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Studiengebühren - nicht nötig, danke

Der Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalen hat einige Hochschulen wegen ihrer Studiengebührenpraxis kritisiert. Sie könnten noch mehr Geld einnehmen als bisher, wenn sie nicht so viele - freiwillige - Ausnahmen von der Regel machen würden.

Von Hilde Braun |
    Anna Vormann zahlt keine vollen Studiengebühren. Sie studiert im dritten Semester Lehramt an der Universität Duisburg Essen. Ihr Bruder ist bereits an der Hochschule eingeschrieben. Bei ihr greift die sogenannte Geschwisterregelung:

    " Ja, mein Bruder studiert hier auch, und von daher ist das ganz okay, dass wir nur die Hälfte zahlen müssen ..."

    Die Geschwisterregelung ist eine freiwillige Maßnahme der Universität Duisburg Essen. Egal wie viele Geschwister an der Hochschule studieren, die Studiengebühren werden pro Familie nur einmal gezahlt, der Betrag wird durch die Anzahl der Geschwister geteilt.
    Der Landesrechnungshof kritisiert die freiwilligen Regelungen der Hochschulen, auf Studiengebühren zu verzichten, und spricht von einer Unterfinanzierung. Dabei liegt es grundsätzlich im Ermessen der Hochschule, ob überhaupt Studiengebühren erhoben werden. Einige Hochschulen, wie zum Beispiel die Fachhochschule Düsseldorf, verlangen gar keine Studiengebühren, erklärt André Zimmermann, Sprecher des NRW Wissenschaftsministeriums:

    "Die Hochschulen haben in Nordrhein-Westfalen mehr Gestaltungsspielraum als in anderen Bundesländern. Sie können beispielsweise darüber entscheiden, ob sie überhaupt Beiträge erheben und genauso können Hochschulen auch in ihren Satzungen dort bestimmte Gruppen von Studienbeiträgen befreien. Das ist eine Möglichkeit, sich auch als Hochschule im Wettbewerb zu positionieren – das ist möglich."

    So müssen an der Universität Duisburg Essen zum Beispiel Spitzensportler, die im olympischen Kader sind, keine Studiengebühren zahlen. Auch wer nur noch eine Prüfung im Semester benötigt, um sein Studium abzuschließen, ist befreit. Generell liegen die Hochschulen im Ruhrgebiet im Landesvergleich ganz vorne mit der Anzahl der genutzten Ausnahmeregelungen, kritisiert der Landesrechnungshof. Die Hochschulen sind aber davon überzeugt, dass sie diese Möglichkeit anbieten dürfen. Rainer Ambrosy ist Kanzler an der Universität Duisburg Essen:

    "Im Übrigen haben wir das Ganze juristisch überprüft und kommen zu der Auffassung, dass es rechtlich zulässig ist. Denn man muss ja wissen, wenn überhaupt schon die Einführung der Studienbeiträge im Willen der Hochschule liegt, dann muss auch die Möglichkeit weiterer Ausnahmetatbestände möglich sein. Das ist unsere grundsätzliche Rechtsauffassung."

    Der Landesrechnungshof kritisiert auch die TU Dortmund und die Ruhruniversität Bochum für ihre Ausnahmeregelungen. Die Geschwisterregelung gibt es auch in Dortmund, in Bochum soll sie ab dem kommenden Wintersemester eingeführt werden.

    "Ich möchte aber auch dazu sagen, dass unsere Studierendenschaft im Ruhrgebiet unter ganz besonderen Belastungen steht. Dies weist ein Sozialbericht des Studentenwerks aus. Es ist halt so, dass unsere Studierenden nicht den elterlichen Background haben, auch nicht den finanziellen Background haben, wie das in anderen Landesteilen der Fall ist wie zum Beispiel im Rheinland."

    Die Technische Universität Dortmund befreit 16 Prozent ihrer Studierenden aufgrund von Ausnahmeregelungen. Zum Vergleich: an der Universität Köln sind es nur 5,6 Prozent. Das Wissenschaftsministerium kann die Kritik vom Landesrechnungshof nachvollziehen, hält sie aber für nicht berechtigt. André Zimmermann:

    " Ja, der Landesrechnungshof hat die Hochschulen angeschrieben und vertritt dort eine andere Rechtsauffassung als wir und wir gehen fest davon aus, dass unsere Regelung, die wir im Gesetz haben, sich auch als gerichtsfest erweisen würde."

    Der Landesrechnungshof bestätigt auf Anfrage diese unterschiedliche Rechtsauffassung, hat aber noch keinen offiziellen Bericht erstellt und möchte sich deswegen im Interview nicht dazu äußern. Er will die Einschätzung des Wissenschaftsministeriums deshalb jetzt diskutieren und noch einmal intern überprüfen. Das Wissenschaftsministerium rechnet aber nicht damit, dass die freiwilligen Ausnahmeregelungen der Hochschulen geändert oder gar abgeschafft werden müssen:

    "Ja, das Thema ist für uns ja nicht neu. Wir haben uns im Vorfeld, als wir das Gesetz dem Landtag zur Beratung übermittelt haben, sehr sorgfältig überlegt, was können wir den Hochschulen an Gestaltungsspielraum überlassen. Das ist nach unserer Auffassung möglich und wird auch den Hochschulen weiter möglich bleiben."

    Den Optimismus des Wissenschaftsministeriums teilt auch die Universität Duisburg Essen. Sie will in den kommenden Wochen mit einer entsprechenden Stellungnahme auf die Kritik des Landesrechnungshofes reagieren.