Michael Böddeker: Schüler hängen den ganzen Tag nur am Smartphone, und deshalb werden sie immer schlechter in der Schule, fürs Lernen haben sie ja gar keine Zeit oder Geduld mehr. Soweit das Klischee, das bei vielen Menschen vorherrscht. Ein sehr hartnäckiges Klischee, über das auch oft und gerne in Talkshows diskutiert wird. Aber stimmt das auch?
Dazu gibt es immer wieder mal wissenschaftliche Studien, kleine und große, aber wenn man in der Wissenschaft insgesamt eine Übersicht über ein Thema bekommen möchte, dann macht man oft eine sogenannte Meta-Analyse, das heißt, man schaut sich viele Studien zum Thema an und wertet sie aus.
Zur Frage, ob sich Social-Media-Nutzung negativ auf schulische Leistungen auswirkt, haben Forscher jetzt genauso so eine Metastudie gemacht. Einer von ihnen ist Psychologe Markus Appel von der Uni Würzburg. Schönen guten Tag!
Markus Appel: Guten Tag!
Böddeker: Wenn Schülerinnen und Schüler viel Zeit auf Instagram und Facebook verbringen, werden sie dann schlechter in der Schule?
Appel: Wir haben im Rahmen unserer Meta-Analyse einen signifikanten negativen Zusammenhang gefunden, aber dieser Zusammenhang, der war sehr klein.
Böddeker: Das heißt, sie werden schlechter, aber nicht viel.
Appel: Ja, die Kausalität ist noch mal eine getrennte Frage. Wir haben sogenannte korrelative Studien uns angeschaut, das heißt, da geht es erst mal um den Zusammenhang zwischen Noten und Social-Media-Nutzung, und was da was beeinflusst, das steht noch mal außen vor.
Böddeker: Also Sie sagen eine leicht negative Korrelation, ob das jetzt Ursache/Wirkung ist, bleibt abzuwarten. Das ist eines der Ergebnisse, aber Sie haben sich noch mehr angeschaut, zum Beispiel die Auswirkungen, wenn Schülerinnen und Schüler, während sie Hausaufgaben machen, auch in Social Media unterwegs sind. Wir wirkt sich das aus?
Appel: Auch hier haben wir eine negative Korrelation gefunden, das heißt, dieses Multitasking, was theoretisch begründet dann vielleicht auch eine negative Wirkung auf Noten haben könnte – auf der Basis dieser korrelativen Daten zeigt sich da ebenfalls ein signifikanter, aber auch kleiner Zusammenhang.
Social-Media-Austausch über Schulthemen
Böddeker: Man kann Social Media ja auch nutzen, um sich dort über Schulthemen und -inhalte auszutauschen, und das führt laut Ihrer Untersuchung ja sogar zu leicht besseren schulischen Leistungen. Aber das hatten Sie wahrscheinlich auch vorher schon so erwartet, oder?
Appel: Es gibt natürlich die Möglichkeit – im Vergleich sagen wir mal zum Fernsehen oder zu anderen Freizeitaktivitäten –, sich über zum Beispiel Hausaufgaben auszutauschen, und Studien, die genau diese Variable erhoben haben, also Austausch über Social Media, über schulbezogene Dinge, da ist die Intensität dieser schulbezogenen Social-Media-Nutzung tatsächlich in einem positiven Zusammenhang mit den Schulnoten. Allerdings ist auch hier der Zusammenhang klein.
Böddeker: Also insgesamt kleine Korrelationen, die Sie da feststellen in der Metaanalyse. Was ist für Sie insgesamt an diesen neuen Ergebnissen überraschend?
Appel: Einen weiteren Befund, den wir hatten, der betraf die sogenannte Time-Displacement-Hypothese. Da geht es um die eigentlich recht plausible Annahme, dass Schülerinnen und Schüler oder Studierende, die viel Zeit mit Social Media verbringen, weniger Zeit fürs Lernen aufwenden. Und hier zeigte sich gar kein signifikanter Zusammenhang, das heißt, Stand der Dinge auf der Basis unserer 59 unabhängigen Studien aus der ganzen Welt ist der, dass diese Time-Displacement-Hypothese eigentlich eine empirische Bestätigung erfährt. Das heißt, die, die intensive Social Media nutzen, scheinen nicht weniger Zeit mit Hausaufgaben und schulbezogenen Aktivitäten zu verbringen.
Böddeker: Was ja durchaus dem Klischee widerspricht, das oft diskutiert wird. Jemand, der auch sehr öffentlichkeitswirksam eine andere Meinung vertritt, ist der Hirnforscher Manfred Spitzer, das schreiben uns auch immer wieder Hörer, die sich auf ihn berufen, und sagen, das Internet hat schlimme Auswirkungen auf junge Menschen. Ist da aus Ihrer Sicht also gar nichts dran?
Appel: Ich denke, dass solche alarmistischen Behauptungen, die man ja aus vielen Quellen hört, eigentlich schon so eine Angst oder so ein Gefühl der Unsicherheit vor dem Hintergrund dieser doch relativ intensiven Nutzung von Social Media und von Smartphones bedient. Auf einer anderen Ebene steht eben die empirische Evidenz, und da haben wir mit Meta-Analysen versucht, da ein bisschen einen Durchblick zu bringen, weil das Problem ist, man kann sich eben einzelne Studien rauspicken, die gerade zu dem eigenen präferierten Narrativ passen.
Meta-Studie bringt größere Klarheit
Böddeker: Das heißt, diese groß angelegte Untersuchung vieler Studien ist für Sie auch aussagekräftiger, als wenn man sich genau eben diese Studien herauspickt, die einem passen.
Appel: Ich denke, gerade der öffentliche Diskurs kann davon profitieren, weil natürlich kann sich jemand, der zum Beispiel sagt, ja, Social Media sind eh super in allen Bereichen und fördern alles, auch die Schulleistungen, der kann sich eine Studie herauspicken, und jemand, der wie der Kollege Spitzer eine sehr medienkritische Haltung einnimmt, der kann sich auch Studien herauspicken, sodass man dann letztlich eigentlich so ein bisschen im Unklaren bleiben muss, was ist denn jetzt eigentlich Tatsache, was ist denn empirische Evidenz, wenn einen das interessiert. Und da schaffen eben Meta-Analysen eine größere Klarheit als einzelne Befunde.
Böddeker: Medienforscher und Psychologe Markus Appel von der Uni Würzburg über eine neue Untersuchung, die besagt, wenn Schülerinnen und Schüler Social Media nutzen, wirkt sich das nicht unbedingt oder nur gering auf die schulischen Leistungen aus. Vielen Dank für das Interview!
Appel: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.