Ende März dieses Jahres präsentierte der UN-Klimarat IPCC seinen jüngsten Bericht über die globalen Folgen des Klimawandels, mögliche Anpassungsstrategien und deren Kosten für die Gesellschaft. Es ist ein umfangreiches Werk. Doch für Frank Raes, Klimaforscher vom Joint Research Center der EU, ist sein Nutzen für die Politikberatung beschränkt.
"Der Bericht ist sehr inkonsistent. Der IPCC hat zwar gute Arbeit geleistet und viele Studien zusammengefasst. Aber es ist sehr schwer, die einzelnen Studien über verschiedene Sektoren in unterschiedlichen Teilen der Welt miteinander zu vergleichen."
Das Hauptproblem: Jede Studie nutzt eine etwas andere Datengrundlage und Methodik. Frank Raes und Kollegen arbeiten daran, das besser zu machen - zumindest für die Länder der Europäischen Union.
"Für die Peseta-Studien setzen wir auf einen sehr konsistenten Ansatz. Wir gehen von einheitlichen Szenarien des Klimawandels aus, um auf dieser Basis die Auswirkungen und Kosten in verschiedenen Sektoren der Wirtschaft zu berechnen. Wenn man nun die Daten für Nordeuropa und Südeuropa anschaut, kann man sie wirklich miteinander vergleichen, weil alles auf der gleichen Methodik beruht. Das ist ein großer Vorteil."
Kürzlich präsentierten die EU-Forscher ihre neuesten Ergebnisse unter dem Titel "Peseta 2". Im Rahmen der Studie errechneten sie, wie sich eine Temperaturerhöhung um 3,5 Grad Celsius im Jahr 2080 auf neun Bereiche in der EU auswirken könnte: Landwirtschaft, Tourismus, Gesundheit, Energie, Verkehrsinfrastruktur, Hochwasser, Dürren, Küsten und Waldbrände.
"Die Studie besteht im Grunde aus zwei Teilen. Der erste simuliert mit biophysikalischen Modellen, was der Klimawandel in jedem der neun Bereiche bewirkt. Anschließend lassen wir die damit verbundenen Kosten für jeden Sektor in ein ökonomisches Modell einfließen, ein sogenanntes Allgemeines Gleichgewichtsmodell. So können wir sehen, wie der Klimawandel die gesamte Wirtschaft beeinflusst."
Hohe Kosten für Gesundheitssektor möglich
Laut den Ergebnissen von "Peseta 2" könnte der Klimawandel die Wirtschaft in Europa um das Jahr 2080 mit mindestens 190 Milliarden Euro pro Jahr belasten. Das entspricht knapp zwei Prozent des heutigen Bruttoinlandprodukts der EU. Allerdings wären diese Verluste sehr ungleich verteilt. Die Länder Südeuropas, wo Hitze und Trockenheit stärker zunehmen sollen, hätten 70 Prozent davon zu tragen, während Skandinavien wirtschaftlich kaum zu leiden hätte. Mitteleuropa, darunter Deutschland und Frankreich, bekämen ein Viertel der Verluste zu spüren. Von den Forschern unerwartet, entfielen mehr als die Hälfte der Kosten auf den Gesundheitssektor. Frank Raes:
"Die Auswirkungen auf die Gesundheit waren die größte Überraschung. Heute sterben jedes Jahr rund 100.000 Menschen verfrüht als Folge von Hitzewellen und Hitzeschlägen und solchen Sachen. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnte sich diese Zahl verdoppeln."
Und das wiederum vor allem in Südeuropa. Dort führen mehr Hitze und Trockenheit auch zu überdurchschnittlichen Einbußen in der Landwirtschaft. Hinzu kommt ein deutlich erhöhter Energiebedarf durch Klimaanlagen, während nördliche Länder sogar von einem verringerten Heizbedarf profitieren. Solche Erkenntnisse sind wichtig für die Politik. Sie könnten den einzelnen Ländern helfen zu entscheiden, in welchen Sektoren sie jeweils am dringlichsten in nationale Anpassungsprogramme investieren sollten. Allerdings liefert die Studie auch neue Argumente, um auf EU-Ebene aktiv zu werden.
"Die Folgen des Klimawandels in einer Region können sich durch die Verflechtungen der europäischen Wirtschaft auf ganz Europa auswirken. Hier kommt die Solidarität ins Spiel. Wenn manche Regionen wie Südeuropa stärker betroffen sind als der Norden, dann würde das Solidaritätsprinzip der EU verlangen, dass der Norden den Süden in manchen Bereichen unterstützen sollte."
Bislang wird die Anpassung an den Klimawandel in der EU-Politik mit Hinweis auf das Subsidiaritätsprinzip als nationale Aufgabe behandelt. Studien wie "Peseta 2" könnten der EU-Kommission den Anlass liefern, auch europaweite Regelungen anzustreben.