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Studentenwerk dringt auf BAföG-Erhöhung

In Deutschland hängt es auch heute noch stark von der sozialen Herkunft ab, ob jemand ein Studium aufnimmt. Während von 100 Akademikerkindern 83 eine Hochschule besuchen, sind es nur 23 von 100 Kindern aus Familien ohne akademische Tradition, wie die 18. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW) ergab. DSW-Präsident Rolf Dobischat bezeichnete die Ergebnisse als "beschämend für eine Demokratie".

Moderation: Jörg Biesler |
    Jörg Biesler: Das Deutsche Studentenwerk hat in seiner Sozialerhebung untersucht, unter welchen finanziellen Bedingungen in Deutschland studiert wird. Zusammenfassend könnte man sagen, die Bedingungen sind schwierig. Am Telefon ist jetzt Professor Rolf Dobischat, Präsident des Deutschen Studentenwerks. Guten Tag.

    Rolf Dobischat: Guten Tag, Herr Biesler!

    Biesler: Das Bundesbildungsministerium hat ja reagiert und will nun dafür sorgen, wir haben es vorhin gehört, dass es in Deutschland mehr Akademiker geben wird. 40 Prozent Studienanfängerquote sollen erreicht werden. Und wir haben vorhin den Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, Andreas Storm, gehört, der eine baldige BAföG-Erhöhung in Aussicht stellt. Wird jetzt alles gut?

    Dobischat: Das kann man so nicht sagen, weil. Die BAföG-Erhöhung steht ja eigentlich schon seit Jahren an, und durch Frau Schavan sind ja vor einigen Wochen auch Erwartungen geweckt worden, dass nun auch den Vorschlägen des BAföG-Beirates gefolgt wird, dass eine BAföG-Erhöhung in erheblichem Ausmaß erfolgen soll. Heute hat aber Herr Storm deutlich gemacht, dass frühestens mit einer Erhöhung im nächsten Wintersemester, im übernächsten Wintersemester, zu rechnen ist. Das stimmt mich natürlich nicht gerade freudig.

    Biesler: Das Bundesbildungsministerium, also genauer Herr Storm, stellt ja auch fest in seiner Stellungnahme, dass sich die Chancen auf ein Studium für Arbeiterkinder seit den 80er Jahren insgesamt verbessert hätten. Sie seien jetzt für Beamtenkinder nämlich nur 3,6-mal und nicht mehr 6-mal so hoch. Sie schreiben in Ihrer Stellungnahme, Sie finden das beschämend, dass es eine solche Ungleichheit überhaupt gibt.

    Dobischat: Richtig ist, dass der Anteil der Arbeiterkinder unter den Studierenden, wenn man das soziostrukturell betrachtet, seit der letzten BAföG-Reform im Jahr 2001 gestiegen ist. Das ist ein Erfolg des BAföGs. Nach wie vor ist aber festzustellen, und das ist eigentlich beschämend, dass nach wie vor die soziale Ungleichheit unter den Studierenden im Bezug auf die familiäre Herkunft beziehungsweise das Bildungsniveau im Grunde genommen nach wie vor vorhanden ist, bestätigt worden ist, natürlich als Ausdruck vorgelagerter Bildungsselektion in anderen Bereichen des Bildungswesens. Das ist eigentlich beschämend für eine Demokratie. Denn der Hochschulzugang wird scheinbar nach wie vor privilegierend, hier ist dringend Abhilfe zu schaffen, wenn wir überhaupt an die 40 Prozent, die ja politisches Kalkül sind, herankommen wollen.

    Biesler: Ihre Erhebung berücksichtigt jetzt die Studiengebühren noch überhaupt nicht, die waren nämlich damals, als Sie die Erhebung durchgeführt haben, noch gar nicht eingeführt. Erwarten Sie denn ja jetzt für die Zukunft noch schlimmere Zahlen?

    Dobischat: Also ich denke schon, dass die Studiengebühren, ich kann das nur sozusagen empirisch jetzt nicht belegen mit der Studie, weil die Studie ist ja 2006 vor Einführung der Studiengebühren gemacht worden, ich kann das eigentlich nur so aus meiner persönlichen Erfahrung als Hochschullehrer berichten, ich gehe davon aus, dass die Studiengebühren erheblichen Einfluss auf die Studierneigung haben werden. Denn für viele sind die Studiengebühren mit 83 Euro im Monat eine Barriere, die nicht, vor allen Dingen, wenn das BAföG nicht schnell erhöht wird, dazu führen werden, ein Studium aufzunehmen. Die entscheiden sich für andere Bildungswege, was man gegenwärtig ja auch schon feststellen kann. Denn die Neigung, ins duale System, bei Abiturienten, zu gehen, ist ziemlich hoch.

    Biesler: Was müsste denn nun aus Ihrer Sicht geschehen, um die Situation zu verbessern? Also die Situation wollen Sie ja auch verbessern, nicht nur um den Studierenden, die studieren wollen, bessere Möglichkeiten einzuräumen, sondern auch, um in Deutschland mehr Akademiker von den Hochschulen abgehen zu lassen.

    Dobischat: Auf der einen Seite brauchen wir eine sichere staatliche Studienfinanzierung, die die Bedarfssätze der Studierenden, die ja durchschnittlich bei 770 Euro im Monat liegen, im Grunde genommen zu gewährleisten. Das ist aber nur die eine Seite. Was wir brauchen, ist im Grunde genommen den Ausbau der dritten Säule in unserem Studiensystem, nämlich der sozialen Infrastruktur, das heißt also alles, was damit zusammenhängt, mit Beratung, mit Wohnen, mit Verpflegung et cetera. Hier brauchen wir dringend auch finanzielle Mittel, um diese dritte Säule im Grunde genommen abzusichern. Denn es ist nicht nur eine Frage zusätzlicher Studienplätze, Verbesserung von Qualität der Lehre und natürlich Verbesserung der finanziellen Situation, es ist auch die soziale Infrastruktur, die wichtig ist auszubauen.

    Biesler: Professor Rolf Dobischat, Präsident des Deutschen Studentenwerks, zur sozialen Lage der Studierenden in Deutschland und zu Ansätzen einer Verbesserung. Vielen Dank.

    Dobischat: Danke schön.