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Studie: Nur Teil der Jugendlichen hat Interesse an Kultur

Nach einer Studie des Bonner Zentrums für Kulturforschung ist das Kulturinteresse Jugendlicher maßgeblich vom Elternhaus bestimmt. Die Soziologin Susanne Keuchel plädierte dafür, in Kindergärten, Grundschulen und Vereinen Angebote zu unterbreiten, die Kinder und Jugendliche aus Elternhäusern mit niedrigem Bildungshintergrund an Kultur heranführen.

Moderation: Stefan Koldehoff |
    Stefan Koldehoff: Kultur für alle, so hieß eine Forderung, die in den 70er Jahren der Frankfurter Kulturdezernent Hilmar Hoffmann erhoben hat. Die Idee, die dahinter steckte, war die, dass man mit Kunst, Musik, Theater alle Bevölkerungsschichten alt wie jung und auch alle sozialen Schichten erreichen könne. Entsprechend viel Geld wurde dann auch in die entsprechenden Programme gesteckt. Nun hat heute das Bundesbildungsministerium in Bonn eine Studie vorgestellt, die Jugendkulturbaromter heißt und untersucht, wie stark denn das Kulturinteresse von Jugendlichen in Deutschland ist und wovon das abhängt. 2625 Jugendliche im Alter zwischen 14 und 24 Jahren wurden dafür ebenso befragt wie rund 1000 Eltern mit Kindern unter 25 Jahren. Die Ergebnisse sind, so vermelden es die Agenturen, eher ernüchternd. Frage an Frau Dr. Susanne Keuchel vom Zentrum für Kulturforschung, das die Studie erarbeitet hat: Interessieren sich Jugendliche in Deutschland für Kultur.

    Susanne Keuchel: Ja, die jungen Leute interessieren sich sehr wohl für Kunst und Kultur, wie wir im Rahmen der Studie ermittelt haben, wobei die Inhalte zu diskutieren wären, die entsprechen nicht ganz, sage ich mal, der älteren Generation. Wir haben aber auch herausgefunden, dass sich nur ein Teil der jungen Bevölkerung für Kunst und Kultur interessiert.

    Koldehoff: Dann kommen wir doch mal erst zu den Inhalten: Mozart, Schiller, Goethe?

    Keuchel: Na, mit Schiller liegen Sie schon richtig, mit Mozart gar nicht richtig. Also, wir haben sehr deutliche Unterschiede feststellen können. So ist es beispielsweise in der klassischen Musik gar nicht gut bestellt um das Interesse der jungen Leute, ähnliches gilt für das Musiktheater und beispielsweise auch für das klassische Theater. Wo wir einen deutlichen Boom haben registrieren können, vor allem weil wir da auch ein paar Vergleichszahlen hatten, das ist im Bereich der Bildenden Kunst, vor allem der zeitgenössischen Kunstausstellung, insbesondere auch Fotografie und Medienkunst.

    Koldehoff: Woran liegt es denn Ihrer Meinung nach, dass man zum Beispiel nicht mehr gerne in die Oper geht, dafür aber möglicherweise gerne ins Museum?

    Keuchel: Wir haben natürlich auch nach Gründen gefragt, nach Wünschen der jungen Leute. Und ein ganz zentraler Grund der jungen Leute war, sie fordern ein stärkeres auf sich abgestimmtes Ambiente. Und ich denke, da haben wir zum Beispiel schon den ersten Anknüpfungspunkt. Wenn Sie sich mal die Kunsthallen vorstellen, die zeitgenössische Kunst darbieten, wie die von der Architektur, von der Gestaltung sind. Auf der anderen Seite, wenn man jetzt mal den Bogen schließt und guckt, wie sieht es im klassischen Konzert aus, im Musiktheater, das ist immer noch sehr traditionell gestaltet. Hinzu kommen sicherlich auch andere Faktoren, wir hatten gerade eben in der Veranstaltung auch darüber gesprochen. Junge Leute lieben es zunehmend flexibel zu planen, vor allem, wenn das jetzt nicht der Wunschakt ist, wie beispielsweise Rolling Stones oder etwas anders, was sie unbedingt haben wollen, da sind sie zum Teil recht spontan. Und da hat beispielsweise der Ausstellungsbereich natürlich einen ganz klaren Vorteil.

