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Studie zu autonomem Fahren
"Ängste vor Kontrollverlust über das eigene Auto"

Bei drei von vier Deutschen überwiegt die Skepsis gegenüber autonomem Fahren - so eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. An erste Stelle stehe dabei vor allem die Angst vor Unfällen, sagte Carsten Große Starmann von der Stiftung. Aus seiner Sicht könne aber automatisiertes Fahren auch ein Baustein für mehr Sicherheit im Straßenverkehr sein.

Carsten Große Starmann im Gespräch mit Silke Hahne |
    Ein mit Bosch-Technik ausgestattetes Fahrzeugdes Typs Jeep Cherokee steuert am 07.01.2015 in Las Vegas, USA, im Rahmen der CES (Consumer Electronics Show) selbstständig über den Las Vegas Strip während der Fahrer die Hände vom Lenkrad nimmt. Die Messe läuft offiziell vom 6. bis 9.01.2015. Foto: Britta Pedersen/dpa | Verwendung weltweit
    Autnomes Fahren sei auch eine Chance für mehr gesellschaftliche Teilhabe, sagte Carsten Große Starmann von der Bertelsmann-Stiftung. (Britta Pedersen/dpa)
    Silke Hahne: Tesla ist der wertvollste US-Fahrzeughersteller – zumindest wenn man Aktienanlegern glaubt. Die bewerten Tesla nun höher als den bisherigen Branchenprimus General Motors. Tesla gilt als Pionier der elektrischen, aber auch der autonomen Mobilität. Die Autos haben schon jetzt ein Programm namens Autopilot an Bord. Das geriet vergangenes Jahr in die Kritik, als ein Mensch bei einem Unfall mit einem vom Computer gesteuerten Auto ums Leben kam. Die Börsenhändler stört das offenbar nicht. Für sie ist Tesla das Symbol für die Zukunft der Autobranche. An ihre Grenzen stößt diese Überzeugung möglicherweise aber bei den potenziellen Nutzern von selbstfahrenden Autos. Eine heute veröffentlichte, repräsentative Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt: Bei drei von vier Deutschen überwiegt die Skepsis gegenüber der Technik.
    Vor der Sendung habe ich mit Carsten Große Starmann gesprochen. Er leitet das Projekt "Smart Country" bei der Bertelsmann-Stiftung, in dessen Rahmen die Studie entstanden ist. Es fragt nach dem Nutzen von Digitalisierung für gesellschaftliche Herausforderungen. Als Erstes habe ich ihn gefragt: Was genau stört denn die Autofahrer an der Vorstellung, dass ihr Auto sich in Zukunft selber lenken könnte?
    Carsten Große Starmann: Wir haben gesehen in den Befragungen, dass es vor allen Dingen eine große Unsicherheit gibt. Es gibt viel negative Berichterstattung – Sie haben das gerade in der Anmoderation angesprochen – entlang von Unfallereignissen bei uns in Deutschland, auch in den USA, und es fehlen vor allen Dingen positive Bilder, wie zum Beispiel automatisiertes Fahren oder digital realisierte Mobilität der Gesellschaft und auch dem Einzelnen nutzen kann.
    "Ängste vor Kontrollverlust über das eigene Auto"
    Hahne: Dabei gibt die Autoindustrie sich doch große Mühe.
    Große Starmann: Ja, das stimmt. Aber im Ergebnis führt es trotzdem zu Ängsten, nämlich Ängsten vor Kontrollverlust über das eigene Auto, auch vor Hacker-Angriffen, die das selbstfahrende Fahrzeug manipulieren, oder auch Datenschutzfragen sind den Befragten zufolge noch nicht ausreichend geklärt, weil man halt nicht gläsern sein will in seinen Bewegungsprofilen. Aber an erster Stelle steht nach wie vor vor allen Dingen die Angst vor Unfällen.
    Hahne: In der Europäischen Union sterben nach Angaben der EU-Kommission jeden Tag 70 Menschen bei Verkehrsunfällen. Ist die Angst vor dem Tod im Straßenverkehr, vor Unfällen denn jetzt schon allgegenwärtig, oder bezieht sich das explizit auf computergesteuerte Autos?
