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Studie zu Bewerber-Auswahl
"Die Abschlussnote ist einer der wichtigsten Effekte"

Ob Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden, entscheiden Personalleiter aufgrund vieler verschiedener Faktoren, sagte Ludger Wößmann vom Münchner ifo Institut im Dlf. So wirke sich etwa soziales Engagement günstig aus. Noten seien immer noch besonders wichtig - könnten aber auch ausgeglichen werden.

Ludger Wößmann im Gespräch mit Michael Böddeker |
    Bewerbungsmappen auf einer Tastatur.
    Bei Bewerbungen sei die ganze Breite von Abschlussnoten über Computerkenntnisse, Sprachkenntnisse, soziales Engagement bis hin zu Praktika relevant, sagte Ludger Wößmann vom ifo-Institut im Dlf (imago/blickwinkel)
    Michael Böddeker: Bildung ist wichtig, aber auf dem Weg zum Traumberuf auch nicht alles, denn auf diesem Weg gibt es ein paar wesentliche Hürden: zum Beispiel das Vorstellungsgespräch und überhaupt erst mal zu so einem Gespräch eingeladen zu werden - dafür muss erst mal der Personaler überzeugt werden. Worauf achten Personalverantwortliche im Moment ganz besonders und welche Defizite lassen sich vielleicht durch Stärken anderswo wieder ausbügeln? Mehr darüber weiß Bildungsökonom Ludger Wößmann vom ifo Institut. Er ist Mitautor einer neuen Studie zum Thema. Schönen guten Tag!
    Ludger Wößmann: Guten Tag!
    Palette verschiedener Fähigkeiten
    Böddeker: Was ist denn für einen Personalleiter im Moment das Wichtigste bei einem Bewerber?
    Wößmann: Es kommt ganz drauf an, das ist das Spannende. Es kommt drauf an, ob es männliche, weibliche Bewerber sind, es kommt drauf an, ob sie sich auf eine Lehrstelle bewerben oder Hochschulabsolvent sind. Und generell gilt auch, es ist nicht immer nur eines, sondern es sind sehr viele Sachen.
    Wir haben uns eine ganze Palette von verschiedenen Fähigkeiten angeschaut, und spannenderweise ist es immer so, dass sowohl gewisse kognitive Fähigkeiten, so was wie Abschlussnoten, wichtig sind als auch soziales Engagement, was man unterschiedlich auf dem Lebenslauf sehen kann, als auch Dinge wie, die wir gerne Reife nennen, also ob jemand sich schon für den Job interessiert hat und darauf vorbereitet ist.
    Alter, längeres Praktikum und Abschlussnoten
    Böddeker: Reife ist ein interessantes Kriterium. Woran machen Personalverantwortliche fest, ob ein Bewerber, eine Bewerberin reif ist?
    Wößmann: Ja, das ist die spannende Frage. Was wir gemacht haben, ist - daneben, dass wir auch die Personalleiter gezielt gefragt haben, was ihnen wichtig ist, haben wir die Personalleiter auch gebeten, doch mal an einem Experiment teilzunehmen. Wir haben ihnen zwei Lebensläufe vorgelegt, und sie sollten sich entscheiden, welchen von den beiden Bewerbern würden sie zum Vorstellungsgespräch einladen. Und dann haben wir auf diesen beiden Lebensläufen rein zufällig wie beim Experiment verschiedene Dinge abgeändert, und Dinge, die dazugehören, sind zum Beispiel eben auch das Alter. Und zwar haben wir jetzt bei Lehrstellenbewerbern das einfach so gemacht, die sind alle im gleichen Schuljahrgang, aber die einen sind gerade ein halbes Jahr älter als die anderen, und interessanterweise ist das gerade bei männlichen Bewerbern für eine Lehrstelle sehr wichtig. Also es scheint so zu sein, dass diese Reife, einfach nur, dass man schon ein bisschen älter ist, wenn man von der Realschule kommt und sich auf eine Lehrstelle bewirbt, durchaus relevant ist.
