Benedikt Schulz: Wir wissen seit einigen Jahren schon: Die Zahl der Studierenden in Deutschland wächst, weil immer mehr junge Leute an die Hochschulen wollen. Und wir wissen natürlich auch, was das bislang für Folgen hatte: überforderte Hochschulen und überfüllte Hörsäle. Das ist alles inzwischen deutlich besser geworden, auch weil Bund und Länder in die Hochschulpakte viel Geld investiert haben. Was sich allerdings nicht gebessert hat und was weiterhin eigentlich irgendwie immer schlimmer wird, das ist die Wohnungslage. Denn die Studierenden müssen ja irgendwo schlafen. Und jedes Semester gibt es die immer gleichen wiederkehrenden Meldungen von Ersties in Turnhallen.
Wohnraum ist knapp und teuer, und wie knapp und wie teuer, das hat jetzt das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln zusammengefasst im aktuellen Studentenwohnpreisindex. Daran mitgearbeitet hat Michael Voigtländer, und der ist am Telefon. Hallo, ich grüße Sie!
Michael Voigtländer: Ja, guten Tag!
Schulz: Also, Herr Voigtländer, wie schlimm ist denn die Lage für Studierende?
Voigtländer: Also gerade in den Großstädten ist die Lage sehr angespannt, die Mieten steigen rasant weiter. Allein in Berlin haben wir eine Mietsteigerung um fast zehn Prozent. Aber auch an anderen Standorten liegt sie deutlich über fünf Prozent. In München zahlt man mittlerweile für eine typische Studentenwohnung über 600 Euro, in Frankfurt sind es 500 Euro, und damit sind die Kosten deutlich gestiegen gegenüber den letzten Jahren.
"Studenten haben es besonders schwer"
Schulz: Also es wird teurer. Das andere Problem ist natürlich, dass man oft gar keine Wohnung findet. Woran liegt das, was sind die Gründe dafür?
Voigtländer: Nun ja, die Großstädte ziehen insgesamt viele Menschen an - nehmen wir das Beispiel Berlin: Viele Zuwanderer kommen aus dem Ausland, kommen aber auch überregional in die Stadt, weil es dort eben einen attraktiven Arbeitsmarkt gibt. Und dann kommen eben die Studenten noch hinzu. Und bei den Studenten muss man auch sehen: Die Zahl der Studenten ist deutlich gestiegen, seit 2010 sind es insgesamt 600.000 Studenten mehr in Deutschland, auch weil es doppelte Jahrgänge gab. Und die Studenten bevorzugen auch große Städte, vielleicht noch einige attraktive Studentenstädte wie Münster. Und dort kommen eben sehr viele Menschen zusammen, die alle um die gleichen kleinen Wohnungen konkurrieren, und dadurch sind die Mieten entsprechend hoch.
Schulz: Und die Studierenden stehen sozusagen am Ende der Nahrungskette.
Voigtländer: Das ist richtig, die Studenten haben es besonders schwer. Wenn wir München uns beispielsweise anschauen: Die Löhne sind dort in den letzten Jahren stark gestiegen. Davon haben die Studenten aber nichts, sondern sie konkurrieren da mit einem zahlungskräftigen Klientel. Und das macht es natürlich noch mal schwieriger.
Muss es immer München sein?
Schulz: Diejenigen, die da jetzt Möglichkeiten hätten, etwas zu tun, sind ja in erster Linie die Kommunen. Was könnten, was müssen die tun?
Voigtländer: Nun ja, es geht in den Großstädten insgesamt darum, den Wohnungsbau anzuregen, mehr Bauland bereitzustellen und auch in den Wohnungsmarkt dahingehend einzugreifen, dass mehr kleine Wohnungen gebaut werden – zum Beispiel über Konzeptvergaben kann man ja das angehen. Man kann auch die Wohnheimplätze fördern, das ist sicherlich auch etwas, was vernachlässigt wurde, gerade angesichts der steigenden Studentenzahlen. Aber es ist natürlich auch so, dass die Studenten sich selber hinterfragen müssen. Muss es immer München sein, muss es Frankfurt sein, wo es ohnehin schon teuer ist? Unsere Untersuchung zeigt ja auch, es gibt durchaus noch günstige Alternativen, gerade in Ostdeutschland, aber auch im Ruhrgebiet, und dort gibt es ja auch sehr attraktive Hochschulen.
Schulz: Müssen sich Studierende aber vielleicht auch von der Vorstellung verabschieden, immer in der Nähe der Uni und damit innenstadtnah zu wohnen?
Voigtländer: Das ist sicherlich auch ein Thema. Sobald man etwas weiter rausgeht, wird es natürlich günstiger. Aber dann geht natürlich auch viel von dem studentischen Flair verloren. Man möchte ja gerade auch zentral leben, man möchte ja nah an der Universität sein. Aber wie gesagt, da müsste man dann vielleicht eher überprüfen, ob man dann andere Standorte wählt, wie beispielsweise Jena, wie beispielsweise auch Duisburg oder andere, wo es dann eben noch deutlich günstiger ist und wo man dann auch wieder relativ nah an der Universität leben kann.
"Chance für strukturschwache Regionen"
Schulz: Was könnte der Staat tun? Könnte der nicht auch einfach mehr BAföG zahlen, damit die Studierenden sich teure Wohnungen leisten können?
Voigtländer: Das BAföG ist sicherlich ein Thema, das ist sicherlich eine Stellschraube. Aber man muss einfach sehen, die Zahl der Wohnungen ist ja einfach knapp. Wir sehen, dass Berlin um 40.000 Menschen pro Jahr wächst, und dann werden eben nur 10.000, 15.000 Wohnungen gebaut. Das reicht eben nicht, wenn überwiegend kleine Haushalte dazukommen, das heißt, auch mit der Zahlungsfähigkeit löst sich der Wohnungsmangel nicht auf.
Ich denke, es ist eine gewisse Chance in der jetzigen Situation für strukturschwache Regionen da, denn Hochschulen sind oftmals auch ein Motor für die wirtschaftliche Entwicklung. Und wenn es gelingt, auch in der, ich sag mal, Peripherie oder abseits der üblichen Metropolen Hochschulen zu entwickeln und starkzumachen, dann kann das eben auch ein Impuls für die Region selbst bieten.
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