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Studie
"Naturbewusstsein hat sich seit 2009 kaum erhöht"

Grundsätzlich sei die Einstellung der Deutschen zur Natur überwiegend positiv, sagte Biologe und Psychologe Andreas Mues im Dlf. Bei der Erhebung über die Emotionen des Einzelnen zu biologischer Vielfalt und Natur stimme ihn aber nachdenklich, dass sich seit Studienbeginn nur wenig in der Haltung verändert habe.

Andreas Mues und Immo Fritsche im Gespräch mit Lennart Pyritz |
    Ein Damenfahrrad in herbstlicher Morgenstimmung an einem See
    Bundesumweltministerium und Bundesamt für Naturschutz führen seit 2009 eine Studie zum Naturbewusstsein durch. Im Interview äußerten sich Immo Fritsche und Andreas Mues zu den Ergebnissen (imago/Kickner)
    Lennart Pyritz: Das Naturbewusstsein der Deutschen: Dazu führen das Bundesumweltministerium und das Bundesamt für Naturschutz seit 2009 alle zwei Jahre eine Studie durch. Dabei geht es um Einstellungen, aber auch Emotionen des Einzelnen zu Natur und biologischer Vielfalt. Am Freitag wurde die mittlerweile fünfte Studie vorgelegt. 2000 Bundesbürgerinnen waren dafür Ende 2017 befragt worden. In der aktuellen Studie sprach sich zum Beispiel die Mehrheit für einen besseren Meeresschutz aus. Wir wollen an dieser Stelle aber nicht im Einzelnen auf die jüngsten Ergebnisse eingehen, sondern einen Blick auf die Gründe und Chancen des Naturbewusstseins im Allgemeinen werfen. Dafür habe ich vor der Sendung mit zwei Mitwirkenden der Studie gesprochen: Andreas Mues, Biologe und Psychologe beim BfN in Bonn, und Immo Fritsche, Sozialpsychologe an der Universität Leipzig. Meine erste Frage ging an Herrn Fritsche und war: Was ist eigentlich das Naturbewusstsein einer Bevölkerung?
    Immo Fritsche: Ja, das Naturbewusstsein ist ein Faktor, der abgeleitet ist aus einer Begrifflichkeit, die wir aus der Umweltforschung kennen, Umweltverhaltensforschung, das Umweltbewusstsein, das heißt die Idee, dass es bestimmte Werte oder auch Meinungen, Wahrnehmungen gibt, die letztendlich einen Einfluss auf unseren Umweltschutz oder in dem Fall Naturschutzhandeln haben. Seit 2009 wird das erfasst, das Naturbewusstsein. Die ursprüngliche Konzeption ist, dass gefragt wird zur persönlichen Bedeutung, die Natur für Menschen hat. Dann geht es um das Verhältnis zwischen Mensch und Natur und wie das Einzelne definieren, und gleichzeitig geht es auch um Problemwahrnehmungen und Fragen dazu, wie Natur genutzt oder auch geschützt werden sollte.
    Äußere Effekte auf das Naturbewusstsein
    Pyritz: Herr Mues, Sie sind vonseiten des BfN an dieser Studie beteiligt, von welchen Faktoren hängt denn Ihrer Erfahrung nach das Naturbewusstsein ab?
    Andreas Mues: Wie wir seit der ersten Erhebung 2009 und seitdem aber im Zweijahrestakt immer wieder sehen konnten, Frauen äußern sich in vielen Fällen etwas naturbewusster als Männer, ältere Personen entsprechend etwas mehr als jüngere, und Personen aus gehobenen sozialen Verhältnissen äußern sich stärker naturbewusst als Menschen aus einer schwächeren sozialen Lage. Wir sehen selbst saisonale Effekte, denn in der Hälfte der Fälle waren die Studien im Sommer und in der anderen Hälfte im Winter durchgeführt, und bei so einer Frage wie "je wilder die Natur, desto besser gefällt sie mir", eine solche Frage wird im Sommer etwas positiver beantwortet als im Winter, wo man die wilde Natur dann doch etwas anders zu spüren bekommt.
    Pyritz: Spielen denn dabei eventuell auch einzelne Studienergebnisse wie das Insektensterben, was ja medial sehr präsent war, oder vielleicht auch Bestseller wie "Das geheime Leben der Bäume" von Peter Wohlleben, kann so was auch eine Rolle spielen und sozusagen das gesellschaftliche Naturbewusstsein beeinflussen?
