Mit Corona bekam auch das Thema Digitalisierung der Schulen große Bedeutung. Aus Umfragen und Studien der vergangenen Zeit konnte man vor allem lernen, woran der digitale Unterricht an vielen Schulen bislang gescheitert ist: keine Endgeräte, überforderte Lehrer oder keine digitale Infrastruktur wie zum Beispiel eine funktionierende Lernplattform. Eine neue Studie der Vodafone-Stiftung hat jetzt den Spieß umgedreht und danach gefragt, was an den Schulen gut läuft, wenn der digitale Unterricht funktioniert. Digitale Optimalschulen werden solche Einrichtungen dann genannt.
Birgit Eickelmann ist Professorin für Schulpädagogik und Leiterin der Studie "Digitales Potenzial – Erfolgreiche Förderung digitaler Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern an nicht-gymnasialen Schulen der Sekundarstufe 1".
Matthis Jungblut: Was zeichnet denn diese digitalen Optimalschulen aus?
Birgit Eickelmann: Zunächst mal haben wir festgestellt, die Menge der Ausstattung ist gar nicht entscheidend, viel entscheidender ist eigentlich, dass die digitale Ausstattung der Schulen auf die pädagogischen Zielsetzungen und Herausforderungen der Schulen passt, also wenn dann im Ergebnis die Lehrkräfte sagen, ja, das ist eine digitale Ausstattung, die uns auch tatsächlich hilft, die wir gut finden. Auf der anderen Seite haben wir auch gesehen, dass sich die Lehrkräfte vor allen Dingen fachlich fortbilden, dass sie genau schauen, wie kann ich in meinen Unterrichtsfächern, die ich unterrichte, digitale Medien nutzen. Dann, zusammen mit weiteren Faktoren, kann man deutlich sagen, dass die Schulen, die wir da in den Blick genommen haben und die überdurchschnittlich gut abschneiden, Ergebnisse erzielen, wie wir das aus anderen Ländern kennen und sie im internationalen Vergleich sogar mithalten können.
Digitale Medien auch für den Frontalunterricht nutzen
Jungblut: Welche weiteren Faktoren meinen Sie?
Eickelmann: Wenn man sich die weiteren Faktoren anschaut, dann kann man vor allen Dingen auch auf die Unterrichtsebene schauen, das ist ja auch eine Frage, die uns immer beschäftigt: Wie sieht eigentlich sogenannter guter digitaler Unterricht aus? Dann stellen wir eben in diesen Schulen fest, die so besonders gut abschneiden, dass sie zwei Sachen miteinander kombinieren: Auf der einen Seite nutzen sie digitale Medien, um Schülerinnen und Schüler individuell zu fördern, also gezielt Aufgaben beispielsweise bereitstellen, gezielt Lernprozesse begleiten. Auf der anderen Seite kommt etwas dazu, was eigentlich nicht ganz unerwartet kommt, nämlich, dass digitale Medien auch genutzt werden, um Inhalte oder Informationen einfach im Frontalunterricht zu erklären. Ich glaube, das hat man ganz schnell auch vor Augen noch: Wenn etwas gut erklärt wird und im Klassenverband gut erklärt wird, dann ist das auch durchaus unterstützend für das Lernen. Das heißt gar nicht, dass das unbedingt einer Lehrervortrag sein muss, also es muss nicht die Lehrkraft sein, die etwas gut erklärt, sondern es können natürlich auch die Schülerinnen und Schüler sein, die dann ihrer Klasse mithilfe von digitalen Medien im Klassenverbund Zusammenhänge erklären oder auch Dinge visualisieren. Ich glaube, das ist sozusagen direkt zugänglich, dass das hilfreich sein kann beim Lernen.
Unterschiedliche Ausgangslagen bei einzelnen Schulen
Jungblut: In der politischen Diskussion geht’s ja vor allem um die Endgeräte jetzt, aber das ist, wenn ich Sie richtig verstehe, nicht das Allheilmittel, oder?
