Wenn es um die großen Müllstrudel im Ozean geht, wird zumeist auf die katastrophale Müllentsorgung in Entwicklungsländern verwiesen. Dass auch hierzulande viel Kunststoff in die Umwelt gelangt, zeigt eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Umwelt, Energie und Sicherheitstechnik – kurz Umsicht. Dabei spielt auch die Müllentsorgung eine große Rolle, wie die Mitautorin der Studie, Leandra Hamann berichtet.
"Bei den Ergebnissen haben wir Hochrechnungen gemacht zu 51 Quellen von Mikroplastik-Emission. Und auf Platz eins liegt der Reifenabrieb, sowohl von PKW, LKW aber auch von Fahrrädern, also eigentlich, alles was ich auf der Straße bewegt. Dann kommen dahinter Freisetzungen bei der Abfallentsorgung. Wenn zum Beispiel etwas aus Versehen in den Kompost gerät und dann über Düngemittel wieder ausgetragen wird. Abrieb aus Bitumen, das gehört so ein bisschen zum Abrieb aus Reifen, also der Abrieb von Asphalt, der mit den Reifen korreliert."
Gelber Sack schlägt zu Buche
Das sind lediglich die Top 3 der Studie, wobei bei der Abfallentsorgung nicht nur der Biomüll, sondern auch der gelbe Sack zu Buche schlägt. Durch die Zerkleinerung des Kunststoffes für ein späteres Recycling gelangten ebenfalls viele Teilchen in die Umwelt, erklärt Hamann. Echte Messwerte gebe es allerdings nur für die wenigsten Eintragspfade. Das gilt auch für die viertgrößte Plastikquelle: die so genannten Kunststoffpellets. Das sind einige Millimeter große Teilchen, die als Rohmaterial für Produkte dienen, erklärt Ralf Bertling, ebenfalls Autor der Studie:
"Die werden eingeschmolzen und entsprechend dann diese Kunststoffprodukte daraus gefertigt, ganz gleich, ob das jetzt eine Hülle vom Smartphone ist oder ein Tisch. Wenn Sie sich diese Pellets vorstellen: Die werden transportiert und im Grund resultieren diese Verluste aus dem Transport und der Herstellung. Und diese Mengen an Pellets, die werden dann oft mit einem Freisetzungsfaktor multipliziert. Den haben wir nicht selber erfunden, da greifen wir auch gerne auf Studien zurück, die es da schon gibt. Und dann kann man quasi diese Freisetzungsrate multiplizieren mit der tatsächlich produzierten Menge. Das ist dann nur ein verschwindender Bruchteil, der verlustig geht. Aber aufgrund der hohen Grundmenge ist der Wert dann relativ hoch."
Kläranlagen halten bis zu 90 Prozent des Mikroplastiks zurück
Nimmt man alle errechneten Quellen zusammen, dann gelangen in Deutschland pro Jahr 446.000 Tonnen Plastik in die Umwelt. Das entspricht gut drei Prozent des gesamten verwendeten Plastiks hierzulande. 74 Prozent dieser Emissionen sind Mikroplastik und damit kleiner als fünf Millimeter. Was mit diesen Plastikabfällen passiert, ist daher auch sehr schwer zu untersuchen. Einiges gelangt direkt in Flüsse oder Meere, anderes kann sich an Land anreichern oder wird vom Regen weggespült. Hier, so betonen beide Autoren, sei es wichtig, die Siedlungswasserwirtschaft genauer zu untersuchen und zu verbessern. Denn landet das Mikroplastik gemeinsam mit Schmutz- oder Regenwasser in der Kläranlage, ist schon viel gewonnen.
"Kläranlagen können bis zu 90 Prozent des Mikroplastik im Abwasser zurückhalten. Das ist, momentan das Beste, was wir haben, also technologisch, um die Mikroplastik-Emissionen zu reduzieren, damit nicht so viel in Flüsse und Seen gelangt oder auch in den Boden."
Voraussetzung dafür wäre allerdings, dass Klärschlämme, die den größten Teil des Mikroplastiks auffangen, nicht mehr auf die Felder ausgebracht, sondern verbrannt werden.
* In einer früheren Version dieses Beitrags stand in der Überschrift fälschlicherweise Grundwasser statt Umwelt.