Frauenfußball
Studie vermutet enormes Potential

Über Zukunftsszenarien für den Frauenfußball haben sich 84 Expertinnen und Experten in einer Studie den Kopf zerbrochen. Eine der Einschätzungen: Es könnten bis zu dreimal so viele Fans erreicht werden. Wirtschaftswissenschaftler Sascha Schmidt erklärt im Dlf die von ihm geleitete Studie.

Sascha Schmidt im Gespräch mit Matthias Friebe |
Die Fußballerinnen des FC Bayern München recken den Supercup in die Höhe
Die Deutsche Fußball Liga (DFL) hat in diesem Sommer erstmals seit 1997 wieder einen Supercup der Frauen austragen lassen. Am Ende jubelten die Münchnerinnen über ein knappes 1:0, Wolfsburg ging leer aus. (IMAGO / Jan Huebner / IMAGO / Hendrik Gräfenkämper)
Wie sieht die Frauen-Bundesliga der Zukunft aus? Diese Frage erscheint bei erster Betrachtung ein wenig abstrakt, schließlich ist der Begriff Zukunft ziemlich dehnbar. Eine Delphi-Studie des Zentrums für Sport und Management (CSM) der WHU - Otto Beisheim School of Management hat nun aber einen klaren Rahmen gesetzt und den Blick in die Glaskugel gewagt: Laut der Studie "Football but better? Professional Women's Football in Germany by 2031" stehe der professionelle Fußball der Frauen in Deutschland und Europa vor einem enormen Wachstum.
Ein zentraler Schluss der Studie: Bis zum Jahr 2031 könnte sich die Gesamtzahl der Fans mindestens verdreifachen. Sascha Schmidt, Autor der Studie, erläuterte im Deutschlandfunk-Interview: "Wir prognostizieren das nicht, sondern wir haben Zukunftsbilder bewertet mit 84 Expertinnen und Experten, um den Frauenfußball im Jahr 2031 zu beurteilen. Nach Ansicht der Expert:innen erscheint eine Verdreifachung der Fanbasis und des Sponsoring-ROI [Return on Investment, z. dt.: Rendite aus einer Investition, d. Red.] realistisch."

Welche drei Fangruppen für den Frauenfußball Erfolg versprechen

Das Expertengremium der Studie bestand aus verschiedenen Gruppen: "Medienvertreter, Klubvertreter, Vertreterinnen von Ligen und Verbänden, Sponsoren, aber auch Dienstleister, Athleten und Fanvertreter bis zu Professoren", führt Schmidt aus.
Die Fachleute seien laut Schmidt zu dem Schluss gekommen, dass ein Großteil des Wachstumspotentials des Frauenfußballs darin liegt, "ganz andere, vor allem jüngere Fangruppen erschließen kann und damit gar nicht mal den Herrenfußball kannibalisiert", betonte der Professor.
So seien vor allem drei Zielgruppen für den Frauenfußball zukünftig erfolgversprechend: "Es gibt Fans, die den Frauenfußball aufgrund der besonderen Nähe zu den Spielerinnen, der weniger gewalttätigen Atmosphäre etc. schätzen. Dann gibt es Fans, die eigentlich jede Form von Fußball, auch geschlechtsunabhängig, schauen. Und Fans von Männerteams, die auch ein Interesse für den Frauenfußball entwickeln."

Investments weiter dringend notwendig

Allerdings sei eine entsprechende Entwicklung natürlich kein Selbstläufer. Schmidt machte darauf aufmerksam: "Das macht bewusste Investitionen erforderlich. Aus dem operativen Geschäft wird der Frauenfußball dieses Wachstum nicht erwirtschaften können." Auch die Fußball-Bundesliga der Frauen ist noch ein Zuschussgeschäft, wenngleich die Gewinnzone näher rücken mag.
"Wir sehen den Frauenfußball an einer Wegkreuzung: Wo geht's wirklich hin? Das eine Szenario ist, dass der Frauenfußball weiterhin die kleine Tochter des Herrenfußballs bleibt – und damit weit unter dem Potential, das im Frauenfußball steckt. Die andere Variante ist, dass Frauenfußball wirklich, sagen wir mal, als eine neue Sportart, ein neues Sportspiel begriffen wird und sich dann erheblich vom Männerfußball differenziert."

Dominanter Herrenfußball ist "Fluch und Segen"

Die ungleichen Situationen des Frauen- und Männerfußballs, der Aufbau oder die Aufnahme von Teams unter dem Dach eines Männervereins (z.B. 1. FFC Frankfurt, jetzt Eintracht Frankfurt) oder die Co-Existenz mit eigenen Strukturen (wie etwa bei der SGS Essen oder Turbine Potsdam), sind immer wieder Themen, wenn es um die zukünftige Entwicklung geht. Im Trend liegt derzeit die erste Variante.
Schmidt, Leiter des Zentrums für Sport und Management an der WHU - Otto Beisheim School of Management, sieht dabei Chancen und Risiken: "Ich sage es mal so: Der relativ dominante Herrenfußball in Deutschland ist Fluch und Segen zugleich für den Frauenfußball. Segen, weil man hat eine bestehende Infrastruktur, Best Practices, man weiß, wie ein Fußballspiel inszeniert werden muss, um Leute anzuziehen und eine Fan-Community zu erreichen. Der Fluch ist gleichzeitig, wenn man sich nicht differenziert davon, man eben einfach die kleine Tochter bleiben und nicht die Zielgruppen erschließen wird, die das Potential ausmachen."

jti