Weihnachtliche Vollversammlung auf dem Campus der Technischen Universität Berlin. Die Männer tragen Wattebärte, rote Pudelmützen und knöchellange rote Mäntel, die Frauen tragen lange weiße Kleider und wippende Flügel aus weißen Federn auf dem Rücken. Als einer der Organisatoren im "Weihnachtsmannbüro" ist Germanistikstudent Lars Dassow ein Profi im Weihnachtsmanngeschäft. Er weiß, was auf keinen Fall passieren sollte.
"Namen verwechseln, Kostüm sitzt nicht richtig, man vergisst ein Lied zu singen, vergisst sein goldenes Buch in der Familie, das geht auch gar nicht, dann kannst du die ganze Familie hinterher vergessen."
Einige hundert Weihnachtsmänner und Christkinder besuchen an Heilig Abend Familien in Berlin und im Umland, so ist es seit 1949 Tradition bei der studentischen Arbeitsvermittlung der Berliner "Heinzelmännchen". Lars Dassow juckt sich unter dem weißen wattigen Bart, der fast sein ganzes Gesicht bedeckt. Auch Rute und Glocke sind selbstverständlich Teil der Berufskleidung. Der Zeitplan ist eng, etwa 15 Minuten haben die studentischen Weihnachtsbotschafter pro Familie. Da heißt es vorher, Route einstudieren und mit den Eltern in den Weihnachtsfamilien telefonieren. Nur wer viel über die zu beglückenden Kinder weiß, kann die frohe Botschaft überbringen ohne aufzufliegen.
"Natürlich improvisiert man, aber da braucht man viel Talent für und wer sich drauf verlässt, ach am Heilig Abend, da mach ich das schon, da kann man auch gut scheitern. Der Ablauf muss im Kopf sein, wie komme ich rein, was sage ich zur Begrüßung, wann lese ich aus dem goldenen Buch, wann verteile ich die Geschenke, das muss man alles gut im Kopf haben und sich darauf vorbereiten, also üben, üben, üben."
Die Nachfrage ist jedes Jahr groß, das Kontingent der Weihnachtsmänner und Christkinder reicht meistens nicht aus, um alle Wünsche zu befriedigen. Ein Grund ist die Bologna Reform, vermutet Lars Dassow. Seit es Bachelor und Masterstudiengängen gibt, haben Studierende einen so engen Zeitplan, dass vielen für ernstgemeinte Weihnachtsaufträge keine Zeit mehr bleibt.
"Für die, die drauf angewiesen sind zu arbeiten, ist es nach der Bolognareform mit den Stundenplänen schon manchmal ganz schön schwierig, das Studium auch in der Zeit zu schaffen."
Die Zahl seiner Semester will er lieber nicht preisgeben, dafür ist sein Heilig Abend bereits ausgebucht. Erst, wenn er zehn fremde Familien besucht hat, wird Lars Dassow bei der eigenen Familie zur Bescherung erscheinen.
Angela Jehring in ihrem langem weißen Kleid trägt wie selbstverständlich kleine wippende Flügel aus weißen Federn auf dem Rücken. Die Psychologiestudentin kann Heilig Abend kaum erwarten. Wer an diesem Abend Familien besucht, erlebt viele Weihnachtsfeiern, erzählt sie mit leuchtenden Augen.
"Man hat Arbeiterfamilien, man ist bei Botschaftern, also man hat so das ganze Spektrum. Man kommt in Villen, in die man sonst wahrscheinlich nie reingekommen wäre und sieht ganz verschiedene Bräuche. Also es gibt die Kinder die überhäuft werden mit Geschenken, dann gibt es Familien die ganz klassisch beschenken, mit nur einem Geschenk oder selbst gebastelten Geschenken. Also das ist Wahnsinn, was für unterschiedliche Bräuche existieren."
Als Christkind steht sie zu ihrer Sucht. Seit ihrem ersten Auftritt vor über zehn Jahren möchte sie die Engelskleidung am liebsten nicht mehr ablegen. So ist aus dem Studentenjob eine ganzjährige Herzensangelegenheit geworden.
"Also die ersten Jahre bin ich immer in ein schwarzes Loch gefallen, wenn Weihnachten vorbei war weil ich dachte, oh, jetzt braucht mich ein Jahr lang keiner mehr. Dann sagte eine Freundin, probier´s doch mal, am Valentinstag anzubieten. Das habe ich gemacht, das hat gute Resonanz gefunden und seitdem gibt es die Agentur."
Im Weihnachtsbüro des Berliner Studentenwerks können ab sofort keine weiteren Aufträge angenommen werden. Hunderte studentische Weihnachtsmänner, Engel und Christkinder werden an Heilig Abend wieder unterwegs sein. Einige hundert Euro sind der Lohn, doch es springt noch mehr raus, meint Psychologiestudentin Angela Jehring.
"Also ich glaub, ich habe durch den Job fast mehr gelernt als im Studium."