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Studiengang in Jena
Elektrotechnik nur für Frauen

Die Ernst-Abbe-Hochschule in Jena möchte mehr Frauen für die E-Technik begeistern. Deshalb gibt es dort nun für die ersten beiden Grundsemester einen reinen Frauenstudiengang. Der zuständige Pro-Dekan Ralph Ewerth erklärt im DLF die Gründe - und hofft auf mindestens 20 Anmeldungen.

Ralph Ewerth im Gespräch mit Markus Dichmann |
    Studenten im Hörsaal
    Studenten im Hörsaal: In Zukunft sollen mehr Frauen auch in MINT-Berufen studieren. (picture alliance / dpa / Fredrik von Erichsen)
    Markus Dichmann: "Komm, mach MINT" – das ist ein Projekt des Bundesbildungsministeriums. "MINT Zukunft schaffen" – ein Projekt unter Schirmherrschaft der Bundeskanzlerin. Und dann gibt's noch den Frauen-MINT-Award, der jedes Jahr gemeinsam von einigen deutschen Unternehmen verliehen wird. Alle drei sind Ansätze, Ideen, Motivationsversuche, Frauen stärker in den MINT-Fächern zu etablieren. Also um das noch mal auseinanderzunehmen, dieses Akronym steht für: Mathematik, Ingenieurs- und Naturwissenschaften und Technik. Denn da spielen Frauen nach wie vor nur eine kleine Rolle. So manch eine Hochschule dreht das Ideenspiel noch ein Stück weiter und richtet zum Beispiel ganze Frauenstudiengänge ein – ein Studium ganz allein, exklusiv für Frauen, ohne das Dabeisein von Männern. Zum Beispiel die Ernst Abbe Hochschule Jena, die jetzt einen Frauenstudiengang E-Technik anbietet.
    Pro-Dekan Ralph Ewerth ist zuständig für den Studiengang. Herr Ewerth, wieso sollen Frauen E-Technik alleine studieren?
    Ralph Ewerth: Wie Sie schon gesagt haben, in den MINT-Studienfächern ist der Anteil weiblicher Studierender besonders oder sehr niedrig und in der Fachrichtung Elektrotechnik, Informationstechnik ist das leider besonders niedrig dieser Anteil. Wir glauben aber nicht, dass dies naturgegeben so ist oder sein müsste, sondern daran liegt, dass das Technikinteresse der Jungs in der Kindheit mehr gefördert wird als das der Mädchen, wie auch Studien zeigen. Und wir möchten dem ein positives Studienangebot entgegensetzen, das technikinteressierten Schülerinnen und Studieninteressentinnen einen attraktiven Studieneinstieg bietet und auch weitere attraktive studienbegleitende Maßnahmen.
    Dichmann: Jetzt studieren die jungen Frauen ja dann aber nur die ersten zwei Semester alleine, im dritten Semester dann wieder mit den Männern zusammen. Wieso dieses, ich nenne das jetzt mal, Mischmodell?
    Nur die ersten zwei Semester ein reiner Frauenstudiengang
    Ewerth: Das hat unserer Ansicht nach den Vorteil, dass dieser Studieneinstieg besonders attraktiv gestaltet werden kann, dass dort bestimmte Bedenken auch adressiert werden können, dass zum Beispiel männliche Kommilitonen mit mehr Vorwissen in das Studium der Elektrotechnik gehen würden, was aber nicht der Fall ist. Oder der Gedanke, dass man die einzige Frau unter 50 Jungs oder männlichen Kommilitonen sein würde, was in der Realität oft der Fall wäre, aber in dem Frauenstudiengang nicht. Und wir wollen aber nicht, dass das über das komplette Studium geht, da ja dann auch im Berufsleben der Kontakt mit Männern natürlich vorhanden sein soll. Und da jetzt nicht irgendwie der Eindruck entstehen soll, dass die Frauen nur unter sich sind und nicht teamfähig mit Männern wären.
    Dichmann: Da Sie jetzt schon die Berufswelt angesprochen haben, Herr Ewerth – in den MINT-Fächern ist es ja nicht nur so, dass die Frauen ungleich seltener als Männer diese Fächer studieren, sondern dass sie dann eben auch in der erwähnten Arbeitswelt ungleich seltener ihren Weg in Betriebe oder Forschungseinrichtungen finden. Da ändern ja jetzt zwei Semester männerfreies Studium noch nix dran.
    Ewerth: Ja, wir denken, dass dies vielleicht die Frauen überzeugen kann, die sich sehr wohl für Technik interessieren, aber gewisse Hemmnisse haben. Und wenn wir hier auch eine größere Anzahl von Frauen schon für das Studium gewinnen können, so gibt es vielleicht dann auch in der Folge mehr Absolventinnen, die dann auch in der Berufswelt diesen männerdominierten Bereich etwas weniger männerdominiert machen.
    Dichmann: Ein Frauenstudiengang für Informatik, den gab es schon mal in Berlin. Und da wurde jetzt genau wie bei Ihrem Studiengang in Jena für E-Technik auch durchaus heftig drüber diskutiert, muss man an der Stelle noch sagen. Ein Zitat, das ich da zum Beispiel in sozialen Netzwerken aufgeschnappt habe, ist: Rolle rückwärts für den Feminismus. Also es wird sich beschwert, dass das nichts mit Gleichberechtigung zu tun hat, wenn Frauen mit Sonderstudiengang bevorzugt oder benachteiligt werden, je nach Perspektive geht das Urteil da auseinander. Wie sehen Sie das?
    Ewerth: Ziel der Gleichstellung
    Ewerth: Ich sehe das so, dass – wie ich schon angedeutet habe –, dass es Studien gibt, die zeigen, dass das Technikinteresse von Jungs und Mädchen in der Kindheit unterschiedlich gefördert wird. Und wir sehen das nicht als diskriminierende Maßnahme, auch wenn wir jetzt in den ersten zwei Semestern da unterschiedliche Gruppen haben, sondern als Maßnahme, die letztlich zu einer Gleichstellung führen soll. Sodass wir irgendwann dann tatsächlich 30, 40 oder 50 Prozent Anteil weiblicher Studierender und Absolventinnen haben. Und dazu gehen wir jetzt einen Umweg quasi, dass wir zwei Semester mono-edukativ unterrichten, aber das ist ja nur eine temporäre Maßnahme, die letztlich das Ziel der Gleichstellung hat. Deshalb meiner Ansicht nach keine Rolle rückwärts.
    Dichmann: 20 Plätze bieten Sie jetzt für den Frauenstudiengang erstmalig an für E-Technik für das kommende Semester. Man kann sich übrigens noch – an der Stelle soll es erwähnt sein – bis zum 15. August, also bis zu diesem Freitag, für den Studiengang bewerben. Können Sie denn, Herr Ewerth, schon was über die Resonanz sagen, also bewerben sich jetzt tatsächlich mehr Frauen als vorher?
    Ewerth: Ich habe jetzt seit einigen Tagen keine neuen Zahlenzusammenbekommen, aber es haben sich schon mehr Frauen beworben als bislang, und ich möchte auch noch ergänzen, dass wir auch noch über den 15. August Bewerbungen zulassen werden. Das heißt, wir werden bis zu 30 Studienplätze vorhalten. Und diese sind noch nicht ausgeschöpft.
    Dichmann: Sagt Ralph Ewerth von der Ernst-Abbe-Hochschule in Jena. Ich sprach mit ihm über den ersten Frauenstudiengang E-Technik. Danke, Herr Ewerth!
    Ewerth: Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.