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Studieren in Griechenland
DAAD sieht Krise als Chance

Trotz Krise entscheiden sich immer wieder deutsche Erasmus-Studierende für einen Auslandsaufenthalt in Griechenland. Das hat Alexander Roggenkamp vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) in Athen beobachtet. Grund dafür seien neben Abenteuerlust vor allem die gute Lernatmosphäre und das hoch qualifizierte Lehrpersonal.

Alexander Roggenkamp im Gespräch mit Regina Brinkmann |
    Studentinnen warten in einem Gebäude der Pantion Universität in Athen
    Studentinnen warten in einem Gebäude der Pantion Universität in Athen (dpa / picture alliance / Socrates Baltagiannis)
    Regina Brinkmann: Das Nein der Griechen zum bisherigen Sparkurs ist ja das bestimmende Thema heute. Wie es politisch und wirtschaftlich nach dem Referendum nun weitergeht, hat auch einen Einfluss darauf, wie sich Griechenland als Hochschul- und Wissenschaftsstandort entwickelt.
    Bei mir im Studio begrüße ich Alexander Roggenkamp. Er ist mit der aktuellen Situation der griechischen Hochschullandschaft bestens vertraut, denn er leitet in Athen das Informationszentrum des Deutschen Akademischen Austauschdienstes und ist gerade auf Dienstreise in Deutschland praktischerweise.
    Herr Roggenkamp, wie sehr haben die letzten Wochen der Griechenlandkrise den Hochschulen im Land zugesetzt?
    Alexander Roggenkamp: Ich denke, massiv, weil diese Krise existenziell ist, weil es um viel Geld geht, weil der Grexit vielleicht bevorsteht und das natürlich auch die Hochschulen vor massive Probleme stellen wird und natürlich auch die Wissenschaftler und die Studierenden, die europäischen Programme.
    Fördergelder sind eventuell auch gefährdet. Das heißt, akut ist die Not sowieso schon sehr groß, und es hat sich sicherlich noch mal in den letzten zwei Monaten verschärft, als sich die Lage immer weiter zugespitzt hat.
    Brinkmann: Wie stellt sich denn so eine Verschärfung praktisch dar?
    Roggenkamp: Also ganz praktisch muss man sagen, dass die griechischen Hochschulen insgesamt schon seit Jahren unterfinanziert sind. Das äußert sich dann ganz pragmatisch darin, dass man zum Beispiel im Winter manchmal die Hörsäle nicht mehr heizen kann, dass es an Geldern fehlt, um die Ausstattung voranzubringen, dass aber auch Gelder fehlen, damit Wissenschaftler an Forschungssymposien im Ausland teilnehmen können – also für Dienstreisen beispielsweise –, dass auch in der Verwaltung Personal eingespart worden ist, das heißt, dass Studierende lange auf Bescheinigungen zum Beispiel warten müssen, auf Stempel. Also ganz banale Dinge, die eben den Ablauf einer Universität eben charakterisieren.
    "In der Krise eine Chance sehen"
    Brinkmann: Ja, unter diesen Voraussetzungen, wie attraktiv ist es denn dann eigentlich noch für deutsche Studierende nach Griechenland zum Austausch zu kommen?
    Roggenkamp: Es ist vielleicht gerade deswegen besonders spannend, weil es sicherlich das Land in Europa ist, wo gerade am meisten passiert. Also man könnte ja auch in der Krise natürlich eine Chance sehen, dieses Land jetzt auch mal wirklich hautnah selbst zu erleben und nicht nur zu schauen, was in den Medien geschrieben wird. Das ist auch oft ein Argument für viele – zum Beispiel im Erasmus-Bereich –, für viele deutsche Studierende, dass sie sagen, ich gehe jetzt ganz bewusst mal nach Griechenland, weil ich wissen will, was passiert da eigentlich.
    Also es ist schon auch eine gewisse Abenteuerlust dabei. Und sie merken dann vor Ort, hoppla, meine Professoren, die sind ja super ausgebildet, die haben ja alle im Ausland promoviert, in Deutschland, in Frankreich, in Großbritannien, in den USA, ich habe hier eine sehr gute Betreuung und ich habe eine sehr gute Lernatmosphäre trotz der Probleme, trotz der strukturellen Probleme, die durchaus vorhanden sind an den Hochschulen, die man auch nicht bestreiten kann. Und das ist dann für viele ein sehr positives Erlebnis, das uns auch rückgemeldet wird.
    Ganz aktuell, ein Beispiel ist ein junger Doktorand, der an der Universität von Thessalien in Trikala promoviert im Bereich der Sportpsychologie, und der ist auf uns zugekommen, um nach Fördermöglichkeiten zu fragen, und da habe ich ihn gefragt, sag mal, Promotion in Griechenland aus Deutschland, wie bist du eigentlich darauf gekommen, und dann hat er mir erzählt, er hätte einen Master gemacht, der in Leipzig und eben in Trikala angesiedelt war, und aus diesem Master heraus hätte ihn ein Professor angesprochen, sag mal, willst du nicht bei mir promovieren auf Englisch, und er sagt, diese Professoren sind hoch qualifiziert in diesem Bereich, in dem ich promoviere, gehören die zu den Topleuten, und ich habe hier eine Betreuung, die ich in Deutschland nicht hätte.
    Brinkmann: Also ist das Bild auch manchmal vielleicht ein bisschen verzerrt, was wir hier von Griechenland in Deutschland bekommen?