    Große Starmann: Ich würde nicht sagen, dass das allgegenwärtig ist, sondern dass das sich schon sehr stark auf das autonome Fahren bezieht. In unserer Befragung ist ein Ergebnis gewesen, dass 66 Prozent der Befragten auf gar keinen Fall auf das eigene Auto verzichten wollen würden. Das automatisierte Fahren ist das, was bei den Ängsten im Vordergrund steht, und das ist natürlich ein Stück weit mit Risiken verbunden, soweit die Technik oder die Weiterentwicklung der Technik noch nicht ausgereift ist. Bei der Diskussion außer Acht bleibt aber meines Erachtens ganz stark, dass Roboter oder Maschinen zum Beispiel sehr viel disziplinierter sind als Menschen. Sie trinken keinen Alkohol, schauen nicht während der Fahrt aufs Smartphone, oder sind nervös oder aggressiv. 90 Prozent der Unfälle weltweit im Straßenverkehr sind auf menschliches Versagen zurückzuführen. Deswegen würde ich eher sagen, dass es nicht nur eine Chance für mehr gesellschaftliche Teilhabe ist, sondern dass automatisiertes Fahren auch ein Baustein sein kann für eine Sicherheit im Straßenverkehr.
    "Vor allen Dingen Vielfahrer sind dankbar und aufgeschlossen"
    Hahne: Gesellschaftliche Teilhabe inwiefern?
    Große Starmann: Insofern, als dass automatisiertes Fahren oder digital realisierte Mobilität zum einen Bevölkerungsgruppen mehr Mobilität ermöglicht, die zum Beispiel aufgrund von Alterseinschränkungen oder anderen Handikaps nicht in der Lage sind, beispielsweise selber ein Auto zu fahren oder anderweitig mobil zu sein. Aber es betrifft auch Räume. Gerade wenn wir über ländliche, stark abgelegene Räume sprechen, wird es immer kostenintensiver, diese zum Beispiel über den öffentlichen Personennahverkehr anzubinden an die Städte, und da haben wir einfach mit der Digitalisierung mehr Möglichkeiten, Mobilität zu organisieren oder auch zu realisieren.
    Hahne: Dennoch steigen ja viele Leute mittlerweile auf Bus und Bahn um, oder zumindest steigen die Nutzungszahlen im ÖPNV. Seit letzter Woche wissen wir außerdem, dass 60 Prozent der deutschen Arbeitnehmer zur Arbeit pendeln, Tendenz steigend, und die Strecken werden auch immer länger. Das kann ja auch stressen und krank machen. Wie aufgeschlossen sind denn Pendler für autonome Mobilität?
    Große Starmann: In unserer Befragung ist ein Ergebnis gewesen, dass bei allen Menschen, die dem kritisch gegenüberstehen, vor allen Dingen Vielfahrer eigentlich diejenigen sind, die eher dankbar und aufgeschlossen sind für solche Alternativen. Wer beruflich pendelt, macht im Schnitt ungefähr 400 Fahrten im Jahr, und das ist Zeit, die man natürlich auch anders nutzen kann, und Zeit, die deutlich weniger stressig sein kann und muss, als wenn man sie hinterm Steuer ausführt. Und das, was die Leute sich wünschen, ist, dass sie diese Zeit besser nutzen zum Entspannen, zum Lesen, im Internet surfen, oder auch einfach aus dem Fenster schauen.
    Hahne: Das heißt, wer jetzt schon viel fährt, der ist genervt. Mit autonomen Angeboten rechnet die Industrie, rechnet auch Ihre Umfrage, ihr Szenario in vielleicht zehn Jahren. Was kann denn bis dahin passieren, um das Leben dieser Menschen zu erleichtern?
    Große Starmann: Ich glaube, dass sich peu à peu eine Menge schon entwickeln wird. Es sind viele Systeme ja schon im Test. Ich glaube, dass es deutlich einfacher wird, in Zukunft auch Alternativen zum Pkw zu finden und zum Beispiel über eine Smartphone-App Wege von A nach B anders zu organisieren, dass andere Mobilitätsketten entstehen über CarSharing, aber auch Mitfahrzentralen oder die Inanspruchnahme von öffentlichem Personennahverkehr.
    "Mit Digitalisierung mehr Möglichkeiten, Mobilität zu organisieren"
    Hahne: Also auch da Digitalisierung als erster Helfer?
    Große Starmann: Auf jeden Fall! Ich weiß nicht, ob es der erste und einzige Helfer ist, aber in jedem Fall ist die Digitalisierung eine wichtige Möglichkeit, um in Zukunft einerseits mobiler zu sein für die, die das aufgrund von Einschränkungen nicht sein können, aber auch eine große Möglichkeit, um Mobilität anders und besser zu organisieren. Erst recht, wenn man bei dieser Organisation von Mobilität auf Echtzeitdaten zurückgreifen kann, die mir dann auch anzeigen, wenn ein Zug Verspätung hat oder Stau auf der Autobahn ist.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.