Missbrauch von Sportlerinnen und Sportlern geschieht vor allem im Leistungs- und wettkampforientierten Breitensport, kommt seltener im Freizeit- und Schulsport vor. Das geht aus einer bundesweiten Untersuchung der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs hervor.
Grundlage der Studie sind 72 Berichte von Betroffenen sowie Zeitzeuginnen und -zeugen. Der Kommission zufolge wurde damit erstmals eine so große Zahl von Berichten zu sexuellem Kindesmissbrauch im Sport wissenschaftlich ausgewertet.
"Es gibt viele Gemeinsamkeiten"
"Beeindruckt hat mich die Fülle von Geschichten von Betroffenen von sexualisierter Gewalt", sagte die Journalistin Andrea Schültke, die sich bereits seit Jahren mit sexueller Gewalt im Sport beschäftigt. "Die Meisten die sich gemeldet haben, sind vergewaltigt worden und das über Jahre."
"Es gibt viele Gemeinsamkeiten", sagte die Dlf-Redakteurin und Kirchen-Kennerin Christiane Florin. "Die Hauptgemeinsamkeit ist: Es geht immer um Macht, um unkontrollierte Macht. Es geht immer um die Macht des Erwachsenen über das Kind."
Ähneln würde sich zudem der Unwille der Institutionen und Vereine, das Geschehene aufzuarbeiten, sagte Florin, die im Deutschlandfunk, in der Abteilung "Religion und Gesellschaft" arbeitet. Täter hätten Strategien, sagte Florin. "Das passiert nicht einfach so und auch das hat mit Macht zu tun."
Familiäre Strukturen begünstigen Missbrauch
Im Sport herrsche zudem eine familiäre Struktur vor, welches derartigen Missbrauch begünstige, sagte Schültke. Man sei in den Vereinen befreundet, man kenne sich über Jahrzehnte. Deswegen gebe es große Hemmnisse, Sachen aufzudecken oder Anzeige zu erstatten, sagte Schültke. "Das passt alles überhaupt nicht zusammen".
Für sie sei es zudem überhaupt nicht überraschend, dass das Ausmaß im Sport denen in der Kirche ähnele. Beide Systeme seien zu ähnlich. "Weil der Sport ein viel positiveres Image als die Kirche habe", sei der Sport eine Zeitlang unter dem Radar gelaufen, sagte Schültke.
Florin gab dem Sport nur den Rat auf dem Weg, die Missstände von einer externen Stelle aufarbeiten zu lassen. In diesem Bereich könne der Sport von der Kirche lernen. "Man muss Macht abgeben", sagte Florin. Hier sei der Sport noch am Anfang, bestätigte Sportjournalistin Schültke. Die Aufarbeitungskommission habe hier erst den Anfang machen müssen.
"Sport hat ein systemisches Missbrauchsproblem"
"Der Sport hat ein systemisches Missbrauchsproblem", sagte Schültke. Die Strukturen mit Dachorganisationen, von Unterorganisationen und kleinen Vereinen seien ein geschlossenes System in sich, dies sei sehr problematisch. Man wolle das Problem nicht grundsätzlich aufarbeiten und in "die Tiefe" gehen, kritisierte Schültke.
"Diskursiv sind die Kirchen hier schon einen Schritt weiter, in der praktischen Umsetzung aber nicht", sagte Florin. Macht brauche Kontrolle, es dürfe einfach nicht sein, dass ein Einzelner alle Macht auf sich vereine, sagte sie.
Sexualisisierte Gewalt sei eines der größten Probleme der Gesellschaft, sagte Schültke. "Sexualisierte Gewalt passiert überall. Dieses Märchen, dass es immer der unbekannte Täter ist, der einen nachts auf dem Nachhauseweg überfällt, dass stimmt ja nicht." Zudem seien viele Bereiche wie Schulen oder Heime noch gar nicht untersucht worden.