Eickelmann: Ja, also was natürlich feststeht, ist – das merken wir, und das haben wir in der Pandemiezeit auch gemerkt –, die Ausstattung der Schulen in der Fläche in Deutschland ist nicht besonders gut. Uns fehlt es nicht nur an digitalen Endgeräten, sowohl für Lehrkräfte als auch für Schülerinnen und Schüler, uns fehlt es insgesamt an einer modernen IT-Infrastruktur in Schulen. Da gibt es vor allen Dingen den Befund ja für Deutschland, dass wir da in der Fläche große Unterschiede haben, also Schulen, die schon längst an Glasfaser angeschlossen sind, mit Lernzeitformen arbeiten und digitale Tools und Inhalte zur Verfügung haben, und Schulen, die in dem Bereich eben gar keine Ausstattung vorfinden und vor allen Dingen dann natürlich beklagen, dass sie noch nicht mal WLAN in der Schule haben, das die Schülerinnen und Schüler dann zum Lernen nutzen können.
Ja, Ausstattung fehlt zwar und könnte immer besser sein, aber vor allen Dingen muss diese Ausstattung eben zu den pädagogischen Zielen, zu den didaktischen Konzepten passen. Es hilft also nicht, nach dem Gießkannenprinzip digitale Technologien an Schulen zu verteilen, sondern das Wichtigste ist, dass diese Ausstattung eben auch zu dem pädagogischen Setting passt.
"Ergebnisse der Studie sind außerordentlich motivierend"
Jungblut: Wenn sich jetzt andere Schulen auch damit beschäftigen, was können denn andere Schulen ganz konkret von diesen digitalen Optimalschulen abgucken, die Sie sich da angeschaut haben?
Eickelmann: Erst mal sind die Ergebnisse der Studie, meine ich, außerordentlich motivierend. Diese Negativperspektive, die wir oft in der öffentlichen Diskussion haben, dass Schulen es in Deutschland nicht schaffen und digital abgehängt sind, das stimmt einfach nicht, denn wir müssen viel stärker differenzieren.
Es gibt einfach Schulen, die in dem Bereich richtig gute Arbeit machen und sehr erfolgreich sind, das ist das Erste. Da würde ich sagen, diese Motivation können wir jetzt auch für die nächsten Wochen und Monate wirklich mitnehmen. Es ist möglich, die Schülerinnen und Schüler zu fördern, unabhängig davon, welche Schulform sie besuchen.
Das andere, was man mitnehmen kann, ist, dass man als Schule einen Fokus darauf legen sollte, welche Art von Ausstattung man bekommt, dass man wirklich durchsetzen muss, dass die Ausstattung, die zur Verfügung steht, auch zu dem pädagogischen Visionen und Zielsetzungen der Schule passt, also auch diese Situation, dass da vielleicht auch Schulträger noch mal umdenken, wenn es jetzt auch um die Umsetzung des Digitalpaktes geht und um die Umsetzung weiterer Ausstattungsmaßnahmen, dass man einfach noch mal weiß, man muss eigentlich noch viel mehr auf die Schulen hören und mit den Schulen auch zusammen diese Ausstattungskonzepte entwickeln.
Fortbildungen passend zu den Unterrichtsfächern
Und dann auch der Hinweis, dass man nicht nur allgemein sagt, Lehrkräfte müssten besser fortgebildet werden, müssten besser ausgebildet werden, sondern dass wir jetzt an der Studie sehen, es macht einen Unterschied, ob es ein allgemeines Fortbildungsangebot ist oder ob man passende Fortbildungsangebote bekommt. Passende Fortbildungsangebote wären auf der Grundlage der Ergebnisse unserer Studie welche, die die Schulform miteinbeziehen, die also ganz gezielt für eine bestimmte Schulform und für eine bestimmte Schulstufe fortbilden, also keine Fortbildung, die allgemein vielleicht auch nur technische Aspekte in den Vordergrund stellen und die dann eben auch passend zu den Unterrichtsfächern sind.
Wenn ich als Englischlehrkraft einfach weiß, digitale Medien kann ich im Englischunterricht für verschiedene Settings nutzen, und die passe ich dann noch für meine Schülerinnen und Schüler an, dann bin ich einen Schritt weiter. Wenn ich einfach nur eine allgemeine Fortbildung bekomme, die möglicherweise gar nicht zu meinem Kontext oder zu meinen Fächern passt, dann ist die relativ wirkungslos und kann am Ende sogar verpuffen in ihrem Effekt.
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