    Koldehoff: Der andere große Aspekt, den Sie angesprochen haben, ist der mit der Frage, wer ist es denn überhaupt noch, der sich für Kultur interessiert. Was kann man dazu sagen?

    Keuchel: Ja, da haben wir leider ein ziemlich starkes Bildungsgefälle feststellen müssen, dass vor allem junge Leute mit niedrigem Bildungshintergrund, oder aus einem Elternhaus mit niedrigem Bildungshintergrund, dass diese kaum mehr an Kunst und Kultur partizipieren auch im Sinne eines breiten Kulturbegriffs. Also nicht nur rein auf klassische Kulturangebote fokussiert.

    Koldehoff:! Lässt sich das konkret mit Zahlen belegen? Also gehen wir aus von einem Kind aus einem klassischen Bildungsbürgerhaushalt, gehen wir aus von einem Kind, das möglicherweise aus einem eher bildungsfernen Haushalt kommt. Wie liegen da die Gewichtungen?

    Keuchel: Also ich kann Ihnen da zwei ganz pragmatische Beispiele nennen. Bei denen, wo die Eltern eine hohe Schulbildung haben, ist das bei unserer Studie zu 83 Prozent der Fall gewesen. Bei denen mit niedriger Schulbildung zu 38 Prozent. Und das ist kein Zahlendreher.

    Koldehoff:! Woran liegt das? Die Angebote werden immer teurer, oder wird einfach Bildung nicht mehr als Wert an sich erkannt, auch kulturelle Bildung?

    Keuchel: Es ist die Frage, inwieweit sich bestimmte Bevölkerungsgruppen überhaupt hierfür angesprochen fühlen. Also was ganz spannend im Rahmen der Studie ist, dass beispielsweise sich ergeben hat, dass junge Leute als einen der Gründe, warum sie nicht künstlerisch kreativ sind, angeben, dass ihre Familie keine Veranlagung hat.

    Koldehoff: Und das heißt, wenn die das nicht tun, muss ich das auch nicht. Man fühlt sich da eher Gruppen zugehörig.

    Keuchel: Genau. Und dann kommt natürlich auch der Teufelskreis hinzu, man bewegt sich dann in einer Clique, wo das auch nicht so ist. Und was wir dann zum Beispiel auch erschreckend festgestellt haben, wenn man dann in den Schulbereich geht, dann auf einmal feststellt, dass nur 15 Prozent der Hauptschüler beziehungsweise Hauptschulabsolventen, schon mal ein Kulturnahgebot mit der weiterführenden Schule besucht haben, schließt sich der Kreis.

    Koldehoff: Nun ist man ja immer schnell gewillt, ich habe vorhin Hilmar Hoffmann und seine Forderung Kultur für alle aus den 70er Jahren schon angesprochen, etwas ändern zu wollen. Natürlich gibt es keine Patentrezepte, aber aus Ihrer Studie heraus wenigstens so etwas wie Empfehlungen, selbst wenn die lauten, reißt die Konzertsäle ein und baut modernere.

    Keuchel: Na, so radikal würde ich jetzt nicht vonstatten gehen. Ich denke, da gibt es einfache Maßnahmen. Wir haben natürlich einige Empfehlungen gemacht. Ich denke, eine ganz wichtige zentrale Rolle ist, dass man wieder stärker alle Multiplikatoren im sozialen Umfeld einbindet. Wenn schon das Elternhaus hier Berührungsängste hat, dass man dann stärker den Kindergarten, die Grundschule, den Verein, das Jugendzentrum alle die, die man erreichen kann, stärker für Kunst und Kultur im Sinne der kulturellen Vermittlung begeistern sollte.