dürfen. Ein demokratischer Fortschritt im Vergleich zum derzeitigen Verfahren. Und doch eine Riesenenttäuschung für viele Hongkonger. Denn Peking will die Kandidaten, die zur Wahl stehen, vorher aussuchen. Seit Monaten wächst deswegen der Protest in der halbautonomen Stadt, in der anders als im Rest Chinas Presse- und Versammlungsfreiheit herrschen. Jetzt erreicht der Konflikt die heiße Phase.
Seit Montag streiken die Studenten. Tausende von ihnen gehen in dieser Woche nicht in die Hörsäle, sondern protestieren. Sie halten Vorlesungen im Park neben dem Regierungssitz ab, unterstützt von knapp 400 Hochschulmitarbeitern, auch Dozenten und Professoren.
"Ich bin hier, um für echte Demokratie zu kämpfen", sagte diese Studentin. "Diese geplanten Wahlen sind nicht fair, weil die Bürger keine eigenen Kandidaten nominieren können. Dafür müssen wir kämpfen."
Occupy Central
Hongkongs Studenten haben sich zur treibenden Kraft in der Demokratiebewegung entwickelt. Bei allen Protestmärschen der vergangenen Monate fielen die überwiegend jungen Gesichter auf, die Banner und Plakate unzähliger Hochschul-Gruppen. Die Studierenden bilden auch den Kern von Occupy Central. Die Bewegung wurde vom Juraprofessor Benny Tai gegründet. Sie droht damit, das Finanzviertel Hongkongs, Central genannt, mit Menschenmassen zu besetzen und lahmzulegen. Schon in der nächsten Woche könnte es so weit sein. Die Aktivisten machen sich kaum Illusionen. Niemand glaubt ernsthaft, dass Peking jetzt nachgeben wird. Und doch wollen sie protestieren. Occupy Central setzt dabei auf zivilen Ungehorsam - Störung der öffentlichen Ordnung, auch unangemeldete Aktionen - aber friedlich. In voller Länge heißt die Bewegung auch "Occupy Central with Love and Peace".
"Ich bestehe auf dem Prinzip der Gewaltfreiheit. Wir wollen weder Polizisten beschimpfen, noch sie provozieren oder mit ihnen aneinandergeraten. Die folgen doch nur ihren Befehlen. Aber: Ich bin dazu bereit, mich festnehmen zu lassen."
Das sagt Joshua Wong. Er ist 17 Jahre alt, ein Gymnasiast, und einer der bekanntesten Köpfe der Demokratieaktivisten. Hongkongs Jugend hat sich politisiert. Am Freitag wollen auch viele Schüler dem Unterricht fernbleiben.