Eine Ärztin kann ihrem Patienten auf Augenhöhe gegenübertreten. Oder von oben herab. Doch solche Fragen habe ihr Studium ausgeklammert, sagt die Frau, die ihren Namen nicht im Radio hören will. 1992 hat sie ihren Abschluss als Medizinerin an der Christian Albrechts Universität in Kiel gemacht.
"Und das lernt man dann während des Berufs, sich selber `ne Haltung zu entwickeln, die Fragen sich zu stellen, wenn man vor dem Patientenbett steht. Aber man ist damit allein gelassen und findet irgendwann seine eigene Strategie, mit Patienten umzugehen oder sein Arztsein zu gestalten, wie möchte ich das machen oder was will ich dabei für ein Mensch sein."
Auch wegen solcher Fragen ist die 52-Jährige heute wieder an der Uni und belegt dort den Zertifikatsstudiengang "Forschungsethik", der seit April in Kiel angeboten wird.
Hier sollten zwei Perspektiven auf die wissenschaftliche Forschung vermittelt werden, sagt Florian Braun: Die Forschungsethik und die Wissenschaftsphilosophie.
Teilnehmerzahlen noch übersichtlich
"Und die ethische Perspektive, die fragt vor allem nach den normativen Aspekten. Also zum Beispiel: Welche moralischen Grenzen habe ich zu beachten in meiner Forschung. Gibt es vielleicht gesellschaftliche Grenzen, die ich einbeziehen muss, wenn ich mir Ziele für meine Forschung setze."
Diese forschungsethische Perspektive greift in dem Zertifikatstudiengang mit der wissenschaftsphilosophischen ineinander.
"Die fokussiert vor allem die Fragen: Was ist Erkenntnis, was ist Wissen, welche Kriterien zeichnet Wissen oder wissenschaftliche Erkenntnis aus?"
Florian Braun hat Physik und Philosophie studiert und in der Wissenschaftsphilosophie promoviert. Vor einem Jahr begann er zusammen mit seiner Kollegin Lara Huber, in Kiel den neuen Zertifikatsstudiengang aufzubauen. Dieser steht allen Studierenden sämtlicher Fachrichtungen ab dem dritten Semester offen, sagt die habilitierte Philosophin.
"Und entsprechend vielfältig können wir sagen haben wir jetzt schon Studierende für uns gewinnen können. Also, aus der Medizin, aus den Technikwissenschaften, aus den klassischen Naturwissenschaften ebenso wie aus dem heimischen Umfeld, also der Philosophie, den Geistes- und der Sozialwissenschaften."
Allerdings waren die Teilnehmerzahlen ziemlich übersichtlich. In einigen Veranstaltungen saß eine Lehrkraft alleine mit einem Studenten. Das Format müsse eben noch bekannter werden, sagt Lara Huber. Und die Studierenden müssten die neuen Lehrveranstaltungen parallel zu ihrem Studiengang belegen. Auch wenn ihnen nach vier Semestern weder ein Bachelor, noch ein Master in Forschungsethik winke. Sondern "nur" ein Zertifikat.
"Es ganz bewusst so gewählt, dass es ein Zertifikatsstudiengang ist. (…) Wir wollen jetzt nicht die perfekten Forschungsethiker ausbilden. Sondern wir möchten Studierende an die Thematik heranführen und sie sensibilisieren für die Herausforderungen auch in ihrem wissenschaftlichen Alltag."
Eigene Forschungsideen hinterfragen
Denn es geht im wissenschaftlichen Alltag nicht nur um Forschungsdaten und nackte Zahlen – die Absolventen sollen auch fähig sein, ihre Forschungsideen und -ergebnisse zu hinterfragen – und sie sollen sie vor einer kritischen Öffentlichkeit erklären und begründen können. Also: es geht auch um eine reflektierte Wissenschaftskommunikation.
Über solche Fragen macht sich auch dieser 36-jährige, Gedanken, der seinen Namen lieber für sich behält und im zehnten Semester Philosophie und Geschichte studiert. Politikberater ist ein Job, den er sich danach vorstellen kann. Da sei der Zertifikatstudiengang in Forschungsethik doch eine gute Ergänzung. Zum Beispiel, wenn es um die Verteilung der Steuermilliarden in die Wissenschaft gehe.
"Und das muss moderiert werden, das muss entschieden werden. Wer bekommt was und in welchem Umfang, wer kontrolliert das? Daran hat die Öffentlichkeit auch ein Interesse, dass da jemand draufguckt. Oder dass das Leute sind, die nicht nach Gutdünken entscheiden, sondern ihre Entscheidung begründen können."