Stephanie Gebert: Auslandserfahrung macht sich nicht nur gut im Lebenslauf bei künftigen Bewerbungen. Sie bringt auch persönlich weiter. Deshalb entscheiden sich weltweit Millionen Arbeitnehmer ins Ausland zu gehen, entweder dauerhaft oder für eine begrenzte Zeit. Wann haben sie ihrer Wahlheimat Fuß gefasst und fühlen sich dort Zuhause? Mit diesen Fragen hat sich das Netzwerk Internations beschäftigt. Es hatte gerade wieder rund 18.000 seiner Mitglieder gebeten, einzuschätzen, wie wohl sie sich in ihrer neuen Heimat fühlen. Mehr als 40 Aspekte wurden abgefragt – zu den Karriereaussichten zum Beispiel oder der Eingewöhnung und den Bedingungen für Familien und Lebenshaltungskosten. Herausgekommen ist ein Ranking, und da schneidet Deutschland 2018 deutlich schlechter ab als in früheren Jahren.
Malte Zeeck ist Mitbegründer von Internations. Wir sprechen in diesen Tagen mit Blick auf die Ereignisse in Chemnitz viel über Rechtsradikalismus und damit geht ein bestimmtes Bild von Deutschland ins Ausland. Und genau dieser Aspekt – wie willkommen können sich ausländische Arbeitnehmer hier bei uns fühlen – scheint für Expats tatsächlich eine wichtige Rolle zu spielen.
Malte Zeeck: Leider schneidet Deutschland sehr schlecht ab darin, sich mit der lokalen Bevölkerung anzufreunden. 56 Prozent der Studienteilnehmer in Deutschland finden es schwer, sich mit Deutschen anzufreunden. Das ist, verglichen mit den 36 Prozent weltweit ein wirklich negatives Ergebnis.
Gebert: Was führt außerdem dazu, dass sie sich hier nicht wohlfühlen oder nicht willkommen fühlen?
Zeeck: Es ist auch grundsätzlich die Freundlichkeit, die bemängelt wird. Nur 41 Prozent beschreiben die deutsche Bevölkerung generell als freundlich, was, verglichen mit einem globalen Durchschnitt von 69 Prozent auch wieder ein sehr negatives Ergebnis ist. Wenn man aber vor allem darauf schaut, wie die Einstellungen der Deutschen gegenüber Ausländern wahrgenommen wird, dann sagen eigentlich nur 13 Prozent, dass diese sehr freundlich ist. So sagt zum Beispiel ein Studienteilnehmer aus den USA: "Die Deutschen sind generell negativ und unfreundlich zu Menschen, die sie nicht kennen. In meiner Heimat sind die Menschen sehr nett und offen gegenüber Fremden, aber hier nicht. Manchmal finde ich das sehr traurig." Das ist also eine ganz typische Stimme, die wir hier mitbekommen haben.
"Da müssen alle mit anfassen"
Gebert: Daran würde ja auch erst mal das geplante Einwanderungsgesetz der Politik nichts ändern. Also, wer ist dann gefragt aus Ihrer Sicht? Die Unternehmen, müssen die mehr Willkommenskultur implementieren? Die Zivilgesellschaft am Ende, also wir alle?
Zeeck: Ich glaube, da müssen alle mit anfassen. Zum einen geht es um die Zivilgesellschaft. Jeder kann etwas tun, jeder kann seine eigene Einstellung überprüfen. Wie freundlich und aufgeschlossen man auf ausländische Mitbürger zugeht, wenn sie neu ins Land kommen. Sei es direkt am Arbeitsplatz, wenn man Kollegen aus dem Ausland hat, die dort neu anfangen, wie offen man für das Gespräch mit denen ist, wie offen man vielleicht auch da auf sie zugeht und sie vielleicht auch im privaten Kontext kennenlernen möchte. Das ist eine ganz wichtige Komponente.
Ich glaube, die Regierung kann auch einiges dafür tun, dass es einfacher ist, überhaupt Menschen aus anderen Ländern hier nach Deutschland zu bringen, indem es einfacher gemacht wird für die Unternehmen, diese zu rekrutieren, die entsprechenden Arbeitsgenehmigungen zu bekommen. Das heißt also, es geht nicht nur um die Zivilgesellschaft, auch durchaus um die Regierung und die entsprechenden Unternehmen.
Gebert: Damit wir mal so einen Vergleich haben, in welchen Ländern fühlen sich Expats denn besonders wohl, und woran liegt das dann?
Zeeck: Traditionell schneiden in dieser Kategorie sehr gut die südlichen und auch lateinamerikanischen Länder ab, denn die Bevölkerung in Ländern wie zum Beispiel Mexiko, Costa Rica, aber auch in Europa, Spanien, Italien, Portugal wird in der Regel als sehr viel warmherziger, aufgeschlossener gegenüber Ausländern wahrgenommen. Und das ist ein Teil der Erklärung dafür, dass sich in diesen Ländern die Menschen sehr viel schneller einfach zu Hause fühlen. Jetzt ist es sicherlich auch negativ, dass die politische Diskussion in Deutschland, aber auch in den Nachbarländern wie in Österreich und der Schweiz, gerade was das Thema Migration angeht, in den letzten Jahren die Stimmung deutlich verschärft hat gegenüber Ausländern. Und das führt natürlich auch dazu, dass sich Ausländer in diesen Ländern deutlich unwohler fühlen.
"Deutschland schneidet bei der digitalen Infrastruktur sehr schlecht ab"
Gebert: Ein neuer Aspekt, den Sie in diesem Jahr abgeklopft haben, ist die digitale Infrastruktur in den Ländern, und man muss sagen, durch diese neue Kategorie ist Deutschland in Ihrem Ranking deutlich abgeschmiert. Das liegt aber nicht nur am durchaus langsamen Netz, wenn ich auf dem Land unterwegs bin in Deutschland, oder?
Zeeck: Nein, ganz und gar nicht. Wir schauen bei der digitalen Infrastruktur auf verschiedene Faktoren, zum einen ist es für Ausländer ganz besonders wichtig, dass man Behördengänge und Verwaltungsangelegenheiten auch online erledigen kann. Wie einfach ist es zum Beispiel, eine lokale Handynummer zu bekommen oder zu Hause schnellen Internetanschluss zu bekommen? Wir schauen auch darauf, wie leicht es ist, bargeldlos zu bezahlen oder tatsächlich unbeschränkten Zugang zu Onlineangeboten zu haben. Und Deutschland schneidet leider bei der digitalen Infrastruktur sehr schlecht ab, nur auf Platz 53 von 68 Ländern, die in das Ranking mit eingeflossen sind.
Viele Teilnehmer finden das sehr negativ, dass sie in Deutschland an vielen Stellen immer nur mit Bargeld bezahlen können. Und das andere ist auch das Thema schneller Internetanschluss. Auch hier erzielt Deutschland genauso schlechte Ergebnisse wie zum Beispiel Südafrika oder die Türkei. Nur 29 Prozent bewerten diesen Faktor wirklich sehr gut. Hier sagt ein Teilnehmer: "Das Internet-Netzwerk ist primitiv selbst im Vergleich mit Moldawien."
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.