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Studie zur HIV-Therapie
Das Ansteckungsrisiko sinkt

Virus hemmende Medikamente verringern bei HIV-infizierten Menschen die Zahl der Erreger offenbar so stark, dass sie auch bei ungeschütztem Verkehr den Sexualpartner nicht oder allenfalls höchst selten infizieren. Das ist das vorläufige Ergebnis der europaweit durchgeführten "Partner-Studie".

Von Michael Engel | 10.06.2014
    Aids-Schleife
    Eine "Partner-Studie" zeigt, dass Ansteckungen selten sind, wenn die richtigen Medikamente genommen werden. (dpa/picture-alliance/Oliver Berg)
    Die Studie, europaweit an über 75 Zentren durchgeführt, untersucht das Risiko einer HIV-Übertragung bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr, sofern der HIV-infizierte Partner mit Medikamenten behandelt wird. Bei konsequenter Therapie mit virushemmenden Präparaten gelingt es heute, die sogenannte Viruslast auf weniger als 40 HIV-RNA Kopien pro Milliliter im Blutplasma zu senken. Das heißt, im Blut der behandelten Patienten befindet sich nur sehr wenig Erbmaterial der AIDS-auslösenden Viren.
    "Die antiviralen Medikamente verhindern die Vermehrung des Virus. Dadurch sinkt auch die Zahl der Viren, die man im Blut nachweisen kann. Und wenn die sinkt, war die Hypothese, dass man damit eine geringere Infektiosität bekommt."
    So Professor Reinhold Schmidt, Direktor der Klinik für Immunologie und Rheumatologie der Medizinischen Hochschule Hannover. Die Forscher untersuchen und befragen 458 homosexuelle und 687 heterosexuelle Paare, die schon vor Studienbeginn kondomlosen Sex praktizierten. Ergebnis: Bei durchschnittlich einem ungeschützten Geschlechtsverkehr pro Woche und Paar wurde das HI-Virus kein einziges Mal übertragen.
    "Diese Studie jetzt zeigt, man muss auch sagen – begrenzt auf eine gewisse Zeit erst einmal und unter bestimmten Bedingungen, dass eine bestimmte Frequenz von Sexualkontakten, dann auch eine bestimmte Therapieeinhaltung, und Nichtvorhandensein von zusätzlichen anderen Risiken, dass tatsächlich keine neuen Infektionen in diesen Paaren aufgetreten sind – wie wir sagen den diskordanten Paaren, also ein Partner positiv und ein anderer Partner negativ. "
    Der Untersuchungszeitraum ist mit 330 Patientenjahren allerdings recht kurz. Und 40 HIV-Kopien pro Milliliter Blutplasma sind eben auch nicht null Erreger. Das heißt: Ein Restrisiko bleibt bestehen. Als Empfehlung für ungeschützten Sexualverkehr wollen die Forscher die Studie denn auch nicht verstanden wissen:
    "Ich denke, man sollte nach wie vor bei Geschlechtsverkehr, wo ein Partner positiv, der andere negativ ist, sicher die Vorsorge mit einem Kondom durchführen. Wir würden nach wie vor nicht dazu raten, keine Kondome mehr zu benutzen. Das ist eine ganz wichtige Message, die trotz dieser positiven Ergebnisse kommen sollte."
    In der AIDS-Hilfe ist die Studie mit großer Aufmerksamkeit verfolgt worden. Das Risiko einer Infektion ist offenbar sehr klein, kommentiert Jürgen Maaß von der Hannöverschen Aidshilfe das Ergebnis.
    "Jetzt können wir uns auf solche Daten berufen und können ganz klar sagen, heterosexuelle Paare, wo ein Partner positiv ist, können auf ganz normalem Wege ein Kind zeugen, und es ist weder der negative Partner ernsthaft gefährdet noch das Kind."
    "Grünes Licht" für alle diskordanten Paare will die Aids-Hilfe aber nicht geben, nur für Paare mit Kinderwunsch. Die Entscheidung für oder gegen Kondome – so Jürgen Maaß - sollte in jedem Fall gemeinsam gefällt werden, denn ein Restrisiko bleibt. Höchste Vorsicht ist auch weiterhin bei häufig wechselnden Sexualkontakten geboten, wenn der HIV-Status der Bekanntschaft unklar ist: Tatsächlich hatten sich auch Studienteilnehmer auf diesem Wege infiziert, definitiv aber nicht durch den antiviral therapierten Partner:
    "Das hat ja auch Auswirkungen auf die Prävention, auf die Aufklärungsarbeit. Wir sagen ja auch, es ist wichtig, dass man sich regelmäßig testen lässt. Wenn man häufiger ungeschützten Sex hat – ob nun hetero- oder homosexuell – dass man weiß, dass man potentiell andere anstecken könnte, im Falle dass man positiv ist. Aber dass so eine Therapie auch eine Schutzmöglichkeit ist, sich gegenseitig zu schützen."
    Noch steht das endgültige Ergebnis der "Partner-Studie" aus. Wie hoch das Restrisiko sein wird, kann derzeit nicht endgültig beziffert werden. Eine Null wird aber wohl nicht dabei herauskommen. Nun soll bis 2017 unter Einschluss von weiteren 450 Paaren geforscht werden, um die Statistik auf ein breiteres Fundament zu stellen.