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Studie zu steigenden Schülerzahlen
"Bertelsmann zeigt uns hier nichts Neues"

Die Kulturministerkonferenz gehe nicht von zu niedrigen Schülerzahlen aus, widersprach deren Generalsekretär Udo Michallik einer aktuellen Bertelsmann-Studie im Dlf. Vielmehr hätten die Bundesländer bereits umfangreich nachgesteuert - aufgrund der aktuellen Entwicklung.

Udo Michallik im Gespräch mit Benedikt Schulz |
    Eine Schülerin der Klasse 3a der Regenbogenschule in Fahrland, einem Ortsteil von Potsdam (Brandenburg), schreibt in der Unterrichtsstunde Worte mit h.
    Geht die Kulturministerkonferenz von zu niedrigen Schülerzahlen aus? Deren Generalsekretär sieht das nicht so. (dpa / picture alliance)
    Benedikt Schulz: Die Studie "Demografische Rendite ade" der Bertelsmann Stiftung rechnet also mit deutlich steigenden Schülerzahlen. Es werden dramatische Engpässe an Lehrkräften und Gebäuden an die Wand gemalt, und damit geht der Blick ja ganz klar in Richtung der Bildungsministerien der Bundesländer. Die Kulturministerkonferenz gehe bislang von zu niedrigen Schülerzahlen aus, sagt die Bertelsmann Stiftung.
    Udo Michallik ist der Generalsekretär der Kultusministerkonferenz, und ich habe ihn gefragt, hat sich die Kultusministerkonferenz verkalkuliert?
    Udo Michallik: So kann man das nicht sagen. Die Zahlen der Kultusministerkonferenz sind nicht Planungsgrundlage für das, was in den Ländern passiert. Die Länder, die Bildungsministerien in den Ländern, haben ihre eigene Prognose und ermitteln auch, wie zwangsläufig zu jeder Schuljahresvorbereitung oder im Rahmen jeder Schuljahresvorbereitung, ihre eigenen Schülerprognosen. Insofern haben die Länder aktuelle Zahlen, auf deren Basis sie dann auch die entsprechenden Planungen in den Ländern machen. Wir in der Kultusministerkonferenz fassen regelmäßig diese Zahlen aus den Ländern zu bundesweiten Modellrechnungen zusammen. Und insoweit kann ich nicht im Moment davon ausgehen, dass in den Ländern falsche Zahlen vorliegen, sondern die Länder werden die oder haben die richtigen Zahlen.
    Schulz: Das heißt aber, dass sie auch mit steigenden Schülerzahlen rechnen?
    Michallik: Wir haben seit mindestens in den letzten zwei Jahren, aber auch durch die demografische Entwicklung zum Teil in einigen Bundesländern wissen wir schon, dass wir steigende Schülerzahlen haben. Und nicht zuletzt durch die großen Flüchtlingsbewegungen wissen wir, dass in den Schulen mit steigenden Schülerzahlen zu rechnen ist. Die Länder haben mit umfangreichen Maßnahmepaketen sowohl finanziell als auch mit Stellen hier nachgesteuert, sind auch dabei, ihre entsprechenden Kapazitäten in den Schulgebäuden anzupassen. Also insofern zeigt Bertelsmann uns hier nichts Neues, sondern wir wissen um die Zahlen und um die Entwicklungen in den Ländern.
    Schulz: Aber das heißt, Schulschließungen, die es jetzt in den letzten Jahren, in den vergangenen Jahren gegeben hat, die werden jetzt alle rückgängig gemacht oder werden nicht mehr erfolgen?
    "Konkret schauen, wie die Situation in den Ländern ist"
    Michallik: Da muss man jetzt genau in die Länder hineinschauen, wie in den Ländern die Situation ist. Auch das zeigt Bertelsmann, dass es hier durchaus eine differenzierte Betrachtung zwischen den Bundesländern gibt. Jetzt hier so auf diese Frage pauschal zu antworten, das, glaube ich, verbietet sich. Wir müssen an die konkrete Situation in den Regionen schauen, wie es sich da mit den Schülerzahlen verhält. Und da nach den Antworten suchen. Und auch das tun die Länder.
