In grünen Anglerhosen aus wasserfestem Gummi geht es zum Bergwerksschacht. Die Abteilung Nachbergbau der technischen Hochschule Georg Agricola aus Bochum erforscht hier den Erbstollen Franziska, der versteckt und fast vergessen an einem Seitenarm der Ruhr liegt, neben der alten Wassermühle. Carmen Tomlik gibt den Weg durch die dichte Ufervegetation vor.
"Da muss man trittsicher sein. Jetzt geht es hier den steilen Abhang runter. Da müssen wir uns an die Hand nehmen."
Mit dabei ist der Geologiestudent Marco Bischoff, der hier die Wassermenge messen will, die aus dem Schacht läuft. Solche Forschungseinsätze in der üppigen Natur und wuchernder Vegetation bringen ein wenig Abenteuer in seinen Studienalltag.
Der erste Eindruck ist unangenehm: Es stinkt
"Wir schlagen uns gleich da durch. Normalerweise haben wir auch passendes Werkzeug mit, eine Machete, und kommen wir runter bis an den Mühlenbach. Da ist kein Bewuchs. Da ist viel Schlamm. Sie sind dann schon bis zu den Knien im Schlamm."
Blasen steigen bei jedem Schritt durch das Bachbett auf. Der erste Eindruck der Kurzexpedition in die Bergbauvergangenheit ist unangenehm. Es stinkt.
"Sie sehen es hier blubbern und das ist Methan. Das ist allerdings natürlicher Schlamm. Darin entstehen Faulprozesse. Deswegen riecht das so faulig."
Das Wasser ist an der Oberfläche klar, bei jedem Schritt durch die tiefer liegenden Sedimente wird jedoch rostbrauner Schlamm aufgewirbelt, der das Wasser färbt. Das kommt vom Wasser aus dem alten Bergbaustollen, so wie an Dutzenden anderen Stellen im Ruhrtal, erklärt Carmen Tomlik.
Der wildromantische Seitenarm erscheint wie eine Oase der Natur
"Viele kennen das vom Spazierengehen an der Ruhr. Da kommen orangene Zuflüsse aus den Hängen und viele fragen sich, ist das gefährlich? Eigentlich nimmt das Wasser nur sehr viel Weg durch das Gestein und sehr viele Mineralien mit. Darunter auch Eisen."
Doch schon nach wenigen Metern durch den rostbraunen Schlamm ist die Mühsal vergessen. Der wildromantische Seitenarm erscheint in der Sommersonne wie eine Oase der Natur. Nach 100 mühsam erarbeiteten Metern liegt die Schachtöffnung des Erbstollens Franziska vor uns. Vor 250 Jahren wurde dieser Schacht gebaut, um das Grubenwasser ablaufen zu lassen, damit oberhalb die Kohle abgebaut werden konnte. Christian Melchers hat an der Hochschule den Fachbereich Nachbergbau aufgebaut, der sich um die Zeit nach dem Ende des Bergbaus kümmert.
"Der Bergbau hat massiv in den Untergrund in der Region eingegriffen. Wir haben ein große untertägige Infrastruktur und über die müssen wir auch noch in 20 Jahren Bescheid wissen. Und dafür bilden wir unsere Leute aus. Die sind befähigt, die Grubenrisse zu lesen und falls erforderlich auch zu besichern."
In Witten ist der Erbstollen Franziska erst jüngst, nur hundert Meter entfernt von dem Mundloch am Mühlengraben, eingebrochen und es drohte ein Tagesbruch unter einem Restaurant. Ohne Kenntnis der Lage der jahrhundertealten Stollen könnten an vielen Stellen im Ruhrgebiet Gefahren drohen. Der Lehrstuhl von Professor Melchers versucht diese Aufgaben erstmals weltweit wissenschaftlich zu systematisieren.
25 Studenten stehen vor ihrer Masterprüfung
"Wir haben große Flächen, die der Bergbau hinterlässt. Die müssen mobilisiert, in Wert gesetzt, rekultiviert werden, damit wir hier an der Ruhr, aber auch in anderen Bergbauregionen wie Ibbenbüren und Saarland eine erfolgreiche Zukunft gestalten können."
In Bochum wurde ein Forschungszentrum mit eigenem Labor aufgebaut und jetzt stehen die ersten 25 Studenten vor ihrer Masterprüfung. Der Studiengang ist berufsbegleitend, so dass alle Absolventen einen Job haben. Inzwischen kommen immer mehr Anfragen aus dem Ausland, die von der in Bochum aufgebauten Expertise profitieren wollen. Denn nicht selten ist Nachsorge im Bergbau insbesondere in Afrika oder Süd-Amerika ein Fremdwort.
"International besteht ein Riesenbedarf. Aber häufig ist es so, dass Nachbergbau so aussieht, dass man einen Zaun baut und ein Schild dran hängt, Keep out Danger."