Es ist eine ungewöhnliche Frage, die selbst Lise Klaveness etwas überrumpelt - ausgerechnet sie, die als Präsidentin des Norwegischen Fußballverbandes weltweit für ihre Schlagfertigkeit in der FIFA bekannt geworden ist.
"Die norwegische Frauenfußball-Nationalmannschaft spielt in weißen Hosen - warum?" - "Oh, das ist eine gute Frage", antwortet Klaveness lachend.
Die forsche Frage kommt Anfang Februar aus dem Publikum der internationalen Play the Game Konferenz in Trondheim, direkt nach einem Vortrag von Klaveness. Erklären muss der Fragensteller weiter nichts - die ehemalige Nationalspielerin weiß sofort, auf was er abzielt: „Es ist eine wichtige Frage! Ich stand selbst im WM-Viertelfinale und im EM-Finale. Ich war ein junges Mädchen und ich hatte Angst davor, auszulaufen. Das war ein sensibles Thema, damals hat man mit niemandem drüber gesprochen. Man war im Fernsehen vor Abermillionen Zuschauern - sowas beeinflusst Karrieren. Es ist schon merkwürdig, dass selbst so unverblümte Leute wie ich es nicht angesprochen haben. Das hat man damals nicht gemacht, so war das eben.“
Forschung zur Auswirkungen von weißen Hosen auf Leistung von Fußballerinnen
Der Mann aus dem Publikum fragt aus professionellem Interesse. Alex Krumer ist Professor für Sportökonomie am University College im norwegischen Molde. Er erforscht die Frage, wie sich weiße Hosen im Wettkampf auf die Leistung von weiblichen Fußballteams auswirken.
„Ich habe mitbekommen, dass Frauen sich darüber geäußert haben, dass es keine gute Erfahrung für sie ist, in weißen Hosen zu spielen. Dann dachte ich mir: Intuitiv müsste es doch dann so sein, dass sie schlechter spielen, weil sie nicht hundert Prozent auf das Spiel konzentriert sind. Und wenn das so ist - würde sich das auf ihre durchschnittliche Leistung auswirken - verglichen damit, wenn sie 100-prozentig dabei sind. “
Krumer vergleicht Spiele der letzten 20 Jahre
Also hat sich Krumer Spiele aus einem Zeitraum von 20 Jahren angeschaut - und gezählt. Alle Partien der Welt-und Europameisterschaften der Frauen seit der WM 2003 in den USA. Zum Vergleich wertet Krumer auch die Turniere der Männer aus - theoretisch wäre es ja möglich, dass weiße Hosen generell ein Nachteil sind. „Ich habe herausgefunden, dass Frauenteams in weißen Hosen signifikant weniger Punkte pro Spiel machen, als die, die nicht in weißen Hosen spielen. Und für die Ergebnisse der männlichen Teams macht es keinen Unterschied, ob sie in weißen Hosen spielen oder nicht.“
Und es ist auch nicht so, dass gerade die Teams in weißen Hosen auflaufen, die sportlich sowieso vergleichsweise schlechter sind. Auch das hat Krumer in seinem noch nicht veröffentlichten Artikel für ein wissenschaftliches Fachmagazin untersucht. „Das haben wir überprüft: Diese Teams stehen im Durchschnitt sogar weiter oben in der FIFA-Rangliste, als andere. Trotzdem verlieren sie in weißen Hosen durchschnittlich häufiger.“
0,3 Punkte weniger pro Spiel
Konkret in Zahlen heißt das: Nach Krumers Auswertung holen weibliche Teams über 0,3 Punkte weniger pro Spiel, wenn sie in weißen Hosen auflaufen. In einer Turniergruppenphase mit drei Spielen bedeutet das: Durchschnittlich fehlt diesen Teams nach drei Gruppenspielen ein Punkt - der kann entscheidend sein fürs Weiterkommen in die K.o.-Runde. Das Tabu müsse endlich gebrochen werden, fordert er. „Wir müssen darüber reden: 50 Prozent der Bevölkerung haben ihre Periode und es ist tabu. Warum? Es ist doch völlig ok. Sobald wir ein Tabu haben, werden Dinge nicht verstanden. Darüber zu sprechen wird Probleme lösen.“
Kommunikation, das ist auch der Weg von Norwegens Fußballpräsidentin Klaveness. Spielen die Teams in ihrem Verband weiter in der etablierten Kombi rote Trikots und weiße Hosen? „Es ist ein großes Thema in Norwegen. Und die Antwort ist: Wir haben die Teams gefragt, mit welchen Hosen sie spielen wollen und ob sie zum Beispiel mit diesen zusätzlichen Shorts drunter spielen wollen, die Auslaufen verhindern. Und die ehrliche Antwort ist: Es liegt nicht an politischen Widerständen gegen Veränderung an der Spitze. Das wird jetzt in den Teams entschieden.“
"Spielt einfach nicht in weißen Hosen"
Aus Alex Krumers Sicht sollte es genau so gemacht werden - und wenn man mit Frauen spricht, müsse man ihnen auch genau zuhören. Für Teams würde das dann bedeuten: Auch, wenn sich eine kleine Zahl der Frauen unwohl fühlt, könnte sich das auf die Leistung der gesamten Mannschaft auswirken. „Man sucht oft nach irgendwelchen Faktoren, um einen Vorteil rauszuholen und das ist eine der einfachsten Lösungen, die es gibt: Spielt einfach nicht in weißen Hosen!“