Wer gegen Sars-CoV-2 geimpft ist, von dem geht laut einem Bericht des Robert Koch-Instituts kaum noch ein Ansteckungsriskio aus. Geimpfte könnten somit eigentlich wie Getestete behandelt und ihnen wieder mehr Freiheiten zugestanden werden, finden viele. Andere wiederum empfinden dies als ungerecht, vor allem diejenigen, die in absehbarer Zeit keine Möglichkeit zum Impfen bekommen werden. Entsprechend kontrovers wird das Thema aktuell in Deutschland diskutiert.
Die Aussicht auf freies Reisen und den Besuch von Konzerten könnte für manche womöglich aber auch Anreiz sein, sich impfen zu lassen. Wie groß die Impfbereitschaft der Deutschen ist und wie sie sich verändert - unter anderem nach den Diskussionen über mögliche Nebenwirkungen von Vakzinen -, dazu führt die Universität Erfurt im Rahmen ihres COSMO-Projekts regelmäßig Befragungen durch.
Ist die Aussicht auf mehr Freiheit ein Anreiz für die Menschen, sich impfen zu lassen?
Laut den jüngsten Ergebnissen der COSMO-Studie ist die Aussicht auf mehr Freiheit für die Mehrheit der rund 1.000 Befragten kein Anreiz, sich gegen SARS-CoV-2 immunisieren zu lassen. Wobei es Unterschiede gibt: Für Jüngere ist es eher ein Anreiz als für ältere Menschen. Dass die Aussicht auf mehr Freiheiten zumindest in dieser Studie nur für wenige Befragte ein Impfanreiz ist, ist bemerkenswert - hieß es doch zu Beginn der Debatte: Mehr Freiheiten für Geimpfte kämen einer Impfpflicht durch die Hintertür gleich.
Allerdings müsste man sich die Antworten auf diese Frage noch einmal anschauen, sobald in vielen Ländern Impfpässe ausgestellt werden. Wenn nicht-geimpfte Menschen nach einer Reise in Quarantäne müssen oder nicht mehr mitfliegen dürfen, weil Fluggesellschaften eine Impfung vorschreiben, könnte sich das Meinungsbild möglicherweise ändern.
Wie hoch ist aktuell die Impfbereitschaft in Deutschland?
Die Impfbereitschaft der Deutschen ist generell recht hoch. Eine Befragung des Robert Koch-Instituts kam zuletzt zu dem Ergebnis, dass sich 73 Prozent der Deutschen gegen SARS-CoV-2 impfen lassen würden. Allerdings ist die Bereitschaft nicht bei jedem Impfstoff gleich hoch. Mit dem m-RNA-Vakzin von Biontech und Pfizer würden sich mehr Menschen impfen lassen. Beim Präparat der Firma Astrazeneca gibt es aufgrund der Berichte über vereinzelte schwere Nebenwirkungen mehr Vorbehalte. Laut COSMO-Befragung liegt hier die Impfbereitschaft etwas niedriger, aktuell bei etwa 65 Prozent. Diese COSMO-Studie zeigt aber, dass die Impfbereitschaft kontinuierlich gestiegen ist, seit die ersten Corona-Vakzine zugelassen wurden.
Seit ein paar Wochen stagniert die Impfbereitschaft allerdings, wofür es verschiedene Erklärungen gibt: Zum einen fallen die bereits Geimpften aus der Statistik, also diejenigen, bei denen man ohnehin von einer hohen Impfbereitschaft ausgehen kann - sonst wären sie noch nicht geimpft. Zum anderen vermutet COSMO-Studienleiterin Cornelia Betsch, dass die Diskussionen um die Sicherheit der Impfstoffe bei vielen Menschen zu Unsicherheit führen. Sie empfiehlt eine bessere Kommunikation: Den Menschen sollte immer wieder bewusst gemacht werden, wie gering die Risiken einer Impfung im Vergleich zu denjenigen einer Infektion mit SARS-CoV-2 sind, also der Gefahr eines schweren Verlaufs oder bleibender Organschäden.
Kann mit der aktuellen Impfbereitschaft Herdenimmunität erreicht werden?
Laut Cornelia Betsch müsste zumindest ein Teil der Kinder und Jugendlichen in Deutschland ebenfalls geimpft werden, damit sich das Virus nicht mehr ausbreiten kann. Die Forscherin Viola Priesemann vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen verweist zudem auf ein Phänomen, das bereits in anderen Ländern beobachtet wird: abnehmende Impfbereitschaft bei sinkenden Corona-Fallzahlen.
Das heißt: Je geringer die Gefahr eingeschätzt wird, sich zu infizieren, desto mehr sinkt auch die Bereitschaft der Bevölkerung, sich impfen zu lassen. Das sei zwar nachvollziehbar, könne aber dazu führen, dass die Fallzahlen wieder steigen, gibt Viola Priesemann zu bedenken. Ihrer Einschätzung nach könnte sich ein solches Szenario über den Sommer entwickeln, wenn die Fallzahlen erwartungsgemäß sinken.
In Israel, wo etwa 60 Prozent der Bevölkerung bereits geimpft sind, lässt sich das Phänomen bereits beobachten. In dem Land sind etwa Cafés und Restaurants wieder geöffnet, der normale Alltag ist in gewisser Weise wieder zurückgekehrt. Parallel zur Öffnung vieler Bereiche stagniert jedoch die Impfrate. Ähnliches wird auch in den USA beobachtet. Dadurch wird eine mögliche Herdenimmunität gefährdet.
Wie könnte die Impfbereitschaft erhöht werden?
Auch dazu gibt die Leiterin der COSMO-Studie Cornelia Betsch Empfehlungen: Unter anderem rät sie, das Impfen so einfach und unkompliziert wie möglich zu machen, also möglichst in Wohnortnähe oder direkt am Arbeitsplatz oder auch in Schulen durchzuführen. Eine weitere Möglichkeit sind Drive-In-Stationen, wie es sie in etwa in den USA und anderen Ländern gibt. Bei diesen Stationen kann man ohne Termin mit dem Auto vorfahren und ganz einfach den Oberarm aus dem Fenster halten. Motivierend scheint für viele auch zu sein, dass sie andere nach einer Impfung nicht mehr anstecken können.