    Roggenkamp: Gut, in Deutschland ist natürlich der Schwerpunkt ganz klar, was die Berichterstattung betrifft, auf der wirtschaftlichen Seite, auf dieser schweren wirtschaftlichen Krise, die das Land und Europa ja seit fünf Jahren in Atem hält, und dabei wird vergessen, dass ein unglaubliches Potenzial besteht an den Hochschulen.
    Wie gesagt, wir haben die strukturellen Schwächen, aber wir haben ein sehr gut ausgebildetes Personal an den Hochschulen, sehr motivierte Menschen, natürlich, die unter diesen Sparmaßnahmen auch leiden, aber trotzdem noch versuchen, der nächsten Generation die bestmöglichen Karrierechancen auch zu geben. Und insofern ist das sicherlich ein Aspekt, den man unter dieser ganzen Krisendiskussion vergisst, dass es eben auch gute Möglichkeiten gibt, in Griechenland zu studieren.
    Brinkmann: Jetzt haben Sie ja so ein bisschen die Werbetrommel gerührt, muss ich ja mal sagen. Gleichwohl kann ich mir vorstellen, dass deutsche Studierende, für die Sie ja auch Anlaufstelle sind in Athen, mit Problemen kommen. Mit welchen Problemen kommen die denn?
    Roggenkamp: Ja, natürlich, also ich rühre deswegen die Werbetrommel, weil natürlich der umgekehrte Weg, dass die Griechen nach Deutschland gehen, da muss ich nicht viel Werbung machen, da haben wir leider eine große Zahl von Griechen, die sich dafür interessieren, aber umgekehrt eben ist es auch notwendig, die Werbetrommel zu rühren. Die Probleme, die sie haben, sind zum Teil der Tatsache geschuldet, dass es immer wieder mal zu Streiks kommen kann, dass vielleicht mal bestimmte Prüfungsblöcke verschoben werden müssen, aber ich muss sagen, die meisten deutschen Studierenden haben wirklich keine massiven Probleme. Sie rechnen vielleicht damit im Vorfeld, aber wenn sie dann da sind, merken sie, eigentlich läuft hier relativ alles glatt ab.
    Strukturen vor Ort stärken
    Brinkmann: Und von Ihrer Antwort, da habe ich eben schon rausgehört, dass es ja sehr viele griechische Studierende auf der anderen Seite sind, die herkommen wollen.
    Sie haben sogar leider gesagt, wenn ich da jetzt genau mal zugehört habe. Haben Sie da nicht genug Mittel, um denen gerecht zu werden? Wäre es vielleicht auch eine Idee, dass der DAAD in Zukunft da ein bisschen aufstockt?
    Roggenkamp: Genau. Natürlich freuen wir uns über jeden, der sich bewirbt um ein Stipendium. Leider habe ich deswegen gesagt, weil es natürlich eine Tendenz gibt, dass die Griechen das Land verlassen und nicht zurückkehren, und ich mache mir ganz persönlich natürlich dann Sorgen, wie soll dieses Land in fünf, sechs Jahren wieder auf die Beine kommen, wenn die besten Köpfe das Land verlassen und dauerhaft im Ausland bleiben – deswegen das leider.
    Natürlich freuen wir uns als DAAD über die Nachfrage nach Deutschland. Also wir haben beispielsweise bei den Stipendien für ein Masterstudium in Deutschland einen Zuwachs von 200 Prozent in den letzten vier Jahren, das ist natürlich massiv. Da kann man natürlich einerseits sagen, man stockt Mittel auf.
    Andererseits hat sich der DAAD aber auch dafür entschieden zu sagen, nein, wir wollen auch Mittel bereitstellen, damit wir auch die Strukturen vor Ort stärken. Ich habe ja gerade gesagt, Strukturreformen sind notwendig, und deswegen hat der DAAD eben auch Sonderprogramme ins Leben gerufen: Zum Beispiel den Hochschuldialog mit Südeuropa – das umfasst auch andere Länder, wie zum Beispiel Spanien und Italien –, das Programm Hochschulpartnerschaft mit Griechenland, was aktuell zwölf Projekte fördert, auch ganz konkret künstlerische Projekte.
    Zum Beispiel ist ein Film entstanden aus einer Zusammenarbeit zwischen der Filmhochschule in München und eben einer Filmhochschule in Athen – "Brot und Oliven" –, wird hoffentlich auch bald mal im deutschen Fernsehen gezeigt, ein Kurzfilm, der sich auch mit Stereotypen auseinandersetzt und der jetzt im Oktober bei dem Filmfestival in Drama in Nordgriechenland Premiere haben wird.
    Und dann haben wir noch ein drittes Programm, den deutsch-griechischen Zukunftsfonds, der sich explizit mit den deutsch-griechischen Beziehungen auseinandersetzt, Schwerpunkt da die Zeit des Zweiten Weltkriegs.
    Also wir versuchen da natürlich was zu machen, um eben auch die Strukturen vor Ort zu stärken.
    Brinkmann: Ja, und vielleicht hat der eine oder andere jetzt doch mal wieder Interesse oder Abenteuerlust bekommen, nach Griechenland zu gehen. Herzlichen Dank, Alexander Roggenkamp, Leiter des DAAD-Büros in Athen zum akademischen Austausch zwischen Deutschland und Athen im Zeichen der Finanzkrise.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.