    Bei den Hochschulabsolventen, die sich auf die erste Festanstellung bewerben, sehen wir auch sehr deutlich, dass wenn man ein längeres Praktikum gemacht hat - also fünf Monate oder drei Monate statt nur einem Monat -, dass das auch einen sehr deutlichen Effekt drauf hat, zum Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden, was möglicherweise auch so ein Effekt der Reife ist.
    Und wiederum nur bei männlichen Bewerbern interessanterweise ist es bei den Hochschulabsolventen auch so, dass die Abiturnote einen zusätzlichen Effekt hat, und das wohlgemerkt, nachdem die Hochschulnote, die Note des Abschlusses an der Hochschule, schon rausgerechnet wurde. Insgesamt ist es nämlich so, dass der allerwichtigste Effekt bei den Hochschulabsolventen die Hochschulnote ist - das ist der deutlichste, stärkste Effekt, sich für diesen im Gegensatz zu einem anderen Lebenslauf zu entscheiden. Und auch bei den Lehrstellenbewerbern ist die Abschlussnote einer der wichtigsten Effekte.
    Soziales Ehrenamt kann Schulnoten wettmachen
    Böddeker: Also durchaus ein komplexes Gefüge von Faktoren. Kann denn ein Faktor, der besonders gut ist, einen anderen Faktor, der schlecht ist, wieder ausgleichen?
    Wößmann: Ja, durchaus, in dem Sinne, dass wir eben sehen, dass es diese verschiedenen Aspekte gibt, und die wirken auch unabhängig voneinander, ist es eben so, dass zum Beispiel bei den Lehrstellenbewerbern zwar die Abschlussnote wichtig ist, aber zum Beispiel, ob man ein soziales Ehrenamt auf dem Lebenslauf hat oder nicht, der Effekt ist sogar noch größer als so etwa anderthalb Schulnotenstufen. Sprich, es ist durchaus so, dass man, wenn man in der Schule nicht die allerbesten Noten hat, durchaus durch andere Dinge, wie zum Beispiel das soziale Ehrenamt oder auch durch Computerkenntnisse einiges wettmachen kann.
    Böddeker: Die Vorlieben und Wünsche von Personalverantwortlichen werden ja auch schon länger beforscht. Was hat sich da so über die Jahre geändert oder verschoben, in welche Richtung geht der Trend?
    Wößmann: Ich glaube, insgesamt ist es eben schon deutlich zu sehen, dass diese Abschlussnoten eine Konstante sind, die so durchgehen, und gleichzeitig, dass man sagt, es ist nicht nur ein Aspekt, der wichtig ist, sondern diese ganze Breite von Abschlussnoten über Computerkenntnisse, auch Sprachkenntnisse, die durchaus relevant sind, soziales Engagement bis hin zu den Praktika, die sich alle positiv auswirken.
    Immer noch wichtig: Basiskompetenzen in verschiedenen Fächern
    Böddeker: Ist das nicht eigentlich überraschend, dass auch die Abschlussnote nach wie vor so eine große Rolle spielt? Wir hören immer davon, dass die Noten immer besser werden, dass es vielleicht eine Noteninflation sogar gibt in bestimmten Fächern, aber trotzdem setzen offenbar Personaler noch stark auf diese Note.
    Wößmann: Ja, in der Tat. Ich glaube, der Punkt ist natürlich, dass man einfach nicht sehr viel anderes hat. Wenn man eine schriftliche Bewerbung bekommen hat, muss man als Personalleiter drauf schauen, und am Ende des Tages zeigen diese Ergebnisse eben, wie wichtig es in der Tat ist, diese grundlegenden Basiskompetenzen in den verschiedenen Fächern - und bei den Abschlussnoten geht es ja eigentlich um die Breite der Fächer - dort gut ausgewiesen zu sein. Wenn man die Personalleiter noch direkt befragt, besonders bei den Lehrstellenbewerbern sticht die Mathenote als besonders wichtig heraus. Da sagen die, das ist für sie sozusagen, wenn man direkt fragt, der allerwichtigste Indikator bei Bewerbern.
    Böddeker: Ludger Wößmann vom Münchner ifo Institut darüber, worauf Personalverantwortliche bei Bewerbern vor allem achten. Vielen Dank für das Gespräch!
    Wößmann: Danke schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.