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Studienbereitschaft hängt von der sozialen Herkunft ab

Die Studienbereitschaft von Kindern aus sogenannten bildungsfernen Elternhäusern nimmt ab. Das zeigt eine Studie der Vodafone Stiftung. Die soziale Herkunft entscheidet darüber, ob Abiturienten ein Studium aufnehmen oder nicht.

Von Anja Nehls |
    Hilal und Emre studieren an der technischen Universität Berlin. Wirtschaftsmathematik und Physik im 3. bzw. 6. Semester. Sie gehören zu einer Minderheit, ihre Eltern haben nicht studiert, wollten aber dennoch, dass aus den Kindern etwas Besseres wird:

    "Meine Mama ist Hausfrau, mein Vater Fräser bei Ford, meine Eltern haben nicht studiert, aber reden mir seit 20 Jahren ein, dass ich studieren soll, viele Eltern wollen auch, dass ihre Kinder ein Leben führen, was sie nicht führen, nicht führen konnten."

    Dennoch nimmt die Studienbereitschaft von Kindern aus sogenannten bildungsfernen Elternhäusern immer mehr ab. Das zeigt eine Studie der Vodafone Stiftung. Die soziale Herkunft entscheidet darüber, ob Abiturienten ein Studium aufnehmen oder nicht. Bei Akademikerkindern ist die Chance sechsmal höher als bei anderen. Das bestätigen die Kommilitonen von Hilal und Emre:

    "Also meine Eltern haben auch beide studiert. Ich habe mich vielleicht schon an meinen Eltern orientiert, man kann ja gar nicht da raus, was einem so vorgelebt wird. Man bekommt bestimmte Werte vermittelt und orientiert sich an den Eltern. und wenn die eigenen Eltern nicht studiert haben, bekommst du das nicht so nahegelegt und suchst dir dann einen Ausbildungsberuf. Das könnte ich mir vorstellen."

    Nicht nur das klassische Abitur ist ein Türöffner zum Studium. Viele Studienberechtigungen werden heutzutage über das das berufliche Bildungssystem oder den zweiten Bildungsweg vergeben. Dennoch wird häufig kein Studium aufgenommen. Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern nutzen ihre Hochschulreife eher als Grundlage für einen Ausbildungsberuf. Ulla Burchardt, Vorsitzende des Bildungsausschusses im Deutschen Bundestag fordert deshalb mehr Möglichkeiten, auch später im Leben noch zu studieren:

    "Das Entscheidende ist, dass wir breite Übergänge und Brücken brauchen, um den Bildungsaufstieg auch im Laufe des Lebens zu ermöglichen, also zweite und dritte Chancen zu ermöglichen. Es spielt aber auch eine große Rolle, dass Lehrer unabhängig von der sozialen und ethnischen Herkunft sehr genau hinschauen und versuchen, Kinder zu ermutigen."

    Beispielhaft dafür ist das Lessing Gymnasium im Berliner Brennpunktbezirk Wedding. 30 Prozent der Schüler stammen aus sozialschwachen Familien, 70 Prozent haben Migrationshintergrund. Dennoch entscheiden sich überdurchschnittlich viele Schüler nach dem Abitur für ein Studium. An der Schule wird viel dafür getan, sagt Schulleiter Michael Wüstenberg :

    "Wir informieren umfassend, wie kann ich studieren, was kann ich studieren, wie kann ich das finanzieren. Wir informieren über Auslandsjahre, wir informieren über duales Studium. Das zweite ist die Kultur hier an unserer Schule, dass dieser Leistungsbegriff hier positiv besetzt ist und wenn dann jemand nicht die Förderung zuhause hat, dann kann er sie sich hier aber einholen. Spaß an Leistenwollen, Spaß an Verantwortung übernehmen, Spaß an: Ich plane mein Leben und schaffe das, was ich möchte. Ich setze mir selber Ziele und versuchen sie zu erreichen und das, egal ob ich Akademikereltern habe oder nicht. Das kann ich als Schüler des Lessing Gymnasiums irgendwann selber."

    Immerhin: Mitte der 70er-Jahre verfügten nur 15 Prozent der Schüler aus bildungsfernen Familien über eine Studienberechtigung wie zum Beispiel das Abitur. Heute sind es 35 Prozent. Nun müssen, die die eigentlich dürfen, sich nur noch trauen, auch tatsächlich zu studieren.