Noch immer fehlt in weiten Teilen der Gesellschaft das Verständnis dafür, dass es sich nicht um Kavaliersdelikte handelt, wenn Kolleginnen oder Kollegen am Arbeitsplatz mit Sprüchen oder Berührungen gezielt sexuell belästigt werden.
Die heute vorgelegte Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat dazu im vergangenen Jahr mehr als 1.500 Beschäftigte in Unternehmen befragt, die dort schon länger als drei Jahre tätig waren und die Ergebnisse sind ernüchternd: Jede elfte der befragten Personen hat in dieser Zeit sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz erlebt.
Die Täter: Kunden, Vorgesetzte, Kollegen
Frauen waren davon mehr als doppelt so häufig betroffen wie Männer. Dabei sind Berufe mit Kundenkontakt, also in Geschäften oder im Umgang mit Patienten oder Klienten noch stärker mit sexuellen Belästigungen konfrontiert als solche durch den alleinigen Umgang mit Kolleginnen und Kollegen. Aber bei 19 Prozent der Befragten waren es die Vorgesetzten oder betrieblich höher gestellte Mitarbeiter, von denen der Übergriff ausging, was Familienministerien Franzika Giffey zum Anlass nimmt, auf die geltende Rechtslage zu verweisen:
"Und das ist vielen auch nicht bekannt, dass die sexuelle Belästigung nicht eben irgendetwas ist, na so irgendwie dazwischen, sondern das ist ein Straftatbestand."
Bei den meisten Belästigungserfahrungen handelte es sich der Umfrage zufolge auch nicht um einmalige Vorfälle. Acht von zehn Befragten erlebten mehr als einmal eine solche Konfrontation. Und in 82 Prozent der Fälle waren die Täter ausschließlich oder überwiegend Männer.
Viele wissen nicht, dass Beschwerdestellen Pflicht sind
Doch gerade im beruflichen Umfeld kann sich eine sexuelle Belästigung recht schnell zu einer psychischen Belastung der Betroffenen entwickeln. Zwar erklärte eine Mehrheit der Befragten, sich unmittelbar nach einer Belästigung verbal, also mit Worten gewehrt zu haben, aber fast die Hälfte der Betroffenen hatte auch keine Kenntnis darüber, dass es nach dem Allgemeineren Gleichbehandlungsgesetz die Verpflichtung zu betriebsinternen Beschwerdestellen gibt, wo solche Vorfälle vertraulich aufgenommen werden müssen.
"Und obwohl es die gesetzliche Verpflichtung gibt, dass alle Betriebe Beschwerdestellen für Diskriminierung und Belästigung haben, haben nur 56 Prozent der Befragten angegeben: 'Bei uns gibt es sowas'", sagt die Soziologin Monika Schröttle von der Universität Erlangen-Nürnberg, die die Studie durchgeführt hat.
Der kommissarische Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes Bernhard Franke mahnt deshalb auch den Nachholbedarf der Unternehmen an:
"So wie in Betrieben beispielsweise Beschäftigte wissen, wo der Feuerlöscher hängt oder wo der Notausgang ist, sollten auch Arbeitgeber ihrer Pflicht nachkommen, die Beschäftigten vor sexueller Belästigung zu schützen."
"So wie in Betrieben beispielsweise Beschäftigte wissen, wo der Feuerlöscher hängt oder wo der Notausgang ist, sollten auch Arbeitgeber ihrer Pflicht nachkommen, die Beschäftigten vor sexueller Belästigung zu schützen."
Bund startet Kampagne für mehr Aufklärung
Und auch für Familienministerien Franziska Giffey ist klar, dass sich in dieser Frage kein Unternehmen davon stehlen darf:
"Der Arbeitgeber ist verpflichtet - das ist keine freiwillige nette Führungskompetenz, sondern eine Pflicht - für den Schutz der Beschäftigten zu sorgen."
Um das zu unterstützen, startet die Antidiskriminierungsstelle des Bundes unter dem Stichwort "Betriebsklimaschutz" eine Informationskampagne, die Arbeitgebern Hilfestellung geben soll, wie sie wirkungsvoll sexueller Belästigung vorbeugen und für den Schutz der Beschäftigten sorgen können.