    Schulz: Was aber ziemlich sicher erscheint, ist, dass es eine demografische Rendite so nicht geben wird. Also dass sich Probleme - zum Beispiel das Problem überfüllte Klassenzimmer, zu wenig Sonderpädagogen für die Umsetzung der Inklusion, zu wenig Lehrkräfte mit Deutsch als Zweitsprache, ganz zu schweigen jetzt mal von den ganzen sanierungsbedürftigen Schulgebäuden -, das wird sich alles nicht durch die demografische Rendite von alleine auflösen. Da stimmen Sie mir aber zu?
    Michallik: Ja, ich weiß jetzt gerade nicht, ob aktuell die demografische Rendite noch das große politische Thema ist. Das ist eine Diskussion, die ich aus eigener Erfahrung her vor zehn Jahren selber geführt habe. Insofern werden hier auch noch mal alte Modelle bemüht. Wir müssen jetzt ganz konkret schauen, wie die Situation in den Ländern ist. Und wie ich es schon deutlich gemacht habe: Angesichts der besonderen Situation, die wir gerade in den letzten zwei Jahren vorgefunden haben, haben die Länder in Größenordnungen in Bildung investiert, in neue Stellen investiert, um dort die Schülerzahlzuwächse aufzufangen.
    Schulz: Die Schülerzahlzuwächse zum Beispiel durch Zuwanderung, Stichwort Flüchtlinge.
    Michallik: Ja.
    Schulz: Und was ist mit den steigenden Geburtenraten? Das ist ja noch nicht ...
    Michallik: Die sind natürlich mit in den Prognosen der Länder mit drin. Und auch dort wird entsprechend bei den Stellen dann nachgesteuert. Das ist selbstverständlich.
    Schulz: Und das heißt, dass wir noch nicht zu spät dran sind, steigende Geburtenzahlen, das ist alles schon eingepreist, Sie sind auf dem richtigen Weg? Verstehe ich Sie da richtig?
    "Die Länder haben eigene Prognosen"
    Michallik: Ja, noch mal: Die Länder haben eigene Prognosen und erheben in den Ministerien auch selber die entsprechenden Zahlen. Und nicht die Kultusministerkonferenz macht die Planungsgrundlage für die Länder, sondern umgekehrt. Die Länder machen für sich die Planungsgrundlagen. Und dort hat man statistische Landesämter als auch die Erhebungen in den Ministerien selber, sodass man dort ganz genau vor Ort weiß, wie die entsprechende Entwicklung der Schülerzahlen ist und sich dann auch dementsprechend darauf einstellt.
    Schulz: Lassen Sie uns trotzdem noch über eine andere Zahl sprechen, und zwar den Finanzbedarf. Die Bertelsmann Stiftung rechnet mit 4,7 Milliarden Euro höheren Bildungsausgaben für das Jahr 2030 im Vergleich zu heute. Ist das realistisch? Was sagen Sie?
    Michallik: Das kann ich Ihnen jetzt so nicht sagen. Da muss man noch mal die entsprechenden Grundlagen prüfen. Wir wissen, dass auch die Planungsgrundlagen sich in den Ländern unterscheiden, die dann entsprechend solche Modellrechnungen erstellt werden. Das muss dann noch mal zu prüfen sein und dann auch letztendlich in den Gesamtkontext der Bildungsausgaben gestellt werden. Jetzt hier so eine Zahl pauschal herauszugreifen, das würde sich aus Sicht der Kultusministerkonferenz zumindest an der Stelle heute verbieten.
    Schulz: Sagt Udo Michallik, Generalsekretär der Kultusministerkonferenz. Herr Michallik, danke schön!
    Michallik: Ich danke Ihnen, Herr Schulz!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.