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Studie
100.000 Jugendliche abhängig von sozialen Netzwerken

Instagram, Snapchat und vor allem Whatsapp - Jugendliche nutzen soziale Netzwerke extrem häufig und lange. Eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass das für einige nicht nur Vorteile hat: Sie werden süchtig danach. Doch wann wird aus einem Vielnutzer ein Abhängiger?

Von Manfred Götzke |
    Junges Paar umarmt sich - abgelenkt von ihren Smartphones
    Um herauszufinden, wann aus einem Vielnutzer ein Abhängiger wird, haben sich die Forscher an einem Kriterienkatalog orientiert, mit dem Psychologen Internet-Spiele-Sucht diagnostizieren. (imago / Gary Waters)
    "Leg doch mal das Handy weg, du bist doch Facebook-süchtig." - Dieser von genervten Eltern lapidar daher gesagte Satz trifft auf manche Jugendliche tatsächlich zu: Eine Studie von DAK und Hamburger Uniklinik kommt zu dem Ergebnis, dass soziale Netzwerke süchtig machen können. Und zwar im klinischen Sinne. 2,6 Prozent der Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren leiden an einer "Social Media Disorder": Sie sind von sozialen Medien abhängig. Das sind rund 100.000 junge Menschen, sagt DAK-Chef Andreas Storm.
    "Von denen zeigen immerhin ein Drittel Merkmale einer depressiven Erkrankung. Diese Größenordnung von 2,6 Prozent der Jugendlichen, die bereits heute ein Suchtverhalten aufweisen, ist auf der einen Seite beängstigend und zeigt einen Handlungsbedarf auf. Auf der anderen Seite ist die Chance da, dass wir jetzt rechtzeitig gegensteuern können, um einen weiteren Anstieg vermeiden zu können."
    Ein zentrales Ergebnis der Untersuchung: Jugendliche nutzen soziale Netzwerke extrem häufig. Jeden Tag im Schnitt knapp drei Stunden. Mädchen etwas mehr als Jungen, Ältere mehr als Jüngere. Die Forscher verstehen unter sozialen Netzwerken Messenger-Dienste wie Whatsapp genauso wie Netzwerkseiten wie Facebook oder Instagram.
    Zwei Drittel der Zeit bei Whatsapp
    Zwei Drittel der Zeit verbringen die Jugendlichen dabei mit Whatsapp, weit abgeschlagen folgen Instagram, Snapchat und Facebook. Und das sind die Werte für die Jugendlichen, die noch nicht abhängig sind, sagt der Hamburger Jugendpsychiater Rainer Thomasius.
    "In der Gruppe der Süchtigen kommt nochmal fast eine Stunde obendrauf als bei den Nicht-Betroffenen. Bei den Betroffenen, besonders alten - besonders alt bedeutet hier 16 oder 17 Jahre - haben haben wir dann eine Nutzungszeit von fünf Stunden nur für die sozialen Medien. Da kommen oben noch mal drauf Youtube eine Stunde zusätzlich, und es kommen oben drauf auch noch mal die Nutzungszeiten für die Computerspiele."
    Thomasius will die sozialen Netzwerke keineswegs verteufeln. Sie seien gut und sinnvoll für die Identitätsentwicklung - für die meisten jungen Leute jedenfalls. Die profitieren davon, auf Instagram oder Facebook in kürzester Zeit unterschiedliche Selbstbilder auszuprobieren und dafür Likes oder Disklikes von ihren Social-Media-Bekannten zu bekommen.
    "Das ist ein großer Vorteil dieser sozialen Medien. Auf der anderen Seite kann dann aber auch einseitige Kontaktpflege über die sozialen Netzwerke im Vordergrund stehen."
    Sozialleben nur noch über soziale Netzwerke
    Denn bei erstaunlich vielen Jugendlichen laufe das Sozialleben nur noch über soziale Netzwerke: Fast jeder Fünfte kommuniziert mit allen oder den meisten Freunden ausschließlich übers Netz. Um herauszufinden, wann aus einem Vielnutzer ein Abhängiger wird, haben sich die Forscher an einem Kriterienkatalog orientiert, mit dem Psychologen Internet-Spiele-Sucht diagnostizieren.
    "Da geht es um die gedankliche Vereinnahmung durch soziale Netzwerke, um das Auftreten von Entzugserscheinung, wenn kein Zugang zu den Netzwerken mehr besteht, um Toleranz, was meint, dass immer mehr konsumiert werden muss im Laufe der Zeit, der Kontrollverlust bei den Betroffenen."
    Was die Forscher herausfanden: Jeder dritte Jugendliche nutzt oft soziale Netzwerke, um nicht an unangenehme Dinge zu denken. Und mehr als jeder Sechste nutzen sie häufig heimlich, kann damit nicht aufhören oder ist unglücklich, wenn er nicht whatsappen oder snapchatten kann. Treffen mehrere dieser Aussagen auf die Jugendlichen zu, gehen die Forscher von einer problematischen Nutzung aus. Die Konsequenzen sind heftig.
    "Leistungseinbußen in der Schule, zunehmende Konflikte im Elternhaus, Schlafstörungen. In dem Moment, wo Regulierungsversuche von Seiten der Eltern dann eingeführt werden, kommt es zu heftigsten Auseinandersetzungen, mitunter zu handgreiflichen Auseinandersetzungen, weil die Emotion so stark ist und der Drang ins Netz so ausgeprägt, dass dann auch was zu Bruch gehen kann."
    Eltern müssen Vorbilder sein
    Dass es dazu gar nicht erst kommt, könnten letztlich auch nur die Eltern selbst verhindern, sagt Marlene Mortler, die Suchtbeauftragte der Bundesregierung.
    "Regeln aufstellen im Familienleben, Vorbild sein: Ich kann nicht meine Kinder schimpfen und sagen, geh weg von dem Ding und hör jetzt endlich auf zu chatten, und gleichzeitig sitzt die Familie am Abendbrottisch oder am Mittagstisch, und Vater und Mutter machen auch nix anderes. Das eine ist der technische Umgang, da sind Kinder häufig eben fitter als ihre Eltern, das andere ist aber auch zu wissen, dass diese Medien nicht mich beherrschen dürfen, sondern dass ich diese Medien beherrschen muss."
    Mortler würde sich allerdings auch wünschen, dass die Netzkonzerne, die hinter den populären Diensten stehen, sich an der Suchtprävention beteiligen, zum Beispiel mit zeitlichen Filtern und Sperren. Doch sie geht nicht davon aus, dass das in näherer Zukunft geschieht, da ist sie Realistin genug.
    "Es ist in der Tat so, dass Plattformen, die aus dem Ausland betrieben werden, schwer von uns zu fassen sind."