Kohlendioxid wird in größeren Mengen in die Atmosphäre geblasen und spielt deshalb bei der Erwärmung der bodennahen Luftschicht die wichtigste Rolle. Mehr als ein Drittel der CO2-Emissionen weltweit entstehen bei der Verbrennung fossiler Energieträger und allen voran der Kohle. Ein Ende der Kohleverstromung ist wichtig, um die Erwärmung des globalen Klimas abzubremsen.
Doch der Kohleausstieg würde nicht nur dem Klimaschutz nützen, wie eine aktuelle Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) nun belegt. Forscher des PIK haben eine Computersimulation zu den Folgen eines weltweiten Ausstiegs aus der Kohleverbrennung entwickelt. Sebastian Rauner, Leitautor der Studie und Umweltökonom am PIK, sagte im Deutschlandfunk, dass ein vorzeigtiger Kohleausstieg vor allem in Asien viele Menschenleben retten könnte.
Das Interview in voller Länge:
Britta Fecke: Herr Rauner, für wen oder was wäre der Kohleausstieg denn noch von Vorteil?
Sebastian Rauner: Wie Sie ja schon gesagt haben: Die Verbrennung von Kohle ist die wichtigste Quelle von klimaschädlichem CO2, und darum ist es in aller Munde zur Bekämpfung des Klimawandels. Wir beschäftigen uns aber in den letzten Jahren auch verstärkt mit Umwelteffekten des Energiesystems und konzentrieren uns da auf die menschliche Gesundheit zum einen, aber auch auf die Effekte der Biodiversität. Und genau die zwei Kategorien würden sehr von einem globalen Kohleausstieg profitieren.
"Krasse Senkung an vorzeitigen Todesfällen"
Fecke: Dann lassen uns doch beide mal gesondert betrachten. Blicken wir erst mal auf die Gesundheit. Inwieweit würde sich die verbessern, wenn wir global aus der Kohleverstromung aussteigen würden?
Rauner: Was wir gemacht haben: Wir haben ein Szenario verglichen von einem gewissen "weiter so", wie die Klimaschutz-Anstrengungen gerade laufen, und einem beschleunigten Kohleausstieg, ein Kohleausstieg, der konform ist mit dem Zwei-Grad-Szenario, wie das im Paris Agreement verankert ist. Was wir finden ist, dass vor allem in Asien es zu einer ziemlich krasse Senkung an vorzeitigen Todesfällen durch Luftverschmutzung kommt. Wir haben ausgerechnet, dass 1,4 Millionen vorzeitige Todesfälle vermieden werden, allein durch einen Kohleausstieg in 2050.
Fecke: Ich denke jetzt besonders an China, wo nicht mehr ganz so viel los ist. Im Moment kann man in Peking ja sogar die Sonne sehen. Das ist sonst nicht möglich.
Rauner: Ja, das ist wahrscheinlich einer der wenigen positiven Effekte.
Fecke: Sie haben jetzt vor allem Lungenkrankheiten in Asien angesprochen, in Indien und China. Gibt es sonst noch irgendwelche gesundheitlichen positiven Nebeneffekte?
Rauner: Na ja. Es gibt noch relativ viele Effekte, die wir unter Human Toxicity zusammenfassen. Es gibt nicht nur Luftverschmutzung im klassischen Sinne, sondern auch andere Emissionen wie Quecksilber und so weiter, die natürlich auch eine krasse Wirkung auf die menschliche Gesundheit haben.
Fecke: Jetzt haben Sie bei der Studie explizit auf den Nutzen hingewiesen, der neben dem Klimaschutz aufkommen würde, sobald man aus der Kohleverstromung aussteigt. Aber ich denke mal, ganz kann man diesen Kontext ja auch nicht leugnen. Mit der Klimaerwärmung kommt es ja auch zu viel mehr Herz-Kreislauf-Problemen, und mit dem Kohlendioxid-Anstieg und dem schnelleren Erwärmen der bodennahen Luftschicht kommt es ja dann wiederum auch zu gesundheitlichen Problemen, die aus der Hitze entstehen, oder nicht?
Rauner: Das ist richtig. Dazu gibt es auch Studien, die das belegen. Uns war jetzt in der Arbeit aber wichtig zu zeigen, selbst wenn man diese Effekte nicht berücksichtigt, selbst wenn man relativ gesicherte Effekte von Luftverschmutzung und Biodiversität nur mit einbezieht, hat es schon einen positiven Effekt. Im Grunde heißt das: Selbst wenn einem Klimaschutz egal ist, hat es schon Vorteile, aus der Kohle auszusteigen.
"Netto-Benefit von 1,5 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung"
Fecke: Sie haben neben der Gesundheit die Biodiversität hervorgehoben. Wieso hat ein Ausstieg aus der Kohleverstromung so einen positiven Effekt auf die Artenvielfalt?
Rauner: Was relativ stark in die Biodiversität mit einfließt sind Landverbräuche. Wenn man sich Braunkohlereviere anschaut, ist das ein Rieseneingriff in die Landschaft. Aber es gibt auch Effekte wie die Versauerung von Böden, die durch Emissionen, durch die Kohleverbrennung entstehen.
Fecke: Sind es nur die Böden? Was ist mit den Gewässern?
Rauner: Gewässer haben wir außen vor gelassen. Wir haben uns nur auf die Land-Spezifik konzentriert. Bei Gewässern ist die Datenlage noch nicht so gesichert, dass wir das noch nicht bewertet haben. Aber sicherlich gibt es da auch starke Effekte.
Fecke: Sie sind ja Umweltökonom. Wie groß wäre denn der volkswirtschaftliche Nutzen, wenn wir aussteigen würden aus der Kohleverbrennung?
Rauner: Was bisher eigentlich nur gemacht wird ist, sich anzuschauen, was ist der wirtschaftliche Schaden, wieviel mehr muss man für Energieträger bezahlen, wenn man die Kohle im Boden lässt, und was ist der Klimaschutz-Nutzen. Wir haben diesmal auch angeschaut, was ist der soziale Benefit dadurch, dass weniger Leute Gesundheitseffekte erleiden müssen. Und da haben wir ausgerechnet: Wenn man die Sachen gegenüberstellt, hat es einen Zusatznutzen, einen Netto-Benefit von 1,5 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung in 2050, was natürlich ein Rieseneffekt ist.
Fecke: Dagegen stehen aber dann die Kosten, wenn man umsteigen müsste von der Kohle auf andere Energieträger. Haben Sie das auch ins Verhältnis gesetzt?
Rauner: Das ist damit berücksichtigt. Genau! Wir haben verglichen die Kosten für die Klimapolitik. Das beinhaltet ein geringeres Wachstum, einen geringeren Konsum durch Mehrausgaben für das Energiesystem und mehr Investitionen in das Energiesystem. Das ist damit berücksichtigt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.