"Ich sag mal, perspektivisch, 2020 haben wir wieder Studiengebühren für Teile des Erststudiums. Wenn die Variante zum Tragen kommt, dass es vielleicht erst das Masterstudium ist, dann, glaube ich, dass wir mit 500 Euro nicht hinkommen. Da kann ich mir durchaus vorstellen, dass wir Beträge von vielleicht 1.500 oder 2.000, vielleicht auch mehr haben."
Benedikt Schulz: Dieter Dohmen, Bildungsökonom aus Berlin, zu Beginn dieser Woche in unserer Sendung. Er meint, unter den jetzigen Finanzierungs- und Rahmenbedingungen werden die Hochschulen dauerhaft nicht ohne Studiengebühren auskommen. Und das sorgt für Widerspruch unter Studierenden - unter anderem beim freien zusammenschluss von studentInnenschaften, kurz fzs. Sandro Philippi ist dort im Vorstand und außerdem ist er jetzt am Telefon. Hallo!
Sandro Philippi: Guten Tag!
Schulz: Sie schreiben zusammen mit anderen Studierendenverbänden in einer öffentlichen Stellungnahme: Die Einschätzung von Herrn Dohmen, die sei gefährlich, sie sei aber auch falsch. Warum ist sie denn falsch?
Philippi: Na ja, es gibt ja durchaus auch andere Möglichkeiten, auch trotz Schuldenbremse die Hochschulen zu finanzieren und damit ein sinnvolles und günstiges Forschen und Lernen an den Hochschulen zu garantieren.
Schulz: Andere Möglichkeiten – welche denn?
Um Umverteilungen wären möglich
Philippi: Na ja, es gibt einmal die Möglichkeit, dass man einfach zum Beispiel höhere Steuern einsetzt, also Steuern einnimmt. Eine andere Möglichkeit wäre es natürlich auch, fiskalpolitische Umverteilung vorzunehmen, und nicht zuletzt kann man natürlich auch die Schuldenbremse an sich infrage stellen. Also das macht Herr Dohmen ja nicht, er setzt es einfach voraus und beugt sich dem, womit er dann letzten Endes - ob jetzt Wissenschaftler oder nicht - eigentlich einer politischen Gegebenheit beugt und damit auch für sie Partei ergreift.
Schulz: Aber Sie stimmen ihm insoweit zu, dass in den Hochschulen zu wenig Geld steckt?
Philippi: Ja, absolut.
Schulz: Absolut. Der Bund steckt doch nun deutlich mehr Geld (hinein), als er es nun vergleichsweise vor etwa zehn Jahren durch den Hochschulpakt zum Beispiel, durch Exzellenzinitiative, aber auch durch die jetzt ab diesem Jahr frei werdenden BAföG-Mittel, und das ist ja auf jeden Fall auch langfristig – reicht das nicht mal langsam?
Philippi: Na ja, einmal musste man das Ganze über die Jahrzehnte hinweg vergleichen, wie stark sind dort die Mittel im Vergleich zur Inflationsrate oder zur Preisentwicklung verlaufen und auch der Energiekostenentwicklung vor allem. Selbst wenn wir jetzt. Wir dürfen ja nicht nur die Preisentwicklung uns anschauen, sondern wir müssen ja auch gleichzeitig noch beachten, dass es zu einer Bildungsexpansion gekommen ist, die politisch allseitig gewollt ist. Also sowohl aus sozialpolitischer Perspektive, aus einer sozusagen demokratiepolitischen Perspektive bis hin zu einer wirtschaftspolitischen Perspektive wollte man ja auch die Hochschulen ausbauen, wollte man mehr Menschen ans Studium bekommen, und dann muss man natürlich auch ein bisschen mehr investieren.
Schulz: Sie sagen, dass die Gemeinschaft für die Finanzierung aufkommen muss, Sie selbst haben jetzt gerade ein paar Möglichkeiten genannt - höhere Steuern, fiskalpolitische Umverteilung oder Schuldenbremse abschaffen. Ist das denn realistisch, oder anders gefragt: Ist das, was Herr Dohmen sagt, nicht einfach nur realistisch, dass er sagt, unter den Bedingungen können wir nun einfach die Hochschulen nicht anders, besser finanzieren?
