"Da hört man wirklich noch so diesen unberührten Sound des Ozeans. Der wirklich teilweise sehr laut ist, wenn da so Stürme über das Meer ziehen oder wenn zwei Eisberge kollidieren, dann wird es da unten wirklich laut. Dann wird es auch mal ganz leise. Und diese Variation da unten aufzuzeichnen, das haben wir jetzt gemacht, bei dieser Studie im Südpolarmeer."
Zwei Mal ist Sebastian Menze mit der Polarstern, dem Forschungseisbrecher des Alfred Wegner Institutes für Polar und Meeresforschung, in die Antarktis gefahren. Mit an Bord: Unterwasser-Soundrekorder. Auf 66 und 69 Grad Süd, knapp nördlich der Antarktis, werden die Rekorder im Jahr 2008 im Meer versenkt. In 200 Meter Tiefe hängen die Geräte an langen Ketten. Alle vier Stunden nehmen sie fünf Minuten lang Geräusche auf.
"Unter Wasser ist die Schallgeschwindigkeit praktisch drei Mal so schnell wie in der Luft. Und die Absorption(*) ist deutlich niedriger, das heißt, man hört noch Geräuschquellen, die deutlich weiter weg sind. Man kann sich das so vorstellen, dass der Ozean akustisch gesehen so eine Art gigantische Kathedrale ist."
Audiomaterial von drei Jahren
Die Analyse der ersten drei Jahre Audiomaterial zeigt, wie sich diese Soundkathedrale über die Zeit verändert. Und weil in der Antarktis kaum Schiffe fahren, hört man auch wirklich nur Natur.
"Das Eis hat einen ganz starken Einfluss auf die Geräuschkulisse der Antarktis. Je Größer diese Eisfläche ist und je dicker, desto leiser wird es."
Im Sommer wird der Klang des Ozeanes hauptsächlich von Wind und Wellen dominiert. Aber wenn die Antarktis im Winter zufriert, wird es leise unter Wasser. Dann kann man den Unterhaltungen der Meeresbewohner lauschen. Dem tiefen Wummern der Blauwale zum Beispiel.
"Also unter Walisch stellt man sich wahrscheinlich immer Buckelwalisch vor, so: Sprichst du Walisch?, von "Findet Nemo". Aber eigentlich gibt es noch ganz viele andere Arten von Walisch."
Gerade bei den größeren Vertretern, zum Beispiel den Finnwalen oder den Blauwalen, verständigen sich die Populationen über gigantische Entfernungen.
"Das heißt, die kommunizieren also auf einer Skala, als wenn wir mal eben von München nach Berlin rufen würden."
Die Wasseroberfläche und der Meeresboden reflektieren den Schall der Walrufe. Auf weiter Strecke werden die Töne dadurch verzehrt und verfremdet. Im Gegensatz zur Kurzstreckenkommunikation der Buckelwale, sind die Töne von Blau- und Finnwalen deshalb sehr einfach und tief-frequent. So funktioniert die Kommunikation über weite Distanzen am besten.
"Die Finnwal der macht zum Beispiel nur bum, bumbum."
Aus der saisonale Variation der aufgenommen Rufe ziehen die Wissenschaftler Erkenntnisse über das Wanderverhalten der Wale. So scheint der Blauwal das ganze Jahr in der Antarktis zu leben, Finnwale dagegen nur für ein paar Monate. Einen überraschenden Fund machten die Wissenschaftler bei der Auswertung der Zwergwal-Kommunikation:
"Das wir halt bei den antarktischen Zwergwalen einen Tag-/Nachtrhythmus feststellen konnten, im antarktischen Winter, wo es halt eigentlich mehr oder weniger die ganze Zeit dunkel ist."
Die Kommunikation der Wale
Der Zwergwal wird auch Mink- oder Minkewal genannt. Trotz der ständigen Dunkelheit im antarktischen Winter waren seine Rufe nachts wesentlich prägnanter als tagsüber. Auf den Aufnahmen des Unterwasser-Rekorders klingt das dann so.
Durch Vergleiche mit Daten anderer Wissenschaftler stießen Sebastian Menze und seine Kollegen auf die vertikalen Wanderungen des Zooplanktons. Diese kleinen Krebstiere sind die Hauptnahrung des antarktischen Zwergwals. Nachts steigen sie aus den Tiefen an die Oberfläche.
"Und das passt halt zeitlich und räumlich genau mit diesem Rhythmus den wir bei den Minkewalen hören."
Wenn das Plankton nachts an der Oberfläche ist, rufen die Wale mehr. Wieso das so ist, wissen die Wissenschaftler aber noch nicht genau. Vielleicht haben die Wale durch das reichhaltige Nahrungsangebot mehr Energie für die Rufe, vielleicht wollen sie paarungswillige Partner anlocken. Sebastian Menze hofft, dass man in Zukunft diese Fragen beantworten kann.
"Es sind jetzt noch deutlich mehr Geräte da unten verankert. Da wird in den nächsten Jahren sicherlich noch einiges an interessanten Ergebnissen kommen."
Bis es soweit ist, sind die Aufnahmen aber schon ein guter Referenzwert dafür, wie ein weitgehend unberührter Ozean klingen kann.
(*) Anm. d. Red.: In der Transkription des O-Tons war an dieser Stelle irrtümlich von "Adsorption" die Rede, richtig ist aber der Begriff "Absorption".