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Studie zum Mikrobiom
Keimschleuder Küchenschwamm

Er besteht aus Schaumstoff und findet sich in vielen Küchen - der Spülschwamm. Bei einer Analyse des Küchenhelfers waren Forscher nicht nur über die schiere Menge von Bakterien überrascht, sondern auch von der Artenvielfalt auf dem Schwamm.

Von Nina Rink |
    Mehrere Küchenschwämme liegen in verschiedenen Farben übereinander
    Küchenschwämme sind potenzielle Bakterienschleudern - und nicht immer nur schwarz-gelb. (imago/Orangechrom)
    Massimiliano Cardinale von der Universität Gießen sitzt an seinem Hochleistungsrechner und lässt ein 3-D-Modell auf dem Monitor kreisen.
    "Das ist der Schwamm – und diese sind jetzt die Bakterien."
    Zu sehen ist: eine unregelmäßige, grüne Fläche mit vielen, vielen roten Punkten. Jeder Punkt steht für eine Bakterienzelle.
    "Wir wollten das Mikrobiom des sogenannten Built Environment studieren. Das sind die mikrobielle Gemeinschaften, die häusliche und andere menschliche Anlagen besiedeln. Sie sind ziemlich intensiv beforscht derzeit, aber es gab eine Lücke, und zwar genau das Spülschwämme-Mikrobiom. Und wir haben unsere Studie gemacht, um diese gesamten Bakterien detektieren und identifizieren zu können."
    Proben aus Privathaushalten von Studierenden
    In Kooperation mit Markus Egert von der Hochschule Furtwangen und Tilman Lüders vom Helmholtz-Zentrum München hat Cardinale das Mikrobiom von Küchenschwämmen analysiert. Die Proben stammen von 14 benutzten Schwämmen aus Privathaushalten von Studierenden. Wie es bei denen in der Küche aussieht, weiß Massimiliano Cardinale zwar nicht. Aber ihre bakteriellen Mitbewohner hat er jetzt auf dem Schirm. Die Bakterienzellen in den Schwämmen wurden eingefärbt, unter dem Mikroskop analysiert und daraus ein virtuelles Modell erstellt.
    Die Visualisierung am Rechner zeigt erstmals anschaulich, wie viele Keime sich in und auf Spülschwämmen tummeln.
    "Die Keimbelastung erreicht wirklich sehr hohe Werte - bis zu 50 Milliarden Zellen pro Kubikzentimeter Schwamm, die einen sehr dichten Biofilm aufbauen. Und das ist eine Konzentration, ähnlich wie in einer Fäkalprobe."
    Keimkonzentration dieser Größenordnung nicht erwartet
    Eine Keimkonzentration dieser Größenordnung hatten die Forscher nicht erwartet. Und nicht nur die schiere Menge an Bakterien ist überraschend, auch ihre Artenvielfalt. Die untersuchten Objekte entpuppen sich als mikrobiologische Hotspots.
    "Also, wir haben mehr als 300 bakterielle Arten gefunden in den Küchenschwämmen. Und fünf der zehn abundantesten Arten sind nahe verwandt mit sogenannten opportunistischen Pathogene. Wie zum Beispiel Acinetobacter, Chrysiobacterium, Moraxella. Und andere."
    Diese besonders häufig auftretenden Keime gelten als potenziell krankheitserregend. Für gesunde Menschen sind sie ungefährlich. Bei Menschen mit schwachem Immunsystem können sie jedoch Infektionen auslösen. Das Bakterium Moraxella osloenis steht zudem im Verdacht, den üblen Geruch gebrauchter Schwämme zu verursachen. Das poröse Material des Küchenschwammes bietet den Bakterien ein perfektes Habitat, erklärt Massimiliano Cardinale:
    "Sie leben sehr komfortabel. Weil der Schwamm hat wie so eine dreidimensionale Netzstruktur – da sind die Bakterien geschützt, von außen. Und auf dem Schwamm und in dem Schwamm bleiben Reste vom Essen - Lebensmittel - und viel, viel Wasser. Das heißt: Die perfekten Bedingungen für bakterielles Wachstum. Sie lieben Schwämme. Absolut."
    Sehr resistente Bakterien
    Und zwar so sehr, dass sie sich auch nicht von den Reinigungsmethoden der Schwammbesitzer vertreiben lassen. Nach einer Reinigung, etwa in der Spülmaschine, ist die Bakterienzahl zwar kurzfristig niedriger, wächst dann aber schnell wieder an.
    "Also, unsere Begründung für diese Beobachtung ist, dass diese Bakterien sehr resistent sind. Nach einer Behandlung wie eine Reinigung, eine Desinfektion mit Reinigungsmittel oder Mikrowelle, werden viele, viele Bakterien getötet – aber nicht alle. Die, die bleiben, sind die, die mehr resistent sind."
    Wer seinen Spülschwamm regelmäßig reinigt, hilft also vor allem den pathogenen Bakterien, die danach mehr Platz und Ressourcen haben, um sich zu vermehren. Beim normalen Gebrauch des Schwammes gelangen sie dann leicht vom Schwamm auf Oberflächen, Geschirr oder Nahrungsmittel. Um das zu verhindern, hilft eigentlich nur Eines, meint Massimiliano Cardinale: Gebrauchte Küchenschwämme regelmäßig durch Neue ersetzen.
    "Deswegen - bei intensiver Nutzung – sollen die Spülschwämme etwas öfter getauscht werden. Zum Beispiel auf einer wöchentlichen Basis."