"Wir werden auf jeden Fall Menschen abschrecken"
Philippi: Ja, realistisch ist so ein knackiger Ausdruck, den kann man sich natürlich immer wieder polemisch unter die Nase halten. Es ist objektiv der Fall, dass es sicherlich sehr schwierig ist, politisch irgendwelche Umverteilungen durchzusetzen. Das setzt natürlich eine Auseinandersetzung voraus, und da muss man Partei ergreifen. Und Herr Dohmen macht's in die eine Richtung, ich würde es in die andere Richtung machen. Also aus einer realistischen Warte ist es ja auch objektiv gegeben, dass wenn wir anfangen, Studiengebühren einzuführen, egal in welcher Höhe, wir auf jeden Fall Menschen abschrecken werden. Das ist halt die andere Seite, wenn man die Welt realistisch betrachtet.
Schulz: Ein anderer Vorschlag, den Herr Dohmen gemacht hat, der Educational Investment Fund, so nennt er das, also dass private Geldanleger in Bildung investieren und dann hinterher an den Erträgen dieser Bildung beteiligt werden. Das wäre doch eine Lösung, dann müssten Studierende ja keine Gebühren zahlen.
Philippi: Also tatsächlich ist das aus der Perspektive sozusagen des studentischen Individuums erst mal Entlastung, allerdings hat das ganz andere Haken, und zwar solche, die die Wissenschaftsfreiheit in meinen Augen beschneiden. Wissenschaft ist halt auch wieder ein sehr schwieriger Begriff, der wird auch oft polemisch angewandt, allerdings darf man natürlich nicht vergessen, dass es schon einen erheblichen Einfluss auf Bildungs- und Wissenschaftsinstitutionen hat, wenn auf einmal größere Geldgeber auch in irgendeiner Form beteiligt werden wollen und damit eine Abhängigkeit schaffen können - und natürlich auch einen gewissen Output-Zwang erzeugen. Also egal, welches Modell wir uns da miteinander anschauen, es gab ja schon ein paar Ideen und Ansätze - sie haben immer an irgendeiner Stelle einen vollkommen unverhältnismäßigen Einfluss. Aber ich bin natürlich immer gespannt, mir neue Gedankenkonstrukte anzuschauen von Herrn Dohmen und Konsorten, da können wir gerne auf der Grundlage noch mal diskutieren.
Schulz: Andere fordern ja die Einführung - Wiedereinführung muss man ja sagen - von Studiengebühren, etwa die Hochschulrektorenkonferenz in Person von Herrn Hippler. Jetzt mal ganz ungeachtet, wie Sie, Herr Philippi, wie Sie selbst zu Studiengebühren stehen, glauben Sie denn ganz fest daran, dass die Studiengebühren nicht mehr wiederkommen?
"Ich halte das für die falsche Lösung"
Philippi: Na ja, das ist schon fast eine Fangfrage, denn in meinen Augen sind die Studiengebühren ja eigentlich noch da. Und auch wenn die studentischen Verbände, einige Gewerkschaften und Parteien sicherlich große Erfolge auf diesem Gebiet der Studiengebühren für sich verzeichnen konnten, muss man trotzdem konstatieren, dass es ja immer noch Verwaltungsbeiträge gibt - die gab es bis in die 90er-Jahre hinein nicht -, und wir haben natürlich auch noch Langzeitgebühren in manchen Bundesländern und Gebühren für Weiterbildung.
Schulz: Ja, dann lassen Sie mich die Frage präzisieren: Glauben Sie denn fest daran, dass das gebührenfreie Erststudium ungeachtet von Verwaltungsgebühren und Vergleichbarem, glauben Sie, dass die nicht mehr wiederkommen werden?
Philippi: Die Debatte läuft gerade wieder - ob sie wiederkommen oder nicht, entscheidet natürlich am Schluss auch die politische Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit. Und wenn die gut geführt wird, kommen sie nicht wieder, wenn man da schläft als politischer Akteur, kann das durchaus passieren. Aber das ist tatsächlich eine Auseinandersetzung. Und es gibt natürlich gesellschaftliche Interessengruppen, denen Studiengebühren als leichterer Weg erscheinen. Ich halte das allerdings für die falsche Lösung und glaube, dass wir dagegen was unternehmen können und auch müssen.
Schulz: Sagt Sandro Philippi. Er ist beim freien zusammenschluss von studentInnenschaften im Vorstand. Vielen Dank für das Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.