    Mues: Wir können in der Studie nur das nachweisen, was wir explizit erfragt und erfasst haben. Manchmal kann man ableiten, dass es einen solchen Effekt gab, zum Beispiel, als wir diese große Kostendiskussion im Jahr 2013 zu den erneuerbaren Energien hatten und wie man die Energiewende umsetzt. Da hatten wir einen leichten Einbruch in der Zustimmung zur Energiewende, der dann in den Folgejahren wieder rausgewachsen ist. Also solche Ereignisse sieht man schon in der Studie, aber bis ins kleinste Detail kann man solche äußeren Ereignisse nicht auflösen.
    "Grundsätzlich ein recht hohes Naturbewusstsein vorhanden"
    Pyritz: Wie hat sich denn das Naturbewusstsein der Deutschen im Laufe dieser Studien seit dem Jahr 2009 verändert?
    Mues: Grundsätzlich zeigt sich, dass schon ein recht hohes Naturbewusstsein in der Bevölkerung vorhanden ist und überwiegend positive Einstellungen zu Natur und Naturschutz geäußert werden. Kaum jemand würde sagen, dass Naturschutz ihm nichts bedeutet oder dass das wenig relevant ist. Wenn man sich das jetzt aber genauer anschaut, dann sehen wir doch schon deutliche Unterschiede in verschiedenen Bevölkerungsgruppen, und diese können einen schon nachdenklich stimmen, zum Beispiel was das schwächere Naturbewusstsein in der jüngeren Generation angeht. Nachdenklich macht auch, dass sich das Naturbewusstsein seit 2009 kaum erhöht hat, trotz aller Kommunikationsarbeit, die wir gemacht haben. Auch wenn es hier und da Lichtblicke gibt. Zum Beispiel sehen wir, dass die Bereitschaft, zum Schutz der biologischen Vielfalt beizutragen, in den letzten Jahren etwas höher ist als die Jahre zuvor.
    Pyritz: Haben Sie eine Idee, woran es liegen könnte, dass Sie im Laufe dieser Zeit, seit 2009, keine grundlegende Veränderung haben messen können?
    Mues: Zum einen ist es so, dass wie gesagt, das Naturbewusstsein schon auf einem relativ hohen Niveau ist, was jetzt das geäußerte Bewusstsein angeht. Wenn es jetzt aber darum geht, konkretere Verhaltensweisen zu verändern, also zum Beispiel sein Einkaufsverhalten umzustellen oder so etwas, dann sind das natürlich schwieriger umzusetzende Verhaltensmuster, die sicherlich auch in gewisser Weise ein bisschen veränderungsresistent sind, und deswegen sehen wir da auch keine so großen Umschwünge. Und wir denken, wir müssen in Zukunft auch ein bisschen da unsere Kommunikationsarbeit umstellen.
    "Menschen müssen sich handlungskompetent fühlen"
    Pyritz: Herr Fritsche, als externer Mitarbeiter dieser Befragung, inwiefern lässt sich dann das Naturbewusstsein vielleicht sogar gezielt beeinflussen, sozusagen als eine psychologische Maßnahme für den Naturschutz?
    Fritsche: Naturbewusstsein insofern lässt sich sicherlich beeinflussen auf unterschiedlichen Wegen. Das heißt, einen sozialen Kontext schaffen, in dem proökologische Verhalten als Teil einer gemeinschaftlichen Norm, einer gemeinschaftlichen Regel gesehen wird, gleichzeitig die Wahrnehmung erhöhen, dass solche Gemeinschaften auch etwas an den großen ökologischen Krisen verändern können, beispielsweise darüber, dass man Vorbilder nennt, in denen das funktioniert hat, dass über kollektive Anstrengungen tatsächlich konkrete Ergebnisse erreicht wurden – nehmen wir den Artenschutz, das Walsterben, was aufgehalten wurde, oder auch den Bereich Ozonloch zum Beispiel. Und im Alltag natürlich ganz wichtig, dass Menschen Handlungswissen haben, sich handlungskompetent fühlen – also wenn ich die Natur schützen möchte, beispielsweise das Artensterben reduzieren möchte, dann weiß ich auch, wie ich das tun kann, beispielsweise durch Informationen auf Verbrauchsgütern, die mir sagen, wie hoch der ökologische Impact ist, also wie wurde ein Fisch gefangen und wo beispielsweise.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.