Deutschland ist nur der Zahlmeister in Europa? Von wegen. Das ist nicht das Bild, das die meisten Deutschen vom eigenen Land haben. Das geht zumindest aus einer Studie der Heinrich-Böll-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Progressiven Zentrum hervor, die unserem Hauptstadtstudio vorliegt. 5000 Personen wurden online für die repräsentative Studie, die von einer qualitativen Untersuchung mithilfe von Fokusgruppen begleitet wurde, befragt.
"60 Prozent der Befragten haben gesagt, der deutsche Beitrag zum EU-Haushalt sei nicht zu hoch. Das sagt uns erstmal, die Mehrheit der Deutschen fühlt sich nicht als Zahlmeister Europas."
Sagt Politik- und Kommunikationsberater Johannes Hillje, einer der beiden Autoren der Studie. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich: Die meisten - 51,1 Prozent - halten die Beitragshöhe momentan für richtig, mehr als ein Drittel hält sie für zu hoch, nur ein kleiner Teil von rund 10 Prozent für zu niedrig.
Überwiegend positives Bild von der EU
Allerdings, offenbar kann sich so mancher sogar Mehrausgaben vorstellen - zumindest, wenn es um bestimmte Bereiche geht: Platz eins belegt dabei der Klima- und der Umweltschutz. Etwas mehr als ein Viertel gab an, es am ehesten zu begrüßen wenn Deutschland und die anderen EU-Länder dafür mehr Geld ausgeben würden. Auf Platz zwei und drei folgen dann Bildung, Forschung und Innovation mit rund 21 Prozent und Verteidigung mit rund 18 Prozent.
Ganz grundsätzlich sehen die Deutschen die Europäische Union - wenige Wochen vor der Europawahl - eher positiv. Für rund drei Viertel überwiegen die Vorteile. Das gilt, laut Studie, sowohl für den wirtschaftlichen Nutzen, den rund 66 Prozent in einer EU-Mitgliedschaft sehen, aber auch noch für einen weiteren Aspekt:
"Die Deutschen sehen den Nutzen der EU-Mitgliedschaft in erster Linie politisch und in zweiter Linie wirtschaftlich. 77 Prozent sind der Meinung, dass Deutschland seine politischen Ziele eher mit als ohne die EU erreichen kann."
So die Studienautorin Christine Pütz von der Heinrich-Böll Stiftung. Sie sagt auch, ein überraschendes Ergebnis der Studie sei gewesen, "wie deutlich sich die deutschen Bürgerinnen und Bürger für mehr Engagement Deutschlands in Europa einsetzen".
Meinungsgefälle zwischen Stadt und Land
Tatsächlich sagen mehr als drei Viertel, Deutschland sollte sich aktiver in die Europäische Union einbringen. Allerdings sollte dies dann von einem Miteinander geprägt sein - so geht es zumindest aus der Studie der Böll-Stiftung hervor. So wünschen sich 75 Prozent, dass Deutschland sich in Zukunft mehr kooperativ den anderen EU-Partnern gegenüber verhält - nur rund ein gutes Fünftel hingegen möchte, dass Deutschland eine dominantere Rolle einnimmt. Aber die positive Einstellung zur EU ist nicht überall in Deutschland gleich. Unterschiede gibt es zum Beispiel, nach Schulabschluss und Wohnort. Studienautor Hillje spricht hier von einer Spaltung...
"…hinsichtlich des Glaubens an den wirtschaftlichen Nutzen der europäischen Union für Deutschland. Also der Nutzen scheint mehr bei den Menschen in der Stadt anzukommen und bei den Menschen mit höherer Bildung."
EU-Skeptiker nur bei AfD- und FDP-Anhängern in der Mehrheit
Das sei auch, meint Hillje, ein Zeichen wohin man bei Investitionen schauen müsse - er nennt als Beispiele Infrastruktur oder auch Forschung und Bildung. Aber auch parteipolitische Unterschiede zeigt die Studie. So sehen AfD-Anhänger als einzige Gruppe mehr Nach- als Vorteile durch die EU. In dieser Gruppe meinen auch rund 91 Prozent, Deutschlands Beiträge in den EU-Haushalt seien zu hoch, ebenfalls eine relative Mehrheit der FDP-Anhänger, rund 48 Prozent empfindet dies so. Bei den Anhängern der anderen Parteien, Union, SPD, Grüne und Linke überwiegt der Anteil derjenigen, die den Beitrag nicht für zu hoch halten.