"Es sind Überlegungen, Argumente und Positionen, über die ein Austausch angeregt werden soll. Was sie gewiss nicht sind und nicht sein können, ist eine 'Gebrauchsanweisung' für guten Journalismus", betonen die Macher der Studie in ihrer Einleitung. Dafür würden zu viele Widersprüche und Dilemmata benannt, die alle Journalisten täglich spürten, die berichtend und kommentierend mit der AfD befasst seien.
Die Studie teilt sich in zwei Kapitel: "Analyse" und "Handreichungen". Sie beginnt mit dem "double-bind"-Verhältnis der AfD. Auf der einen Seite hasse die Partei die klassischen Medien, habe auf der anderen aber doch den "unbedingten Drang, darin vorzukommen". Für Medien sei die AfD wiederum deshalb so reizvoll, weil diese "neu", "anders" und "schrill" sei und "an tatsächlichen oder vermeintlichen Tabus rüttelt".
Was folgt, ist Grundlegendes: Wie die AfD entstanden ist und sich entwickelt hat, wie sich das Mediensystem wandelt, wo die Gemeinsamkeiten beider Welten liegen. Die Ausführungen stützen sich auf andere wissenschaftliche Studien, eigene Beobachtungen oder die von Journalisten wie Julius Bender und Melanie Amann. Beide beobachten die Entwicklung der Partei von Anfang an für ihre Redaktionen (FAZ bzw. Spiegel).
"Partei der Journalisten"
Die Studie veranschaulicht außerdem, warum die AfD als rechtspopulistisch eingeordnet werden muss ("…, weil die ihre Anrufung des Volkes nicht mit einem Sozialprogramm für die Einheimischen, also dem, was die Politikwissenschaft 'social chauvinism' nennt, verbindet."); und fragt, ob es dennoch sinnvoll sei, den Begriff "als a priori der Partei-Nennung" voranzustellen.
Im Unterkapitel "Partei der Journalisten" wird zudem genau dieses Phänomen aufgezeigt: Die AfD als Ort, an dem viele ehemalige Journalisten Karriere gemacht haben. Mal mit mehr Erfolg - wie der Spitzenkandidat von Mecklenburg-Vorpommern, Leif-Erik Holm (einst Radiomoderator), und der aktuelle Spitzenkandidat für die Bundestagwahl im September, Alexander Gauland (früher Autor und Zeitungsherausgeber) - mal mit weniger, wie AfD-Mitbegründer und dann wieder -Aussteiger Konrad Adam (ehemals FAZ-Redakteur) oder Michael Klonovsky, der nach seiner Zeit beim "Focus" zunächst Frauke Petry beraten und sich dann mit der AfD-Chefin überworfen hat.
Saloppe Sprache
Die Sprache der Untersuchung ist über Strecken salopp gehalten. Da ist die Rede vom "Schlachtross" Alexander Gauland, einer sich "verschroben" äußernden Beatrix von Storch oder der Einordnung als "putzig" beim Blick auf die Debatte um den Rundfunkbeitrag.
Vor allem wegen dieser Sprache wirkt die Studie zunächst mehr wie eine journalistische, AfD-kritische Analyse als wie eine wissenschaftliche Untersuchung. Doch dieser Eindruck relativiert sich im zweiten Kapitel, den "Handreichungen". In diesem Abschnitt werden vor allem die Medien zum selbstkritischen Diskurs aufgefordert.
Hier wird das "Stöckchen-Spiel" beleuchtet, auf das sich Journalisten in der Vergangenheit immer wieder eingelassen haben: das Spiel von AfD-Provokation auf der einen und ausführlicher Reaktion der Medien in Form von Berichterstattung auf der anderen Seite.
Die Forderung der Studienmacher: "Es ist Zeit, diese automatisierte Logik zu durchbrechen." Denn: Eine reflexhafte "ad-hoc-Empörung" sei nicht "die beste journalistische Reaktion".
Viele Fallen für Journalisten
Des Weiteren geht es um andere Fallen: "Psycho" ("Hier liegt die Verwechselung von Journalismus und Pädagogik nahe"), Ausgrenzung" ("Nichts liebt die AfD so sehr, wie sich selbst als Opfer zu inszenieren") und "Opposition" ("Die Rolle der Opposition im demokratischen System kommt anderen zu"), die "Begriffe der Rechtspopulisten" und die Gefahr diese "nachzuplappern oder das 'Framing' zu übernehmen". "Journalisten sollten sorgsam auf ihre Sprache achten und sich nie benehmen wie Papageien", heißt es dazu in der Studie.
Gäbler mahnt eine "sensible Sprache" an, fordert Journalisten auf, "Aufpasser statt Klüngel" zu sein und endet damit, dass "kein eigener, speziell auf die AfD zugeschnittenen Journalismus" notwendig sei. Die AfD sei "lediglich eine neue Herausforderung, um sich alte journalistische Tugenden und das klassische Handwerkszeug erneut vor Augen zu führen".
Journalisten sollten sich ihres "klassischen Handwerkszeugs" bedienen, fordern die Macher der Untersuchung, nicht mehr und nicht weniger.
(Michael Borgers)
Die rund 80-seitige Untersuchung für die Otto Brenner Stiftung soll demnächst vorgestellt werden. Über die Ergebnisse sprach Studienleiter Bernd Gäbler bereits am 07.06.2017 in @mediasres.